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Eskalierender Streit in der NATO

Europas autoritäre, nicht gewählte Herrscherin Ursula von der Leyen in einem eskalierenden Streit mit der NATO-Führung.

Ein Beitrag von Gilbert Doctorow. Übersetzt von Sabiene Jahn.

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Bei seiner Abschiedsveranstaltung am Donnerstag, die vom deutschen Marschallfonds in Brüssel ausgerichtet wurde, kam NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg einer Verurteilung der Kommissionschefin Ursula von der Leyen so nahe, wie es im Euro-Slang vor Journalisten möglich ist, von denen er wusste, dass sie jedes seiner Worte abwägen würden. Wie es die Financial Times (FT) ausdrückte, machte Stoltenberg „unverblümte Bemerkungen, als er den Aufbau von Kompetenzen, Personal und Budgets für die Kommandostrukturen der EU und die geplante schnelle Eingreiftruppe verurteilte, da er befürchtete, dass dies der NATO Ressourcen abziehen würde. Siehe „Nato-Chef warnt EU vor Aufbau einer ‚konkurrierendenTruppe“ von Henry Foy in der gestrigen FT.

Wenn es das ist, was Stoltenberg in der Öffentlichkeit sagt, kann man sich gut vorstellen, dass der Kampf der NATO und der EU um die Führungsrolle in der europäischen Verteidigung hinter geschlossenen Türen auf Hochtouren läuft. Es ist ein Wettbewerb, der seit vielen Monaten an Fahrt gewinnt. Wir haben ihn bereits im April in einem Politico-Artikel diskutiert gesehen: Wer ist der Boss, wenn es um Verteidigung geht: die NATO oder die EU?von Stuart Lau und Jacopo Barigazzi. Was wir hier erleben, ist eine Verflechtung persönlicher und institutioneller Ambitionen. In dieser Hinsicht ist das alles klassischer Stoff für eine Oper, wie sie in den goldenen Jahren Verdis komponiert wurde. Der Teil mit den persönlichen Ambitionen bezieht sich auf Ursula von der Leyen, deren Verbleib an der Spitze der Kommission Anfang des Jahres in Frage gestellt worden war.

Unter diesen Umständen hatte die Dame ihren Namen ins Rennen geschickt, um Jens Stoltenberg an der Spitze der NATO zu ersetzen. Gerüchte machten die Runde. Die britische Daily Mail sagte damals, sie habe die Unterstützung von Joe Biden. Ob das nun wahr ist oder nicht, es reichte nicht aus, um ihr die Ernennung zur NATO zu sichern. Stattdessen strebte sie eine weitere Amtszeit als Kommissionschefin an und dank der guten Wahlergebnisse der Mitte-rechts-Partei Europäische Volkspartei im Frühjahr, deren größtes Mitglied ihr Heimatland Deutschland ist, gelang es von der Leyen, ihren Posten zu behalten. Darüber hinaus hat sie nach allgemeiner Übereinstimmung der Beobachter ihre Macht in jeder Hinsicht gefestigt. Die Financial Times legt dies in ihrem Artikel Ursula von der Leyen, die Politikerin, die Brüssel stärker im Griff hatziemlich ausführlich dar, ebenfalls von dem in Brüssel ansässigen Journalisten Henry Foy.

 Er beschreibt die fein ausbalancierte Matrixihres Kabinetts, das er einen Beobachter mit den Worten „Ursula-Show“ zitiert. Foys Artikel über von der Leyen ist im Allgemeinen schmeichelhaft und ruft aus, dass sie die am härtesten arbeitendePerson in den EU-Institutionen sei. Er räumt ein, dass Kritiker sagen, sie „überdehne regelmäßig ihre Befugnisse und umgehe ordnungsgemäße Verfahren. Aber das räumt er ihr ein, ganz im Sinne von wo gehobelt wird, fallen Späne. So schließt er seine vermeintlich umfassende Würdigung von der Leyens mit der Aussage, dass Bewunderer, darunter viele EU-Staats- und Regierungschefs, ihre Fähigkeit verehren, Dinge zu erledigen, indem sie die byzantinischen Schichten der europäischen Bürokratie durchbricht. Es ist völlig angemessen, dass Foy es vermeidet, diesen Ansatz als das zu bezeichnen, was man sonst vielleicht nennen würde: autoritär. Was in diesem scheinbar ausgewogenen Journalismus der FT fehlt, ist das, womit wir diesen Essay eingeleitet haben: von der Leyens fortlaufende Verdoppelung der NATO- Funktionen.

Dies ist selbstverherrlichend, da es ihre Befugnisse ausweitet. Außerdem verwandelt es die Europäische Union von einem Friedensprojekt, wie es ursprünglich konzipiert wurde, in ein Kriegsprojekt. In dieser Hinsicht durchdringen alle Instrumente, die von der Leyen eingesetzt hat, um den von Foy beschriebenen Grad an Kontrolle über die Kommission sicherzustellen, die Kommission und die EU-Institutionen im Allgemeinen auch mit der gegen Russland gerichteten Kriegsagenda des Neuen Europa (wie Donald Rumsfeld die ehemaligen Warschauer-Pakt-Länder beschrieb). Hier finden wir die vereinigende Mission sowohl der EU- als auch der NATO-Institutionen. Eine der offensichtlichen Möglichkeiten, mit denen von der Leyen die EU kontrollieren will, ist ihre engste Zusammenarbeit mit den Kommissaren aus den baltischen Staaten und den anderen osteuropäischen Mitgliedsstaaten.

Diese Kommissare sind per Definition alle viel leichter für den Kommissionspräsidenten zu beherrschen als Kommissare, die von den großen Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Italien und Deutschland aufgestellt wurden. Sie haben große Verantwortungsbereiche erhalten, die in keinem Verhältnis zum politischen, wirtschaftlichen und demografischen Gewicht der Länder stehen, die sie vertreten. Aus diesem Grund wurde der völlig oberflächliche Premierminister Estlands, das 1,3 Millionen Einwohner hat, von der Leyen zum Leiter des Schlüsselressorts für Außenbeziehungen als Sprecher der EU gegenüber der Welt ernannt. Natürlich war und ist Kaja Kallas, die selbst als Kandidatin für die Nachfolge Stoltenbergs bei der NATO im Rennen war, eine der aggressivsten Russophobikerinnen in der EU.

Vor einigen Wochen sagte die Dame, das Ziel der EU sollte es sein, Russland in die Knie zu zwingen, indem sie Russland dem Kreml in seinem Krieg gegen die Ukraine eine Niederlage zuzuschreiben. Selbstverständlich sind auch die anderen osteuropäischen Kommissare, zum Beispiel aus Litauen, Kämpfer gegen die angeblichen Barbaren, die Russland bevölkern. Für diejenigen unter uns, die schon eine Weile dabei sind und die EU-Institutionen kennen, als sie von Männern von großem Rang wie Jacques Delors errichtet wurden, ist es schmerzlich zu sehen, wie das Projekt von Menschen mit viel niedrigerem moralischen Ansehen und weniger Zukunftsvision zu einem Kriegsprojekt degradiert wurde.

Der Artikel ist erstmals auf der Seite von Gilbert Doctorow erschienen.

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