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Landesmedienanstalten in einfacher Sprache

Manchmal kriegen Privatmedien einen Brief. In dem steht dann, dass sie etwas anders schreiben müssen, als sie geschrieben haben. Dieser Brief kommt von der Landesmedienanstalt. Die ist vom Staat erfunden worden. Sagt aber was anderes.

Ein Beitrag von Roberto De Lapuente.

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Paul Schreyer ist ein Journalist. Sein Magazin heißt Multipolar. Das gibt es nur online. Online bedeutet im Internet. Paul Schreyer hat einen Brief bekommen. Von der Landesmedienanstalt aus Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen ist ein deutsches Bundesland. Die Landesmedienanstalt forderte Paul Schreyer auf, an verschiedenen Texten in seinem Magazin etwas zu verändern. Weil sie nicht richtig sein sollen. Aber die Landesmedienanstalt sagt nicht, wie es richtig geht. Sie weiß es selbst nicht. Denn sie ist kein Journalist. Sie soll nur Journalisten überwachen. Aber nur die, die in Privatmedien arbeiten.

Privatmedien sind das Gegenteil von öffentlich-rechtlichen Medien. Öffentlich-rechtlichen Medien, ARD und ZDF zum Beispiel, schreiben die Landesmedienanstalten keine Briefe. Öffentlich-rechtliche Medien werden von Beiträgen bezahlt, die jeder Bürger zahlen muss. Das sind aber keine Zwangsgebühren. Wer das sagt, ist ein böser Mensch. Die Landesmedienanstalten werden auch von den Beiträgen bezahlt.

Per Rundfunkbeitrag finanziert

Vielleicht dürfen sie deswegen nicht die Tagesschau kritisieren. Denn beide bekommen Geld von den Rundfunkbeitrag: »1,8989 Prozent am Rundfunkbeitrag zur Verfügung«, haben die Landesmedienanstalten erklärt, als wir sie fragten. Im Jahr 2023 wurden 9,02 Milliarden Euro Gebühren erhoben. Das sind fast zwei Milliarden Euro mehr als 2005. 9,02 Milliarden Euro sind viel Geld. Aber nicht alle Landesmedienanstalten bekommen 1,8989 Prozent der Rundfunkbeiträge. Manche Bundesländer ziehen ihnen schon vorher etwas ab. Das vorenthaltene Geld wird für andere Zwecke genutzt. Zum Beispiel: »Orchester, Chöre, die Filmförderung, Berichterstattung zu regionalen Veranstalten oder auch zur Aus- und Weiterbildung«. Die Landesmedienanstalten bekommen noch Geld aus »Verwaltungsgebühren oder Bußgelder sowie im Einzelfall öffentliche Mittel zur Finanzierung einzelner Projekte«, erklärt sie.

Die 14 Landesmedienanstalten haben eine gemeinsame Geschäftsstelle. Die nennt sich, ganz kleingeschrieben: die landesmedienanstalten. Wir haben gefragt, wie viele Leute da arbeiten. Antwort: 2023 waren es 25,2 Planstellen. Die Personalkosten 2023 lagen bei 2,145 Millionen Euro.

Seit 2020 gibt es einen neuen Medienstaatsvertrag. In diesem Vertrag regelt der Staat, wie er Medien behandeln will. Man schrieb da rein, dass es Landesmedienanstalten geben soll. Die müssen dann »die Aufsicht über journalistisch-redaktionell gestaltete private Telemedien, sofern diese sich nicht dem Deutschen Presserat angeschlossen haben« übernehmen. Wenn ein Online-Magazin oder eine Sendung im Presserat ist, kriegt sie keine Briefe. Auch dann nicht, wenn sie viel Unsinn behauptet. Alle anderen müssen die »anerkannten journalistischen Grundsätze einhalten«, sagen die Landesmedienanstalten. Die Landesmedienanstalten reagieren auf Beschweren von Bürgerinnen und Bürger. Dann schreiben sie einen Brief. Sie können aber auch ohne vorherige Beschwerde vorgehen.

Die Briefe sind nur Hinweisschreiben, sagen die Landesmedienanstalten auch. Wenn man aber nicht auf sie eingeht, können sie auch einen Beitrag untersagen. Das wird dann gerichtlich geprüft. Wir haben gefragt, ob das manchmal politisch beeinflusst wird. Das heißt, ob ein Politiker oder eine Partei der Landesmedienanstalt etwas einflüstert. Oder ob die Mitarbeiter der Landesmedienanstalten von selbst politisch vorgehen. die landesmedienanstalt sagt: »Nein«.

Sehr staatsfern

Der Staat selbst darf nicht Journalisten beaufsichtigen. Das Grundgesetz erlaubt das nicht. Im Grundgesetz stehen Rechte für alle drin. Manchmal darf man die aber nicht haben wollen. Tut man es doch, bekommt man Ärger mit dem Staat. Der sagt aber, dass das Grundgesetz eingehalten werden muss. Damit er es einhalten kann, hat der Staat Landesmedienanstalten gegründet. Böse Leute behaupten, der Staat hat da einen Trick gefunden, damit er doch Journalisten kontrollieren kann. Alle Landesmedienanstalten werden von Beiträgen bezahlt. Das wissen wir schon. Das Bundesverfassungsgericht hat mal bestätigt, dass die Rundfunkbeiträge »in einem staatsfernen Verfahren« eingesammelt werden. Man muss den Beitrag aber zahlen. Tut man es nicht, bestraft einen der Staat und seine Justiz.

Wir haben die landesmedienanstalten gefragt, warum sie glauben staatsfern zu sein, wo sie doch Geld vom Staat kriegen. Sie antworteten: Weil »ihre Entscheidungen alleine an das Gesetz gebunden sind und eine inhaltliche Einflussnahme der Regierung nicht möglich ist«. Die Regierung tue das aber auch nicht. die landesmedienanstalten erklären auch, dass sie nicht »der Fachaufsicht durch staatliche Ministerien« unterliegen. Daher kann man auch von Staatsferne ausgehen. Auch weil man sich »nicht durch staatliche Steuermittel« finanziert, »sondern durch einen Anteil aus dem Rundfunkbeitrag«.

Auf die Frage, ob die Landesmedienanstalten nicht die Pressefreiheit gefährden, sagte man uns, dass man das nicht könnte. Denn: »Die Landesmedienanstalten sind für Rundfunkangebote und für Telemedienangebote zuständig, nicht für die Presse.« Auf die Frage, ob die Landesmedienanstalten einen »Staatsjournalismus« fördern würden, sagte man uns, dass man die Frage nicht verstehe. Antwort: »Was unter einem sogenannten Staatsjournalismus zu verstehen sein soll, ist uns nicht bekannt. Staatlicher Journalismus ist vielmehr ein Widerspruch in sich.«

Alles in bester Ordnung

Wir haben die landesmedienanstalten gefragt, wie oft sie Alternativmedien Briefe geschrieben haben. Antwort: »Den Begriff Alternativmedium kennt das Medienrecht und damit die Medienaufsicht nicht.« Und wie oft sie das taten: Von Dezember 2022 bis Dezember 2023 haben die Landesmedienanstalten 15 Briefe verschickt. Von Dezember 2023 bis Juni 2024 waren es sechs.

Die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen, die den Brief an Paul Schreyer schrieb, hat unsere Fragen zu Multipolar aus rechtlichen Gründen nicht beantwortet.

Es gibt besonders bei den Alternativmedien im Internet viele Menschen, die die Landesmedienanstalten kritisieren. Sie sagen dann, dass die Landesmedienanstalten vom Staat sind. Und dem großen Journalismus, der von Beiträgen oder großen Werbegeldern bezahlt wird, helfen gegen diese Konkurrenz. Paul Schreyer hat vor vielen Wochen mit seinem Magazin Multipolar Dokumente des Robert Koch-Instituts veröffentlicht. Manche sagen, das war jetzt die Rache von der Landesmedienanstalt. Aber nachdem die landesmedienanstalten unsere Fragen beantwortet haben, kann man in einfacher Sprache sagen: Stimmt alles gar nicht. Der Staat hat bei den Landesmedienanstalten gar nichts zu sagen. Er leitet nur die Gelder dorthin. Das bedeutet aber nichts. Weil das Bundesverfassungsgericht das auch mal so behauptet hat. Und Staatsjournalismus kann es nicht geben. Denn auf Nachfrage kam heraus, dass »staatlicher Journalismus« ein Widerspruch ist.

Wer die Landesmedienanstalten jetzt noch kritisiert, hat das alles nicht verstanden. Auf Nachfrage erklärte die landesmedienanstalten: »Das oberste Ziel ist dabei die Sicherung der Vielfalt der Angebote und der Meinungsfreiheit, damit die Bürgerinnen und Bürger sich aus einer breiten Zahl von Angeboten ihre Meinung bilden können.«Querdenker» erzählen oft, dass die Landesmedienanstalten ein mächtiges Kontrollinstrument sind. Aber nur, wenn man dort nicht mal nachgefragt hat. In Wirklichkeit sind die genauso staatsfern wie Alternativmedien. Wir wissen nun, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Alles ist in bester Ordnung. Eine beste Ordnung ist, wenn jemand die Mittel hat, sich eine Ordnung nach seinem Besten zu schaffen.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren - auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen - abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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