‘Keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down.’ (Die deutsche Übersetzung dafür lautet, ‚Halten Sie die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten‘.) Zum 75. Jahrestag der NATO-Gründung erlebt das Motto ihres ersten Generalsekretärs, Lord Ismay, einen neuen Höhenflug: um Russland zu schwächen wird ein lukrativer Krieg geführt, die USA sind dick im Geschäft mit Waffen und Fracking-Gas, Deutschland als Supervasall zahlt und lässt sich in “dienender Führungsrolle” (R. Habeck) de-industrialisieren – und der amtierende Nachfolger Ismays, Stoltenberg, will weitere 100 Milliarden Euro haben, um den verlorenen Krieg in der Ukraine weiter zu führen.
Ein Beitrag von Mathias Bröckers
Es ist derselbe norwegische Holzkopf, der vor einem Jahr die erfolgreiche “Gegenoffensive” der Ukraine versprach, wenn nur genug Waffen geliefert werden – und der sich weder von hunderttausenden toten und verwundeten Ukrainern noch von den gigantischen Schrotthaufen westlicher “Wunderwaffen” beirren lassen will. Und weiter davon fabuliert, dass eine am Ende siegreiche Ukraine dann natürlich in die NATO aufgenommen wird.
Wir wissen nicht, ob der führende NATOstan-Bürokrat seine Phantastereien wirklich selbst glaubt oder nur erzählt, was seine rüstungsindustriellen Geldgeber vorschreiben, für die fortgesetzte Materialschlachten wie in der Ukraine ein wunderbares Geschäft sind: “Das Ziel ist endloser Krieg, nicht erfolgreicher Krieg” so Julian Assange 2011 – und diesem Ziel entspricht die Bilanz der NATO und ihrer Mitglieder seit einem Vierteljahrhundert voll und ganz: mit dem völkerrechtswidrigen Bombardement des souveränen Jugoslawiens, von dem für kein NATO-Mitglied irgendeine Gefahr ausging, wurde der Mythos vom “Verteidigungsbündnis” 1999 definitiv begraben und seitdem agiert der Verein eigentlich nur noch als Schlägertruppe und Schutzgeldeintreiber für die Interessen der USA wie zuletzt in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien und aktuell zwar nicht offiziell aber doch sehr massiv in der Ukraine. Und die Deutschen, die als es 2014 dort losging noch nicht so richtig mitmachen wollten und von Obamas Hilfssheriff ein wenig angetrieben werden mussten, haben die Scheuklappen aus den ersten beiden Weltkriegen abgelegt und zündeln eifrig am nächsten mit.
Sevim Degdalen, Bundestagsabgeordnete der Linken, hat zum 75. Geburtstag dieses dringend reform,-und überholungsbedürftigen Bündnisses, eine kritische “Abrechnung mit dem Wertebündnis” vorgelegt. Ihr Fazit: “Anstatt mit der NATO weiter auf Eskalation zu setzen und damit die Menschheit in den Abgrund zu treiben, gilt es, die gegenwärtige existenzielle Krise des Militärbündnisses in Richtung eines wirklichen Systems kollektiver Sicherheit aufzulösen, das nicht gegen einen äußeren Feind gerichtet ist, sondern nach innen Wirksamkeit entfaltet. Die Sozialdemokratie kannte nach dem Ende des Kalten Krieges von 1989 bis 2007 noch die Überwindung der NATO als Programm. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich in seiner Zeit als stellvertretender Bundesvorsitzender der Jugendorganisation der SPD »Jusos« offen für die Diskussion über einen NATO-Austritt. Auch die Grünen forderten in ihrem Bundestagswahlprogramm 1987, dass sich die Bundesrepublik der militarisierten Außenpolitik von NATO und der USA entzieht und aus der NATO austritt. Das ist leider allzu schnell in Vergessenheit geraten. Solche Überlegungen werden nun als zu radikal gebrandmarkt. Welch eine Farce! Heute hat sich die Situation angesichts der Neuausrichtung der NATO zu- gespitzt. Der Militärpakt wird auch in der Öffentlichkeit immer weniger als wirkliches Verteidigungsbündnis wahrgenommen. Daher nimmt es nicht wunder, dass laut einer Umfrage von 2023 inzwischen eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland die militärische Unterstützung eines anderen NATO-Landes – und damit den Kern der NATO – nicht unterstützt. Mit ihrer Unterstützung von Israels Krieg in Gaza hat sich die NATO auch in ihrem Anspruch als Wertebündnis mindestens im Globalen Süden endgültig desavouiert. Und indem die NATO versucht, ihren globalen Dominanzanspruch umzusetzen, beschwört das Militärbündnis schließlich die für sie gefährlichste Kräftekonstellation gegen sich selbst herauf. Das Streben nach Alternativen zur NATO ist Widerstand zu einer Weltkriegspolitik. Wir brauchen Frieden statt NATO.”
In der Tat. Aktuell scheint NATOstan freilich schon kräftig an der Selbstabschaffung zu arbeiten: eine Stellvertreterarmee von 500.000 Mann ist nahezu verheizt, die Strategie, Russland mit Sanktionen und Krieg zu schwächen, ist auf ganzer Linie gescheitert ebenso wie der Plan, damit Putin stürzen zu können. Vielmehr hat der Militärpakt einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er Krieg nur gegen wehrlose Länder führen kann, von einem Gegner auf Augenhöhe aber völlig überfordert ist.
Und gesetzt den hypothetischen Fall, die 500.000 sinnlos geopferten Ukrainer könnten morgen durch eine halbe Million NATO-Soldaten ersetzt werden – und die 583 Flugzeuge, 270 Helicopter, 19.681 Drohnen, 499 Luftverteidigungssysteme und 15.762 Panzer und Kampffahrzeuge, die nach russischen Angaben bereits zerstört sind stünden erneut zur Verfügung – sie würden die Niederlage nur hinauszögern, aber nicht abwenden.
Verteidigungsminister „Pistolius“ denkt unterdessen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht nach und die ukrainische Neo-Naziorganisation “Centuria” rekrutiert in Deutschland “Helden” für den “Höllensturm auf den Feind”. Dass die Russen mit dieser NATO-Nazi-Koalition exakt so verfahren werden wie die Rote Armee es vor 80 Jahren mit den Hitler-Nazi-Truppen durchexerziert hat, ist absehbar – wer noch halbwegs bei Verstand ist in Europa, sollte das Risiko nicht eingehen. Aktuell ist von derlei Vernunft aber nicht viel zu spüren, im Gegenteil sind die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens weiter im Kriegsfieber und wollen auch über den letzten Ukrainer hinaus kämpfen.
Man sollte diese Herren mal in einen der Schützgräben an der Front schicken – zusammen mit den Chefs der großen Medien und US-Militärexperten wie Edward Luttwak, die NATO-Truppen an die Front schicken wollen. Wenn sie nach einem Tag mit dem Leben davon kommen, sind sie von ihrem Wahn mit Sicherheit kuriert…
Der Autor: Mathias Bröckers, Jahrgang 1954, ist Autor und freier Journalist. Er lebt in Berlin und Zürich und bloggt auf broeckers.com. Seit 1980 hat er circa 600 Beiträge für Tageszeitungen, Wochen,- und Monatszeitschriften, vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik publiziert, viele Radiosendungen- und Kommentare, sowie Beiträge für Bücher und Anthologien veröffentlicht, und auch verschiedene Kabarettprogramme und Texte. Er arbeitete an TV-und Film-Drehbüchern und übernimmt Lektorats- und Herausgebertätigkeiten. Von 1994 – 2002 war er Mitglied der Sachbuch-Jury der “Süddeutschen Zeitung”; 2007 – 2019 in Beratungstätigkeit für den taz-Verlag (Digitale Entwicklung, Relaunch taz.de). Dieser Beitrag erschien auf dem Blog von Mathias Bröckers am 9.April 2024, Link zum original Artikel: https://www.broeckers.com/2024/04/09/vom-verteidigungsbundnis-zum-schutzgeldeintreiber-und-schlagertrupp/