Wie die Schweizer WELTWOCHE, versteht auch Berlin 24/7 unter journalistischer Arbeit, interessanten Persönlichkeiten Raum zu geben, die im sogenannten Medienmainstream kaum oder nur in sehr zielgerichteten, passenden Formen zur Sprache kommen. Der Chefredakteur Roger Köppel meint zum lückenhaften Journalismus des Mainstreams, „Das ist nicht gut, denn dann hat man nicht das ganze Bild. Dann ist man sozusagen mit einer amputierten Weltsicht unterwegs, und da möchten wir etwas dagegenwirken.“ Daher sprach er mit dem AfD-Spitzenkandidaten für den Europa-Wahlkampf, Maximilian Krah. Im Juni dieses Jahres stellt er sich zur Wahl. Sein Steckbrief: Maximilian Krah ist geboren im Januar 1977 in Reikowitz, das heißt, im sächsischen Bundesland, also in der ehemaligen DDR. Er hat an der TU Dresden Rechtswissenschaft studiert, ist dort promoviert wurden zum Doktor und hat dann einen MBA angefügt an der London Business School und an der Columbia Business School in New York. Er ist römisch-katholischer Konfession.
Berlin 24/7 hat das interessante Gespräch für seine Leser transkribieren lassen.
Roger Köppel, Chefredakteur der WELTWOCHE Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen hier bei Weltwoche Daily… Steigen wir gleich ein. Sie sind ja in aller Munde, schon seit einiger Zeit, und zwar aufgrund dieser Spionageaffäre um einen einstmals chinesischen Mitarbeiter von Ihnen. Können Sie uns hierzu einmal Ihre Sicht bringen?
Maximilian Krah Gut, also ich kannte den Mann, als ich noch Rechtsanwalt war. Er war nämlich mit seinem Unternehmen mein Mandant. Insofern, es ist immer gut, jemanden mitzubringen, weil dann hat man eine Brücke, und er machte beruflich Export/ Import. Er hatte also praktische Erfahrung im Außenhandel, und ich bin Mitglied des Außenhandelsausschusses. Und zudem ist er deutscher Staatsbürger, kein Doppelstaatler, allein deutscher Staatsbürger. Es sprach also nichts dagegen, ihn als Fachreferenten einzusetzen. Wie wir jetzt wissen, hat der Verfassungsschutz ihn bereits vier Jahre verdächtigt, mehr Informationen als zulässig und auch als von mir gewünscht an die Chinesen abzugeben, ohne mich zu warnen. Er war wohl auch in der Vergangenheit schon mal eine Quelle des Verfassungsschutzes. Das heißt, der Verfassungsschutz hat vier Jahre zugeschaut, und ich bin natürlich der Meinung, das ist pflichtwidrig. Man hätte mich warnen müssen und es zeigt, dass es keine allzu großen Geheimnisse gewesen sein können. Ansonsten hätte man dieses Treiben nicht geduldet. Jetzt natürlich, kurz vor der Wahl, lässt man es hochploppen, in der Hoffnung, mich zu beschädigen. Ich habe über meinen Anwalt bereits beim Generalbundesanwalt nachgefragt, ob jetzt auch gegen mich ermittelt wird. Nein, ich bin nicht verdächtig irgendwelcher Agententätigkeit. Das ist zunächst mal etwas, was versucht wird, vom politischen Gegner, gegen mich zu spinnen. Und wir werden jetzt genau rauskriegen müssen, warum der Verfassungsschutz vier Jahre zuschaut, ohne mich zu warnen.
Roger Köppel Ja, eine Nachfrage hierzu. Was wissen wir überhaupt über diese sogenannte Spionage-Affäre? Ist das gesichert? Vielleicht erklären Sie auch noch, was Ihr Mitarbeiter für Sie ganz konkret gemacht hat. Ist er nun tatsächlich überführt als Spion der chinesischen Regierung? Die chinesische Regierung hat das, soweit ich die Medien gelesen habe, dementiert, wobei jede Regierung vermutlich weltweit sofort alle Spionagetätigkeiten dementieren würde. Was wissen wir eigentlich materiell über diesen Fall? Was wissen Sie materiell nun über diese Spionageaffäre? Ist es eine und und wenn ja, welcher Art genau?
Maximilian Krah Nein, wir wissen gar nichts. Wir wissen noch nicht mal, was konkret vorgeworfen wird. Also, ich habe die Presseerklärung des Generalbundesanwalts oder ich habe die Presseberichterstattung. Das Problem, was wir in Deutschland haben ist, dass der Verfassungsschutz behauptet, dass die Internationale Kommission der Kommunistischen Partei ein Geheimdienst sei. Das ist natürlich schwierig, weil jeder Politiker, der mit China diplomatische Kontakte hat, hat auch immer einen Vertreter dieser Kommission mit am Tisch. Das bedeutet, man hat so eine Art Kontaktschuld-Paragraphen. Was wir wissen, er hat keine Geheimnisse preisgegeben, sondern es geht tatsächlich darum, dass er Wissen, das eigentlich öffentlich ist, angeblich mit einem Geheimdienst ausgetauscht hat. Das ist strafbar. Wenn sie mit einem Geheimdienstler über ihr politisches Wissen reden, kann man sie belangen. Die Frage ist, wer war dieser Geheimdienstler? Und hat er tatsächlich eher als Agent oder als Gesprächspartner agiert? Also ich kann Ihnen jetzt schon sagen, es wird ein langer und interessanter Prozess am Oberlandesgericht in Dresden. Zurzeit wissen wir so wenig, dass ich Ihnen nicht genau sagen kann, was ist der konkrete Vorwurf und wie hart ist die Anklage? Nur politisch macht das ja keinen Unterschied. Die Wahl ist am 9. Juni und wir werden bis zum 9. Juni nicht wissen, was konkret vorgefallen ist.
Roger Köppel Würden Sie aus Ihrer Kenntnis der Sachlage, von allem, was Sie wissen, Sie kennen, würden Sie heute sagen, ja, das ist schon nicht sauber, was er gemacht hat? Der hat mich irgendwie da auch ausgetrickst, oder? Wie sehen Sie das? Also Ihr persönliches Empfinden gegenüber diesem Mitarbeiter aufgrund der Faktenkenntnis, die Sie jetzt zur Verfügung haben.
Maximilian Krah Wir haben es nachgeprüft, seinen Terminkalender angeschaut, wir haben uns angeschaut, welche Dokumente ihn interessiert haben. Ich kann auch im heutigen Moment nicht sagen, dass für mich das ein rauchender Colt ist. Ich bin tatsächlich sehr gespannt auf diesen Prozess. Ich glaube daran, dass solche Prozesse interessant sind, weil ja alles mündlich einmal erörtert wird. Ich nehme zur Kenntnis, was ich lese. Ich bin mir über die politischen Konsequenzen bewusst. Aber rechtlich gesehen bin ich sehr gespannt, was in diesem Prozess besprochen wird und zutage kommt. Ich kann den Fall bis heute nicht klar aufklären.
Roger Köppel Was sagt denn der Mitarbeiter oder ehemalige Mitarbeiter? Haben Sie mit ihm über das Ganze gesprochen? Hat er sich mal in irgendeiner Form geäußert dazu?
Maximilian Krah Der sitzt ja im Gefängnis und äußert sich naturgemäß nicht. Also ich habe da keinen Zugriff. Ich weiß noch nicht einmal wo in Deutschland er gerade einsitzt. Also das wird alles noch spannend, aber es wird halt spannend nach dem Wahltermin.
Roger Köppel Und Ihre Sicht ist, das haben Sie vorhin angedeutet, dass Sie sich da etwas verschaukelt vorkommen. So habe ich das jetzt verstanden. Sie sind Europaparlamentarier der AfD, Sie sind ehemaliges Mitglied der CDU. Sie sind auch Mitglied der deutschen Juristen- oder Anwaltskammer und eben ein Repräsentant, wenn man so will, der Bundesrepublik Deutschland, Ihres parlamentarischen Betriebs. Und Sie fühlen sich verschaukelt, dass der Verfassungsschutz Sie da sozusagen im Dunkeln gelassen hat, dass man schon früher mit diesem Mann chinesischer Herkunft … (für den natürlich auch die Unschuldsvermutung gilt), aber dass man sie da irgendwie reinlaufen lassen hat, das ist so der Eindruck, wenn ich Ihnen zuhöre.
Maximilian Krah Jetzt schauen Sie, der Verfassungsschutz hat ihn vier Jahre lang beobachtet und überwacht. Und der Vorwurf an mich jetzt lautet, ich sei zu blauäugig gewesen. Ich meine, da machen Leute, die das Telefon mithören, einen Case auf und sagen, der Krah sei zu blauäugig und passt nicht auf. Und die haben vier Jahre ein exklusives Wissen, was ich naturgemäß nicht habe. Es ist doch ganz klar, dass das eine Falle ist und ich dem Verfassungsschutz vorwerfe, dass er hier pflichtwidrig mich im Dunkeln gelassen hat. Im Übrigen, das sage ja nicht nur ich. Der ehemalige Präsident Maaßen hat das sowohl in seinem wöchentlichen Online-Interview wie auch gegenüber der Jungen Freiheit gesagt. In seiner Amtszeit wurden Abgeordnete dann durch Einzelgespräche sensibilisiert. Und das ist jetzt keine Gefälligkeitsaussage von Herrn Maaßen, denn jeder Mensch, der sich in Deutschland auskennt, weiß ja, dass Herr Maaßen und ich jetzt nicht für gegenseitige Gefälligkeiten bekannt sind. Das heißt also, das ist schon glaubwürdig, wenn er das sagt, und von daher sieht es eben so aus, als ob hier genau passend zur Wahl eine Bombe geplatzt ist, mit der Absicht abzulenken von den politischen Argumenten. Man kann sagen, die Ampel ruiniert Deutschland. Aber die Deutschen, die sollen erst mal Spione suchen. Und ich nehme die Absicht zur Kenntnis und bin verstimmt.
Roger Köppel Wie sind Sie eigentlich informiert worden? Haben Sie das aus der Zeitung erfahren? Hat man Sie vorgeladen? Hat man Sie angerufen? Hat man Ihnen einen Brief geschrieben.
Maximilian Krah Aus der Zeitung.
Roger Köppel Sie haben das aus der Zeitung…?
Maximilian Krah …morgens. Ich bin von Berlin nach Frankfurt geflogen, und als ich gelandet bin und mein Handy einschaltete, hatte ich die Zeitungsnachricht als Screenshot von meinem Mitarbeiter zugesandt bekommen.
Roger Köppel Nun lautet ja die Theorie, die man in den Medien lesen kann, typisch. Das ist genau das Beispiel, dass ein AfD Politiker mit einem Chinesen möglicherweise unsauber bzw. so ziemlich vorverurteilend, quasi einen Spion in den eigenen Reihen hatte. Und das ist eben typisch dafür, dass diese AfD mit den Chinesen und natürlich auch noch mit den Russen sozusagen ein Intim-Verhältnis pflegen. können Sie vielleicht zu diesem Vorwurf noch etwas sagen? Insbesondere die China-Connection und vielleicht auch die Frage, warum haben Sie überhaupt einen chinesischstämmigen Mitarbeiter hinzugezogen? Ist China ein Schwerpunktthema für Sie? Was ist da vielleicht der Hintergrund aus Ihrer Sicht?
Maximilian Krah Zunächst einmal, es ist ja amüsant, dass man uns einerseits vorwirft, wir würden einen streng ethnischen Volksbegriff vertreten. Das heißt also, wer nicht abstammungsmäßig Deutscher ist, den würden wir nicht akzeptieren. Auf der anderen Seite sagt man dann, ja, aber wenn du jetzt einen deutschen Staatsbürger einstellst mit chinesischen Wurzeln, dann geht das auch nicht. Also man muss sich mal entscheiden, was man mir vorwirft. Wirft man mir jetzt vor, ich vertrete ein völkisches Nationalitätsverständnis oder wirft man mir vor, ich sei zu lax und blauäugig? Das passt ja irgendwie nicht zusammen. Ich kannte den Mann aus Dresden, und ich habe ihn tatsächlich eingestellt wegen seiner unbestreitbaren Kompetenzen. Also, der ist mehrsprachig, inklusive Chinesisch, wie Sie sich denken können. Ich habe ein Ökonomieabschluss. Ich kann Ihnen ganz viel über Wirtschaftstheorie erzählen und über Handelspolitik in der Theorie. Aber zu wissen, wie lange dauert eine Containerfuhre? Was für Speditionen gibt es? Was sind die Kosten? Wo sind die Zollbehörden lax und wo kontrollieren sie? Beispiel: Er hat mir zum Beispiel erzählt, warum der Flughafen Leipzig/ Sachsen so wenig Export/ Import zieht. Weil der Zoll gründlicher kontrolliert, als am Flughafen in Lüttich. Das heißt also, selbst sächsische Unternehmen lassen über Lüttich einfliegen, weil der Zoll schneller geht. Das sind Informationen, die lernen Sie nicht auf der Universität, und die lernen sie auch nicht in Brüssel. Da brauchen sie Praktika. Das heißt, ich hatte einen theoretisch fundierten, praktisch tätigen Außenhandelsexperten bei mir als Fachreferenten, der obendrein noch fleißig und verschwiegen war. Also ganz einfach, da geht es bei mir nach Qualifikation. Die hat er gebracht.
Roger Köppel Wenn ich da noch einlenken kann. Die China-Connection, standen ihrerseits Überlegungen dahinter?
Maximilian Krah Wer ist der größte Handelspartner sowohl der Bundesrepublik Deutschland, als auch der Europäischen Union? Das sollten wir nicht vergessen. Wer ist der größte Handelspartner von Volumen her? China. Also wenn Sie den China-Handel zerstören, und das will ja die Ampel gerade, dann geraten eine ganze Reihe von großen Dax-Unternehmen in massive Schieflage. Also gerade die Autoindustrie ist ohne ihr Chinageschäft insolvenzreif. Das muss man einfach feststellen. Und wenn Sie es jetzt langfristig politisch sehen, wenn wir davon ausgehen, dass die Zeit der westlichen Vorherrschaft vorbei ist und dass der globale Süden politisch mitspielen wird, dann kann ich jedem nur empfehlen, sich mit China zu beschäftigen. Die Zukunft der Welt wird nicht mehr westlich sein. Das sage ich übrigens nicht, weil ich darüber jubele. Das ist eine Feststellung. Und wenn wir uns auf diese Zukunft einstellen wollen, dann sollten wir uns mit Ländern wie China, aber auch wie Indien, wie Südafrika, mit Brasilien beschäftigen und sollten aufhören zu glauben, weil die letzten zwei oder drei Jahrhunderte rein vom Westen geprägt sind, werden auch die nächsten Jahrzehnte rein vom Westen geprägt sein. Das werden sie nicht. Und das jetzt schon zu antizipieren, und sich damit zu beschäftigen und Wissen zu verschaffen, ist etwas, was ich jedem jungen Mann und auch jedem Politiker empfehlen würde.
Roger Köppel Viele Journalisten in Deutschland leiten daraus ja ab, dass es da eine unheilige Sehnsucht der AfD und von AfD-Politikern wie Ihnen, gegenüber sogenannten autoritären, autokratischen oder gar despotischen Regimen gäbe. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf, die Chinaversteher, die Russlandversteher, die Appeasementpolitiker sozusagen, die Liebediener der Diktatoren und Despoten. Das ist so ein Bild, das in den Medien ja kolportiert wird, nicht zuletzt auch gegenüber Ihnen.
Maximilian Krah Na, schauen Sie: Die Vorstellung, dass die ganze Welt nach dem heutigen westlich-liberalen Muster laufen soll, die kann man ja haben, aber sie ist unrealistisch. Der globale Süden und die nicht westliche Welt hat keine Lust auf 53 Geschlechter und auch letztlich diesen Niedergang, den wir ja in der westlichen Welt sehen, schauen sich Demografie an usw. Das heißt, alles was ich sage ist, lass die Chinesen Chinesen sein, lass sie ihr Land nach ihren Vorstellungen selbst regieren. Ich bin nicht dazu da, anderer Leute Länder zu regieren, und das ist etwas, was in der europäischen Politik völlig fremd ist. Also alle meine Kollegen von den linkeren Gruppen erzählen ihren ausländischen Gästen permanent, wie die ihre Länder regieren sollen. Die kriegen ja ihre eigenen Länder nicht regiert. Also ich finde nicht, dass Deutschland gut regiert ist, aber ein Grüner wird trotzdem einem – nehmen wir mal die Chinesen raus -, einen Vertreter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, was nun ein wirkliches Zukunftsland ist, konsequent erzählen, wie dieser Vertreter sein Land zu regieren hat. Also, sie kommen aus irgendeinem…aus dem Ruhrpott, Niedergang allerorten, aber sie erzählen selbstverständlich einem Dubai-Politiker, wie man Dubai regieren muss, das ist der Standard. Also man fühlt sich moralisch so überlegen, dass man glaubt, die Welt belehren zu müssen. Und ich sage, diese moralische Überlegenheit teile ich nicht. Ich glaube, dass die Welt durchaus selbst weiß, wie sie sich regieren soll. Na ja, und weil ich damit das Letzte, was dem Westen verblieben ist, die eigene moralische Überlegenheit in Frage stelle, bin ich natürlich ein Finsterling. Also ich bin der Böse, aber das ist meines Erachtens die einzige vernünftige Situation. Unterhalten Sie sich mal mit einem nichtwestlichen Diplomaten.
Roger Köppel Wie gehen Sie jetzt mit dieser China-Affäre mit dieser Spionage-Affäre um, die man einsetzt, natürlich auch von Seiten der politischen Gegner. Das ist naturgemäß immer so in der Politik – wird alles gegen einen eingesetzt, was nur eingesetzt werden kann. Da ist kein Weltschmerz angesagt. Aber wie gehen Sie jetzt persönlich damit um im Europawahlkampf? Das ist ja für Sie die wichtige Priorität, jetzt der 9. Juni. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen, wie Sie nun mit diesem Gegenwind fertig werden. Wie Sie das versuchen. Was machen Sie da ganz konkret?
Maximilian Krah Zunächst mal hatten wir mit meinen beiden Parteisprechern ausgemacht, dass wir mal 14 Tage, wenn Sie so wollen, einen Restart der Kampagne machen. Also mal schauen, wie es sich entwickelt, was da noch kommt. Und das Interessante ist, was ist noch gekommen? Die Information, dass der Verfassungsschutz den Fall auf dem Schirm hatte und nichts getan hat. Das heißt, das, was noch gekommen ist, war eigentlich für uns positiv und nicht negativ, weil es die gesamte Geschichte in ein völlig anderes Licht getaucht hat. Und insofern ist der richtige Umgang jetzt offensiv zu sein. Wir müssen ganz klar sagen, schaut her, offenbar sind wir so erfolgreich und sind wir so gefährlich, dass man mit solchen Geheimdienstmethoden gegen uns kämpft. Es ist das eine, wir müssen eine Vorwärtsverteidigung machen. Und das zweite ist: Na ja, es gibt ja in jedem Negativen auch was Positives. Und zumindest hat mich die Geschichte ja sehr bekannt gemacht. Das heißt also, die Reichweite meiner Videos, die Reichweite auch meiner Veranstaltungen hat sich noch mal erhöht. Und jetzt müssen wir schauen, was wir mit dieser erhöhten Reichweite und der Offensiv-Verteidigung auch die 2 % wieder einfangen, die uns im Zusammenhang mit dieser Affäre, zumindest wenn man den Umfragen glauben kann, verlorengegangen sind. Also der Kampf wird härter. Aber wissen Sie, ich vergleiche das als AfD-Politiker immer mit einer Rolltreppe. Da gibt es eine, die geht nach oben und es gibt eine Rolltreppe, die geht nach unten. Und als AfD- Politiker stehen sie immer vor der Rolltreppe, die nach unten eingestellt ist. Das heißt, sie müssen einfach so schnell rennen, dass sie trotzdem eher oben ankommen, als eine Ricarda Lang, die sich da gemächlich nach oben fahren lässt. Und von daher ist die Botschaft: Ich renn‘ jetzt halt noch ein bisschen schneller die Rolltreppe hoch, die nach unten eingestellt ist.
Roger Köppel Es gibt ein interessantes Zitat des berühmten britischen Schauspielers Michael Caine. Den hat mal ein Interviewer gefragt, was eigentlich das Wichtigste ist, was er in seiner langen glorreichen schauspielerischen Laufbahn gelernt habe. Und er bringt dann eine Anekdote, wie er mal aus Versehen auf eine Theaterbühne getreten sei. An der Tür, bei der er hätte durchgehen müssen, sei ihm ein Stuhl vorne rangestellt worden, und dann habe er diese Tür aufgeschoben und gesagt, „Tschuldigung, könntet ihr bitte diesen Stuhl wegnehmen?“ Worauf der Regisseur gesagt habe, „völlig falsch reagiert, Michael. Use The Difficulty, nütze die Schwierigkeit. Also, Du hättest das sofort einbauen müssen in deinen Auftritt, diesen Stuhl und dann nicht sozusagen aus der Rolle herausfallen.“ Nun ist ja das Risiko, um dieses Bild aufzunehmen, die Schwierigkeit. Das Risiko ist in einem Wahlkampf groß. Wenn Sie jetzt auf China fokussieren und auf den Verfassungsschutz, dass das Ganze eine egozentrische Note bekommt, dass man sagt, aha, der Krah, der muss jetzt zum Selbstverteidiger werden, der redet quasi nur noch über seinen Fall. Das ist ja in der Regel bei dem Wähler nicht unbedingt ein populäres Thema. Deshalb meine Frage. Was sind denn Ihre Hauptthemen im Europawahlkampf? Oder versuchen wir es ganz zuzuspitzen, damit das nicht zu ausführlich wird, zum Parteiprogramm? Was ist Ihre wichtigste Botschaft für Ihre Partei im Europawahlkampf für den 9. Juni?
Maximilian Krah Na, die Botschaft ist ja klar – Wir sind die EU-Skeptiker. Also, ich sage es noch mal: messt doch mal die EU an deren eigenen Versprechungen. Da gab es ja die berühmten Lissabon-Ziele. Die EU wird von allen großen Wirtschaftsräumen der Welt der Innovativste und Wirtschaftsstärkste. Davon redet heute natürlich keiner mehr, denn wir sind der am wenigsten Innovativste – und am wenigsten wirtschaftlich Stärkste. Alles was die EU anfasst, geht schief. Manchmal ja auch zum Guten. Die EU hat ja auch Millionen Artilleriegranaten für die Ukraine versprochen und wir können sagen, Gott sei Dank geht bei der EU alles schief. Sie schafft ja noch nicht mal ihre Artilleriegranaten-Versprechen einzulösen. Aber wenn sie sich die Impfstoffbeschaffung anschauen, die hat in einem Korruptionsskandal geendet. Wir haben jetzt einen Green Deal, der endet in der Deindustrialisierung Deutschlands. Sie können nicht den Green Deal von Frau von der Leyen umsetzen und glauben, der Industriestandort wäre zu retten. Das heißt, wir sagen ganz klar, die EU, wie wir sie heute haben, bedeutet für euch Krieg. Sie bedeutet Verarmung und sie bedeutet Masseneinwanderung. Denn ja, auch die Einwanderung ist EU, und damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Und dann gehen wir eben die Themen durch, die die Menschen zur Zeit…
Roger Köppel …darf ich ganz kurz bei der EU noch einmal einhaken. Das scheint mir auch ein Schlüsselthema zu sein. Was ist denn da Ihre Lösung? Das ist ja für Deutschland eine etwas knifflige Frage, vielleicht kniffliger als für die Schweiz. Die Schweiz war nie EU-Mitglied. Sie ist vielleicht so eine Art Passivmitglied…
Maximilian Krah …Passivmitglied…
Roger Köppel …Deutschland ist natürlich sozusagen ein Pfeiler dieser Europäischen Union. Und wenn ich etwas reinhöre, in Deutschland gibt es auch viele Unsicherheiten mit Blick auf ihre Parteien und man sagt dann immer, ja, das sind die Zauberlehrlinge. Sie sind großartig am Zerlegen, Sie kritisieren, wir teilen die Kritik. Aber wohin dann die Reise mit der AfD gehen würde in Sachen EU, ist völlig unklar. Deshalb die Frage, Herr Krah, sind Sie der Meinung, Deutschland müsste raus oder Deutschland müsste die EU von innen her zu reformieren versuchen?
Maximilian Krah Sie muss sie von innen her umbauen. Das ist der große Fehler von vor fünf Jahren gewesen. Die Kritik ist mehrheitsfähig, die wir haben. Aber man sagt immer, wenn wir eine reine Re-Nationalisierung machen, sind die Schäden noch größer, als die, die Frau von der Leyen jetzt anrichtet. Und deshalb haben wir ja gesagt, die heutige EU in der Form, das ist ein Desaster, aber wir haben das Schlagwort vom Bund der souveränen europäischen Staaten gebracht. Das heißt, es muss klar sein, es gibt Dinge, die gehen nur gemeinsam. Nehmen Sie das Beispiel Handelspolitik. Wenn jedes Land seine eigenen Handelsverträge schließt, dann würden, sagen wir mal, USA oder China als die großen Konkurrenzräume, würden sich ein kleines Land aussuchen, vielleicht Litauen, und würden denen einen unglaublich günstigen Handelsvertrag geben. Und dann eine Zollunion mit so einem Land zu haben hieße, sie hebeln die gesamte Handelspolitik der gesamten Union aus. Das heißt, wenn wir die Zollunion behalten wollen – wollen wir, wenn sie den Binnenmarkt behalten wollen – wollen wir auch, dann brauchen sie eine gemeinsame Handelspolitik. Das nächste ist die Freizügigkeit. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Koch und Sie lernen in Deutschland. Dann arbeiten Sie in Italien, dann arbeiten Sie auf dem Kreuzfahrtschiff unter maltesischer Flagge und am Ende landen Sie in Paris. Ihre Rentenanwartschaften – wir haben staatliche Rentensysteme, die müssen ja verrechnet werden. Das können Sie nur machen, wenn sie da zentrale Institutionen haben. Ansonsten haben Sie ja 27-Einzelverträge, die Sie dann ständig anpassen können. Also wir brauchen sicherlich Koordinationsinstitutionen, aber mittlerweile hat sich das hier in Brüssel völlig verselbständigt. Und die glauben, Sie sind die Regierung eines Superstaates, und sie wollen ja auch verfassungsrechtlich den Superstaat schaffen. Und dann haben sie am Ende eben ein Green Deal, an dessen Ende der Industriestandort Deutschland vorbei ist. Oder sie haben eine Schuldenunion. Dann haften wir für den Club Med und das alles muss verhindert werden, aber eben ohne, dass wir am Ende eine noch größere Katastrophe haben, als was sie jetzt schon haben.
Roger Köppel Es gibt ja, vor allem auch früher auf der britischen Seite, wurde das immer etwas ventiliert und auch vorgeschlagen, die Vision einer Europäischen Union als Freihandelszone mit selbständigen Vaterländer oder wie das der Franzose Charles de Gaulle einmal gesagt hatte, ein Europa der Vaterländer. Das ist ein einprägsamer Spruch. Zwei Fragen: Wäre das auch Ihre Vision? Und kann man das überhaupt realisieren mit dieser EU, die ja doch schon jetzt relativ stark oder auch zentralistisch verdichtet ist?
Maximilian Krah Also, „Europa der Vaterländer“ benutzen wir. Aber es ist klar, es ist komplexer. Also der Freihandel, den wollen wir gern. Sie wissen, Angela Merkel sprach mal von einem Freihandel von Lissabon bis Wladiwostok. Da ist mittlerweile die AfD die einzige Merkel-Partei. Also wenn Daniel Günther von der CDU sagt, man wünschte mehr Merkel, das ist für 80 % der Politik sicher falsch, aber es gibt 20 % mehr Merkel, da bin ich bei ihm. Aber dann ist Daniel Günther nicht mehr bei sich selbst. Also, dass wir mehr Freihandel haben, dass wir auch die Türkei einbinden, die ja schon mit uns in der Zollunion ist, da bin ich sofort dabei. Aber es gibt natürlich innerhalb Europas so viel Verflechtung, dass wir mehr brauchen. Schauen Sie, wenn ich in Straßburg bin, fährt die Straßenbahn nach Kehl. Das will ich natürlich nicht beenden. Oder nehmen Sie das Erasmusprogramm der Studenten. Wir haben sicherlich schon eine Verflechtung erreicht, auch im Positiven, die mehr ist als reiner Freihandel. Und es muss ganz klar sein, die AfD wird jetzt nicht irgendwelche Straßenbahnlinien unterbinden, die grenzüberschreitend fahren. Das heißt, die Basis ist Freihandel, die Basis ist Zollunion, aber es kommt zumindest auf dem Kontinent noch einiges dazu. Also Koordination, Vollstreckung von Zivilurteilen. Da wollen Sie nicht immer eine Apostille holen und alles übersetzen. (Anmerkung der Redaktion: Apostille=Beglaubigung) Der europäische Haftbefehl. Es sind alles Dinge, ohne die es nicht gehen wird, und das wissen wir auch. Aber es geht eben sehr wohl ohne Green Deal, es geht ohne Schuldenunion, es geht ohne diesen Wahnsinn an Bürokratie, der jedem Mittelständler mittlerweile das Geschäft verhagelt. Es geht ohne diesen Ausschreibungsirrsinn europaweit, dass keine kleine Gemeinde mehr ihr Vereinshaus ohne europaweite Ausschreibung bauen kann …und und und. Und da ist extrem viel zu tun. Und da sind wir die Einzigen, die das adressieren.
Roger Köppel Was ist, ganz allgemein gesprochen und auch in der gebotenen Kürze, ich meine, das ist ein abendfüllendes Thema, aber wenn Sie versuchen, das auf einen Nenner herunterzubrechen, was ist Ihre persönliche Vision für die Rolle Deutschlands in dieser sich vervielfältigenden Welt, in der ja immer mehr Länder, die auch einmal zur Dritten Welt usw. gehörten – die kommen jetzt nach oben -, die haben ihre Ansprüche… Was ist Ihre Vision für Deutschland in dieser Welt von morgen, wenn man das ganz einprägsam in einer Wahlkampfveranstaltung auf den Punkt bringen müsste.
Maximilian Krah Schauen Sie, Europa muss europäisch und Deutschland muss deutsch bleiben. Es muss uns Heimat bleiben. Das Problem, was wir haben, ist doch, dass uns vor unseren Augen unsere Heimat dahinschwimmt und eine völlig gesichts- und identitätslose Wüste entsteht, wo man überhaupt nicht mehr weiß, wo sind wir und was macht uns aus? Und wir? Ich sage es immer, der unverhandelbare Kern ist, ich will leben. Und ich will ja nicht irgendwie dahinexistieren. Ich will leben als das, was ich bin. Als Kind meiner Eltern, als Mann, selbst das ist ja nicht mehr klar, und eben als Teil einer Familie und als Deutscher. Verwurzelt in dem, was ich ererbt habe, wo ich jetzt ein bisschen was draufsetzen kann und was ich dann hoffentlich an die nächste Generation weitergeben kann. Und dieses Leben in Übereinstimmung mit dem, was wir sind, das ist in Gefahr. Es schwimmt uns alles dahin. In vielerlei Hinsicht. Die Grundlagen der Gesellschaft erodieren, gucken Sie sich die Geburtenrate an, uns wird eingeredet, dass unsere Kultur letztlich nichts wert ist, außer vielleicht ein bisschen Sprache. Und selbst da sollen wir jetzt alle Englisch als Umgangssprache dazu lernen. Unsere Innenstädte sehen mittlerweile beschämend aus, sowohl architektonisch, wie auch vom Straßenbild. Was macht uns noch aus? Und dass jede Eigentümlichkeit, jede Individualität, jede Einzigartigkeit in Frage gestellt wird – im Namen einer One-World-Wahnsinns-Dystopie. Das ist die Bedrohung, und wir kämpfen für den Erhalt des Eigenen. Ich glaube, alles kann man unter diesem Punkt subsumieren.
Roger Köppel Eine ganz andere wichtige Frage in diesem Zusammenhang. Ziemlich genau das Gleiche ist die außenpolitische Rolle Deutschlands als europäischem oder EU-Führungsstaat, einer wichtigen Macht, einer wichtigen Volkswirtschaft in der Europäischen Union. Da gibt es ja die in Brüssel, die sagen auch in den Redaktionsstuben, viele Politiker, auch die CDU, gehen in die Richtung, wir brauchen auch ein militärisch starkes EU-Europa, um zwischen diesen Supermächten bestehen zu können, um diesen Supermächten etwas entgegenzuhalten. Insbesondere auch die Vision, dass dieses Europa auch als militärisch erstarkte Verteidigerin westlicher Werte, ich überspitze jetzt, gegen die Despotien des Ostens stehen soll. Was halten Sie von dieser Vision eines militärisch aufgemuskelten EU-Europa?
Maximilian Krah Na ja, sehen Sie, wenn wir bei China wieder anfangen, Mao hat einmal gesagt, die Macht kommt aus den Gewehrläufen. Das heißt, natürlich muss Europa imstande sein, auch eine eigene Sicherheitsarchitektur vorzuweisen. Das Problem ist, es geht halt mit den jetzigen europäischen Politikern nicht. Also als Trump regierte, war das Schlagwort in Brüssel strategische Autonomie. Wir machen was alleine. Dann kam Joe Biden und sagte, Amerika’s back to lead the world und alle waren glücklich. Wir haben hier eine politische Elite, die weiß, dass sie nicht imstande ist, wirklich zu führen. Sie können keine Politik. Diese Leute wollen dabei sein, sie wollen mitschwimmen, aber sie wollen verwalten. Sie wollen Policy statt Politics. Und wenn die von europäischer Sicherheitsarchitektur sprechen, dann meinen sie Erhöhung der Wehretats, aber alles im Rahmen der NATO und unter US-amerikanischer Führung. Das Problem, was diese Leute nicht verstehen ist, die Vereinigten Staaten vor 1945 waren ein europäisches Land. Alle wichtigen Posten waren in den Händen von Nachfahren von Europäern. Das Amerika von 2045 ist mehrheitlich nicht mehr bevölkert von Nachfahren von Europäern. Das heißt demografisch und damit immer auch kulturell. Und dann natürlich auch politisch, entwickelt sich Amerika von Europa weg. Das ist ein Fakt. Ich hab da ja studiert. Ich sehe das immer, wenn ich mit Freunden da rede oder noch mal hinfliege. Europa muss allein was machen.
Roger Köppel Wenn ich noch einmal nachsetzen kann. Sind Sie der Meinung, dass Europa sich zu einer Art Neo-Großmacht auch militärpolitisch entwickeln sollte? Es gibt ja auch eine ganz andere Vision, die dagegen gehalten wird, nämlich als eine Art Europa als Friedensmacht. Der einstige Kontinent der Weltkriege, der Friedhof der Supermächte, sollten sich heute eher als Brücke der Verständigung zwischen Ost und West betätigen. Oder aber eben die Gegenvision. Nein, die EU muss als klare, auch offensive Verfechterin – sogenannt westlicher Werte – militärisch verstärkt auftrumpfen können. Wo sind Sie da einzuordnen?
Maximilian Krah Ich bin für die Friedensmacht. Aber es gilt der Satz, der Friede muss bewaffnet sein. Also, wir dürfen auf keinen Fall eine neoimperiale Politik machen und der Meinung sein, wir müssten jetzt europäische Schiffe in die Straße von Taiwan schicken. Das ist ja Wahnsinn. Aber, damit wir überhaupt eigenständig agieren können, brauchen wir so viel Militär, dass wir uns beschützen können. Wir können uns zurzeit nicht selbst beschützen. Das heißt also, wir brauchen schon eine europäische Sicherheitsarchitektur, die es uns erlaubt, uns selbst zu beschützen. Aber was wir um Gottes Willen nicht brauchen, ist, dass jetzt in der ganzen Welt europäische Kriegsschiffe Kanonenboot-Politik machen. Das ist auch nicht nötig, sondern da ist Diplomatie gefragt, Ausgleich, Handel. Aber dieser Handel muss im Hintergrund immer natürlich die Botschaft mit sich bringen, wir können uns selbst beschützen. Also wenn ihr uns jetzt zu sehr betrügt oder wenn ihr link spielt oder wenn ihr glaubt, ihr könnt uns ausspionieren – wir sind wehrfähig. Aber bitte nicht, wir sind permanent die Schulhofschläger, die jedem klar machen wollen, was unsere Werte sind. Europäische Werte sind in Europa und außerhalb Europas sind wir Diplomaten. Aber wir können Europa selbst verteidigen und das können wir zurzeit nicht. Da haben wir Nachholbedarf.
Roger Köppel Sie sind seit einigen Jahren Mitglied des Europaparlaments. Da gibt es ja auch den etwas populären Vorwurf, dass das Europaparlament gar kein richtiges Parlament ist, sozusagen ein Abstellbahnhof für Politiker, die auf der nationalen Stufe es eigentlich zu nichts gebracht haben. Und die Frage ist, warum kandidiert man eigentlich für einen Europawahlkampf? Was bringt das überhaupt? Ist das ein Missverständnis? Und wie sehen Sie da dieses Europaparlament? Vielleicht auch in der Öffentlichkeit?
Maximilian Krah Das Missverständnis beginnt damit, dass man glaubt, wir haben nichts zu entscheiden. Wir entscheiden über die Zukunft des Industriestandorts, wir entscheiden über die Einwanderung, wir entscheiden über die Waffenlieferungen in die Ukraine. Das heißt, alle wichtigen Fragen sind mittlerweile nach Brüssel abgegeben worden, gegen unseren Willen. Das heißt, ich sehe sehr, sehr viele Dinge etwas eher als meine wichtigen Kollegen im Bundestag. Das ist das eine. Das heißt niemals, auch wenn uns das nicht gefällt, aber die Macht ist in Brüssel. Und von daher ist es durchaus nachvollziehbar, warum ich da bin, auch wenn ich weiß, dass der Blickpunkt und der populistische Blick auf Berlin gerichtet ist. Das ist das eine. Das zweite ist, warum jetzt ein Europawahlkampf? Ich meine, da kann ich jetzt zynisch sagen, er bringt Bekanntheit.
Roger Köppel Ihr Ziel wäre dann sozusagen irgendwann doch die nationale Bühne Bundestag?
Maximilian Krah Nein. Mein Ziel ist es, hier so viel zu erreichen wie geht. Wie gesagt, wenn wir richtig Politik machen wollen, nicht nur, dass wir wahrgenommen werden, sondern dass wir uns einmischen und etwas verändern, dann ist das hier zurzeit sicher der Ort, wo man am meisten mitspielen kann. Das ist leider der Fall, auch wenn es eben noch ein bisschen unbekannt ist. Aber unterschätzen Sie wirklich nicht das Ausmaß an politischer Macht, das man nach Brüssel abgegeben hat, um es der nationalen Demokratie zu entziehen. Das ist ja der Trick. Wir nehmen es den Staaten weg, dann ist die demokratische Kontrolle perdu, und in Brüssel machen wir unser Ding. Insofern: Hier wird hinter verschlossenen Türen intransparent entschieden. Kaum ein politisch interessierter Deutscher kennt die Namen der Kommissare. Aber diese Kommissare haben viel mehr Macht als ein Bundesminister. Also hier zu sein, mag vielleicht wenig Ruhm bringen, aber es ist der Ort, wo man arbeiten kann. Und von daher, glauben Sie mir, ich habe hier viel zu tun und noch viel mehr vor.
Roger Köppel Man darf in diesem Zusammenhang vielleicht auch zitieren, dass der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog schon 2006 in einem Aufsatz formuliert hat, dass – damals – 84 % aller Gesetze, die in Deutschland jedes Jahr erlassen werden, mehr oder weniger direkt aus Brüssel eingeflogen werden. Unter mehr oder weniger nicht Umgehung des deutschen Parlaments, aber das illustriert ihren Punkt, dass eben sehr viele für Deutschland relevante Gesetze im Grunde in Brüssel gemacht werden. Nun lassen Sie uns noch auf eine andere Ebene einsteigen. Sie sehen da eine Projektionsfläche als Politiker. Jetzt noch verschärft mit dieser Spionageaffäre sind sehr, sehr viele Artikel über Sie erschienen. Mir ist aufgefallen, dass eigentlich sehr wenige diese Verfasser mit Ihnen gesprochen haben. Deshalb interessiert es vielleicht auch die Zuschauer unserer Sendung, wer Sie sind und wie man diesen Maximilian Krah, diesen ominösen Europa-Wahlkämpfer der AfD, wie man den einschätzen muss. Vielleicht dazu ein paar Fragen: Sie stammen ja aus Sachsen, aus der Nähe von Dresden, nehme ich an? Und können Sie vielleicht dazu etwas sagen, wie hat sie eigentlich dieses Sachsen geprägt? Was ist da der ausschlaggebende Punkt für Sie?
Maximilian Krah Also zunächst mal wir waren ja regimekritisch als Katholiken. Und ich glaube, der große Punkt ist die Erfahrung, dass sich politische Systeme grundlegend ändern können. Wenn Sie die Wende bewusst mitgemacht haben, ich war Teenager, dann glauben Sie nicht daran, dass alles, was Sie politisch sehen, in Stein gemeißelt ist. Also Sie wissen, dass Dinge in Bewegung kommen können, und zwar sehr schnell. Und von daher habe ich mir immer so eine gewisse Skepsis bewahrt, gegen vermeintlich in Stein gemeißelte Wahrheiten. Das ist, denke ich, die große politische Erkenntnis. Und das zweite ist, sie haben mit einer nicht westdeutschen Sozialisation – und das betrifft auch Russlanddeutsche, das betrifft Einwanderer erster und zweiter Generation – haben Sie so gewisse Glaubenssätze der alten Bundesrepublik nicht verinnerlicht. Also die alte Bundesrepublik hat ja geschafft, unter Verzicht auf sehr, sehr viel Tradition und auch vielleicht auch unter Verzicht auf den politischen eigenen Weg, sehr großen Wohlstand zu erreichen. Die Bundesrepublik der 80er Jahre war ja ein Wohlstandsparadies. Und man hat gesagt, okay, in dem Moment, wo wir den Weg nach Westen politisch gegangen sind, uns auch eingebunden, auf Eigenständigkeit verzichtet haben, war die Belohnung Frieden und Wohlstand. Und was wir jetzt erreichen, ist das Gegenteil. Der Wohlstand leidet. Und die Frage ist, müssten wir nicht jetzt mal unsere Politik neu justieren? Und zu dieser Entscheidung ist man eher bereit, wenn man aus dem Osten kommt, glaube ich, als wenn man aus dem Westen kommt. Da trauert man doch sehr dem Alten nach.
Roger Köppel Sie sind in die Politik eingestiegen, glaube ich schon relativ jung. Warum eigentlich?
Maximilian Krah Wir waren politisiert durch die Wiedervereinigung, also das war ja klar. Wir haben uns als Katholiken als die Sieger der Wende gefühlt. Sehen Sie, in Sachsen waren damals nur 5 % Katholiken, aber es war der Ministerpräsident Katholik, es war das halbe Kabinett katholisch. Der Oberbürgermeister von Dresden war katholisch. Allein in meiner Pfarrgemeinde hatte ich eine Bundestagsabgeordnete, der Landtagspräsident und der Oberbürgermeister kamen aus der Nachbarpfarrei. Wir waren sicherlich in den frühen Neunzigern die erfolgreichste religiöse Minderheit, die es in Europa gab. Und in dem Überschwang haben wir jetzt eigentlich das Deutschland, das wir wollten. Wir sind da, wo wir uns immer gesehen haben – da bin ich (in die Politik) hineingegangen. Das bekam das erste Mal, und das sollte man vielleicht noch mal aufarbeiten, ein Fragezeichen: Es wurde damals von Helmut Kohl Steffen Heitmann vorgeschlagen als Bundespräsidentschaftskandidat 1993. Und der Heitmann ist zum einen ein Freund unserer Familie. Man kannte sich und er vertrat ungefähr exakt das, was wir politisch vertreten haben. Er ist dann von den Liberalen in der CDU angegriffen worden. Die Präsidentschaftskandidatur musste er zurückziehen. Und dann wurde der von Ihnen erwähnte Roman Herzog Bundespräsident. Ich glaube, dass diese Kandidatur von Heitmann das Wetterleuchten der AfD ist. Sie können alles, was dann 20 Jahre später gekommen ist, dass auch gerade in Sachsen die AfD so stark ist, das haben sie alles im Kleinen vorweggenommen, damals in dem Streit um Herrn Heitmann mit denselben Argumenten. Mir ist das nur aufgefallen, weil Heitmann vor ungefähr einem Monat verstorben ist. Das heißt, zu Anfang dachten wir, dieses Westdeutschland ist genau das reaktionäre Deutschland, das wir wollten. Eh wir dann mitbekommen haben, dass es da eine 68er-Bewegung gegeben hat, dass es da eine Reeducation gegeben hat, dass da ziemlich viel auch mittlerweile anders ist, als wir uns das mit unserem klassischen deutschen Bildungskanon vorgestellt haben. Das hat eine ganze Weile gedauert.
Roger Köppel Also, ich verstehe ich Sie richtig. Ihr klassisches Referenzmodell politisch wäre demnach eigentlich die vor-68iger Bundesrepublik, sozusagen die marktwirtschaftliche Bundesrepublik, der Adenauer, der Erhard…
Maximilian Krah In manchen Dingen ja. Aber glauben Sie, Adenauer ist für einen Sachsen dann doch zu sehr rheinbündig… Also die Vorstellung war immer der deutsche Nationalstaat, der demokratische deutsche Nationalstaat, das war das Referenzmodell. Das wäre also, wenn Sie so wollen, ein geglücktes Weimar. Die Bundesrepublik Adenauers war natürlich sehr rheinbündlerisch. Sehen Sie, wie Adenauer auf die Stalinnote ’52 reagiert hat. Also das ist jetzt keine Begeisterung für die Wiedervereinigung gewesen. Adenauer hat, als der Mauerbau war, verzögert reagiert auf den Hinweis, er solle doch mal nach Osten fahren, dann fiel die Bemerkung, „er war noch nie in Asien und habe nicht vor, da je hinzufahren“. Also, die Sachsen sind ja in der Völkerschlacht 1813 noch auf der Seite Napoleons in den Krieg gezogen, aber dann auf der preußischen Seite aus der Schlacht rausgekommen. Ich gehöre eher zu den Sachsen, die am Ende auf der preußisch-russischen Seite rausgehen, als auf die Seite, die mit Napoleon in die Schlacht ziehen. Also der Referenzpunkt war, wir wollten den demokratischen deutschen Nationalstaat, wir wollten nicht die postnationale Demokratie inmitten demokratischer Nationalstaaten, was ja so ein bisschen die Selbstbeschreibung der alten Bundesrepublik war. Demokratischer Nationalstaat statt postnationale Demokratie. Das war die Idee. Und wir wussten nicht, dass die alte Bundesrepublik sich davon so weit entfernt hat.
Roger Köppel Und Sie sind ja ursprünglich in der CDU gewesen und dann in die AfD eingestiegen. Jetzt könnte man natürlich kritisch anmerken, atypisch, der machtbewusste Katholik – sozusagen herrschaftsgewohnt. Auch der sächsische König war Katholik. Wenn ich richtig informiert bin, die streben nach oben, dem Krah ist’s ein bisschen zu wenig dynamisch gewesen. Bzw., er sah den Aufstieg in der CDU nicht, also glaubte er mit der neuen Kraft nach oben zu kommen. Ein typischer Aufsteiger, ein Machtpolitiker. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf? Was ist Ihr Motiv gewesen, in die AfD zu gehen und nicht bei der CDU zu bleiben?
Maximilian Krah: Man sollte ja nicht in einer Partei bleiben, die man nicht mal mehr wählt. Also, ich habe am Ende die Partei der Mitte, ich war nicht gewählt. Und jetzt überlegen Sie, gucken sich mal die heutige CDU an. Da hatten wir Armin Laschet als Kanzlerkandidat. Dann haben wir Hendrik Wüst als wichtigen Ministerpräsidenten… Und jetzt schauen Sie sich meine Inhalte an, schauen Sie sich die Inhalte und auch die Auftritte dieser Leute an und dann überlegen sie sich, passt das zusammen? Also es passt natürlich nicht zusammen, es ist eine andere Welt. Wir haben uns auseinander entwickelt. Wahrscheinlich waren wir auch nie zusammen. Die sächsische CDU der 90iger und 2000er hat mit der heutigen CDU in Nordrhein-Westfalen usw. auch nichts zu tun. Und von daher glaube ich ganz einfach, ich habe meinen richtigen Platz gefunden. Es gibt da immer eine Geschichte, die ich gerne erzähle. Ich hatte eine Diskussion mit einem linken Professor in Dresden um die Jahrtausendwende. Und er sagt zu mir, „Herr Krah, ich würde nie CDU wählen, aber wissen Sie, wofür ich die CDU mag? Dass sie Leute wie Sie neutralisiert.“ Und ich habe zu lange gebraucht, um zu begreifen, dass die CDU mich neutralisiert. Aber jetzt neutralisiert sie mich nicht mehr, und deshalb erleben sie mich in voller Kampfeslaune.
Roger Köppel Was genau hat der Professor gemeint, was an ihnen seither neutralisiert wurde?
Maximilian Krah Die CDU hat eigentlich seit Kriegsende die Konservativen in sich aufgenommen und hat ihnen so kleine Spielplätze gegeben, wo sie sich austoben konnten. Aber die Konservativen haben in Deutschland zu keinem Zeitpunkt Spuren hinterlassen. Nehmen Sie mal den großen Vorzeige-Konservativen der CDU, das war Alfred Dregger. Der war sogar am Ende Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Was hat Alfred Dregger tatsächlich bewirkt? Er hat gar nichts bewirkt. Er hatte einen Posten, er durfte ein paar rechte Reden halten. Aber obwohl er eine rein formal extrem starke Machtposition hatte, hat er nichts Wesentliches bewirkt. Und das ist das Thema. Die CDU hat immer die Konservativen in sich aufgesogen, aber sie hat dafür gesorgt, dass sie keinen relevanten Stich gesehen haben. Es gab ja überhaupt keinen Punkt, wo die sich mal durchgesetzt hätten. Die viel versprochene geistig moralische Wende ist zwar versprochen worden, aber stattgefunden hat eher das Gegenteil der 80er.
Roger Köppel Was heißt für Sie konservativ?
Maximilian Krah Für mich heißt konservativ, dass Tradition und Natur verbindlich sind. Dass sie normativ sind. Es gibt eine Natur des Menschen, und diese Natur ist nicht nur eine empirische Beschreibung, sondern daraus folgt eben auch eine Ordnung, aus dem Sein folgt desweilen auch ein Sollen. Dass sie ihre Kinder lieben und für sie sorgen, hat etwas damit zu tun, dass es ihre Kinder sind und dass sie bitteschön ihre Eltern ehren, hat was damit zu tun, dass es ihre Eltern sind… Das heißt, aus der natürlichen Abfolge der Generationen, folgt ein moralisches Gebot. Die Natur ist normativ. Die Tradition hat einen eigenen Wert, sie beschränkt individuelle Freiheit. Das wäre meine Definition. Das Problem ist aber, wenn Sie jetzt sehen, wer sich und was sich heute alles konservativ nennt, dann ist diese Definition nicht mehr klar. Das heißt, ich müsste jetzt mit einem Armin Laschet abendfüllend darüber streiten, was ist konservativ oder mit Werner Patzelt. Da habe ich ja sogar Sie als Moderator gehabt. Das ist aber nicht zielführend. Es ist nie zielführend, sich über Worte zu streiten, sondern wir müssen uns über Inhalte streiten. Deshalb habe ich für mich beschlossen, dass ich den Kampf um das Wort konservativ aufgebe. Ich nenne mich rechts. Aber ich behaupte, dass das, was ich rechts nenne, in Wahrheit konservativ ist.
Roger Köppel Und das ist das Stichwort. Sie haben ein Buch geschrieben, das kürzlich herausgekommen ist, Politik von rechts. Ein Aufsatz, prägnant geschrieben, nicht übermäßig lang, also sozusagen auch in dem Sinn konsumierbar. Wenn man das so definieren möchte, was ist dann vielleicht Ihre wichtigste Botschaft? Es sind ja verschiedene Kapitel, verschiedene Schwerpunkte. Inhalte sind da. Aber wenn man das versucht, auf das Grundthema herunterzubrechen – Politik von rechts -, was ist da die Essenz für Sie, Herr Krah?
Maximilian Krah Das Problem, was wir haben, ist, dass die Rechten oft intuitiv und bisweilen aus einem Ressentiment heraus agieren. Das heißt, das Erste, was ich Ihnen sagen will ist, man kann das, was wir tun, auch in sich schlüssig erklären. Ich möchte erst mal die Möglichkeit geben, das, was man auch politisch fühlt, was man für richtig hält, in sich schlüssig und widerspruchsfrei zu begründen. Es ist, glaube ich, etwas, was ganz wichtig ist, weil wir da bislang nur Stückwerk haben. Das zweite ist, ich möchte die Grundlage klarmachen. Die Grundlage ist eben, der Rechte sucht ein Leben in Übereinstimmung mit dem, was tatsächlich ist. Was wir auch jungen Leuten sagen ist, finde heraus, wer du bist und nicht, was du sein möchtest. Und danach lebe in Übereinstimmung mit dem, was du tatsächlich bist. Das ist der Weg zum Glück, zum Erfolg, auch zu dem, was dich aufbauen wird. Die Linken erzählen uns ja, der Mensch ist eine freie Hülle und wird durch die Gesellschaft und die Diskurse geprägt. Also, wenn Sie Foucault nehmen, und nur die äußere Welt prägt uns, und es gibt überhaupt kein Ich, und wir erfinden uns ständig neu, bis hin zum Geschlecht, das wir einmal pro Jahr ändern dürfen nach neuem Gesetz in Deutschland. Und wir sagen, nein, du bist wer. Finde heraus, was du bist und präge deine Umgebung nach deiner Veranlagung. Also wenn du weißt, ich bin Kind meiner Eltern, in meinem Fall Mann bei anderen Frauen. Ich gehöre zu einer Familie, ich gehöre zu einem Volk. Das bin ich. Jetzt schaffe ich mir eine Umgebung, die dem entspricht, was ich bin. Ich forme meine Umgebung nach meiner Veranlagung. Dann erreiche ich ein lebenswertes Umfeld, in dem ich persönlich glücklich werden kann und reüssieren kann. Das ist die Quintessenz dessen, was ich für rechtes Denken halte. Und sie grenzt sich ab vom wooken Denken, dass sagt, verändere nur die Gesellschaft und dann kannst du morgen ein nonbinäres Einhorn sein. Wer dem folgt, wird unglücklich werden.
Roger Köppel Und welche Rolle spielt in Ihrem Denken oder auch in diesem politischen Koordinatensystem zwischen rechts und links für Sie der römisch-katholische Glaube?
Maximilian Krah Sehen Sie, wenn Sie sich heute die katholische Kirche anschauen, ist das sicher keine Kraft, von der wir uns eine kulturelle Erneuerung erwarten können. Sie ist völlig am Ende. Die katholische Hierarchie ist am Ende und was der Papst schreibt, sollte man bestenfalls ignorieren. Nichtsdestotrotz ist natürlich die katholische Theologie und die Philosophie die Grundlage dessen, was ich Ihnen hier erzähle. Dass es eine menschliche Natur gibt, dass aus dieser Natur Sollens-Sätze herausgeleitet werden können. Das ist natürlich klassischer Katholizismus. Und ich empfehle auch jedem, der da ein bisschen, also, dass das nicht nur intellektuell gelebt wird, sondern man sollte es auch sinnlich erfahren. Es ist ja kein Geheimnis, dass ich in die lateinische Messe gehe. Warum? Egal, ob Sie jetzt gläubig sind oder nicht, aber Sie bekommen dann einmal am Sonntag die gesamte abendländische Geschichte natürlich in einer Form des Kultes beigebracht. Sie wissen, Sie tun hier dasselbe, was ihre Vorfahren und Urahnen getan haben. Sie nehmen letztlich an einem Ritus teil, der aus Karthago im vierten Jahrhundert stammt. Sie erleben Gesänge und Melodien, die auch im elften Jahrhundert schon gesungen wurden. Das heißt also, Sie erfahren eine Gemeinschaft derjenigen, die vor ihnen ähnliche Überzeugungen hatten. Sie setzen das künstlerisch um. Sie haben Erinnerungen durch die ganzen Heiligen usw., in denen ihnen die gesamte europäische Geschichte in einer künstlerischen Höchstform beigebracht wird. Insofern, ich glaube, über ihren privaten Glauben und ihre Gottesbeziehung sollten Politiker nicht reden. Das macht man bitte selbst. Und im Zweifelsfall fragt man den Pfarrer. Aber dass es sich lohnt, sich mit katholischer Philosophie/ Theologie zu beschäftigen und das dann auch selbst kulturell zu erfahren, indem man sich eben in die alte lateinische Messe setzt, das würde ich jedem als Rat mitgeben.
Roger Köppel Herr Krah, wir sind schon am Ende dieses Gesprächs angelangt. Eine Frage habe ich noch. Wenn Sie Bundeskanzler Deutschlands wären – heute, und Sie hätten eine Priorität, die Sie setzen können, und zwar eine konkrete Priorität, möglichst konkrete Priorität oder ein konkretes Problem, dem Sie schwerpunktmäßig Ihre Aufmerksamkeit widmen würden. Was wäre für Sie als Bundeskanzler die absolute Priorität jetzt für Deutschland?
Maximilian Krah Wir müssen die Grenzen zukriegen. Wenn wir die Grenzen nicht zukriegen, ist alles aus. Wir müssen erst mal die Grenzen zukriegen. Wir können uns nicht diesen Zuwachs von, netto, über einer Million Menschen pro Jahr im Land mehr leisten. Wenn sie das nicht beenden, und das läuft noch zehn, fünfzehn Jahre so weiter, dann war’s das. Wir müssen das Ding dicht kriegen und danach können wir anfangen aufzuräumen. Die absolute Priorität ist, diese absurde Masseneinwanderung zu beenden. Und zwar schnell und gründlich.
Roger Köppel Sie sind ein Politiker, der den politischen Gegner auch kritisiert. Sie stehen aber auch selber in der Kritik, wie viele AfD-Politiker in der Dauerkritik. Was macht für Sie das Leben lebenswert?
Maximilian Krah Man muss sich einfach an die Kritik gewöhnen. Schauen Sie, wir leben in einer Zeitenwende. Es gibt ein Lenin-Zitat – ich hatte schon Mao, da kann ich Lenin noch draufhauen: „Es gibt Jahrhunderte, in denen passiert nichts. Und dann gibt es Jahre, in denen passiert das, was in Jahrhunderten passiert.“ Und da leben wir drin. Wenn Sie die richtigen Fragen beantworten, müssen Sie kontrovers sein. Wenn Sie nicht kontrovers sind als Politiker, dann beantworten Sie garantiert die falschen Fragen, weil wir ja fundamentale Weichenstellungen entscheiden. Das heißt, wenn Sie sich diesen Fragen widmen wollen, dann müssen Sie mit Kritik, harter Kritik, auch mit unfairen Angriffen, auch mit Geheimdienstoperationen – da müssen sie mit leben. Also insofern, sie dürfen sich davon nicht erschrecken lassen und dann brauchen sie halt Ausgleich. In meinem Fall, so anstrengend das ist, ich weiß, dass nach mir nicht Schluss ist. Ich habe viele Kinder. Die werden das hoffentlich viel besser fortsetzen, als ich das jetzt tue. Und ansonsten? Ich bin durchaus ein sinnesfreudiger Mensch. Also, ich lebe ein Leben, das hat Höhen, das hat Tiefen, das hat Rückschläge, da stecke ich auch regelmäßig ein. Aber ich kann Ihnen versichern, es ist trotzdem ein Leben aus der Fülle, und das hat eben Höhen und Tiefen. Und das ist das, was ich sein möchte. Ein echter Mensch, auch mit vielen Reibungspunkten. Ich glaube, bin ich auf einem guten Weg.
Roger Köppel Herr Krah, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Maximilian Krah Gern geschehen, vielen Dank.
Das Interview wurde am 6.Mai 2024 auf dem You Tube Kanal von DIE WELTWOCHE veröffentlicht und ist über folgenden Link abrufbar:
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