Krieg ist Woke mit anderen Mitteln

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  • April 3, 2024
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Eine Frage sollte uns am Rande eines großen Krieges besonders beschäftigen: Ist ein Krieg eigentlich vegan? Eine ziemlich ernste Glosse.

Ein Beitrag von Roberto de Lapuente

Shutterstock/ Tania Castan

Die Regenbogenflagge muss wohl ein der Ukraineflagge untergeordnetes Hoheitszeichen sein. Das jedenfalls könnte man annehmen, wenn man in den Netzwerken mal so beobachtet, wer die Sache der Ukrainer – und damit der deutschen und internationalen Rüstungsindustrie – vorantreibt und in neue Eskalationsbahnen leiten möchte. Man hat fast den Eindruck, dass Ukrainehilfe und das Weitermachen nach dem rücksichtslosen Motto »whatever it takes«, ganz eklatant mit der Wokeness im Bunde stehen – je bunter die Gesinnung, desto feldgrauer die Haltung: Zu diesem Rückschluss muss man dieser Tage kommen.

Gut, dieser Krieg in Osteuropa ist, wie so viele Kriege vor ihm, ein bunter – weil vielfältiger. Ja, man kann sagen: Von allen menschlichen Dimensionen, war der Krieg von jeher diejenige, die stets rücksichtslos emanzipativ war. Der Krieg feiert die Diversität wie kaum etwas anderes in der Welt: Denn er scheut vor keinem zurück. Nicht vor Männern oder Frauen, Kindern oder Greisen, Schwulen oder Heteros, Kranken oder Gesunden, Dicken oder Schlanken, Transsexuellen oder anderen: Alle werden gleichermaßen dem Tode überführt, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Und das ist man in so einem Kriegsszenario recht schnell und ziemlich häufig.

Straßen als Schlachthöfe

Ehe man sich versieht, erfasst einen diese Diversität: Entweder mittels eines Sprengsatzes, durch eine irrgeleitete oder eben ganz beabsichtigte Kugel, eine Landmine oder eben fortschrittlich, wie man uns immer versichert, weil Kollateralschäden nahezu ausschließend, unter Mithilfe einer Drohne. Rüstungsgüter sind diversitätsfreundlich. Sie sieben nicht rassistisch oder sexistisch aus. Kriegsgerät fragt nicht nach der Herkunft und der Befindlichkeit des heute Morgen für sich selbst festgestellten Geschlechterstatus‘, es will nicht wissen, mit dem man sich sexuell einlässt: Es ist unbestechlich neutral in seiner Wirkkraft.

Vernichtungswerkzeug reißt die Beine aller Menschen gleichermaßen ab. Lässt sie gleich bluten und leiden, erzeugt Schmerz ohne Betrachtung der Person. Reißt ohne Unterschied Leiber auf, kehrt gleichrangig jedermanns Innereien nach außen – behandelt jedes zerfetzte Gesicht ganz gleich; niemand wird begünstigt, niemand benachteiligt.

Die Frage, die sich jetzt der Woke von unipolarer Weltordnung stellt, die lautet wie folgt: Ist so ein Krieg eigentlich noch vegan? Immerhin fabriziert er Berge von Menschenfleisch. Alles, was der Kriegsveganer mit Blick auf einen Schlachthof sonst ablehnt, kriegt er im Krieg in menschlicher Dimension von noch brutalerer Güte. Krieg sind Fleischberge. Menschenfleischberge vor allem. Der Mensch, der sich in Friedenszeiten immer wieder brüstet, aus Milliarden von Individuen zu bestehen, transformiert im Kriege zu einem Klumpen Fleisch wie du und ich. Er macht Straßen zu Schlachtereien. Da ist nichts mit Tofu, nichts mit Seitan.

Diskriminierer unter sich

Und über diese Straßen brettert Kriegsgerät, es durchfährt den Freilandschlachthof ohne Rücksicht. Und es bedient sich immenser Ausstöße und belastet das Klima und die Umwelt. Gemeinhin legt die Wokeness äußersten Wert darauf, Klimaneutralität bei jeder Gelegenheit zu fordern und sich dafür anzukleben – so waren eine Weile lang Kamine in der Kritik, denn verbrennende Holzscheite würden kommende Generationen töten. Aber so ein 150 Liter Diesel saufender Gepard ist was völlig anderes. Wie aber ein mit Erdöl betriebenes Gefährt, das zerstört und tötet, vegan sein kann: Fragt sich das noch einer?

Schließlich ist Erdöl ein Stoffgemisch, das durch Umwandlung organischer Stoffe entstanden ist – meist durch Meereskleinstlebewesen. Benzin ist an sich nicht vegan. Und wenn mit dem Benzin ein Gefährt angetrieben wird, dass Menschen gewissermaßen zu Fleisch herabwürdigt, dann ist es doppelt so wenig vegan.

Aber dieser Tage kann man woke sein und gleichzeitig für den Krieg. Wie die Protagonisten das zusammenbringen, ist zunächst mal schwer zu erklären. Denn den Jüngern der Wokeness ist die Rücksichtnahme ansonsten ein Anliegen, sie achten auf softe und gewaltfreie Sprache, weil sie nicht möchten, dass Gemüter verletzt werden und sich Menschen durch Worte diskriminiert fühlen. Der Krieg aber, so gleichmacherisch er auch ist, so wenig wählerisch in der Wahl seiner Todesopfer, diskriminiert alle Menschen gleichermaßen. Vielleicht ist das die Erklärung, warum die westliche Wokeness den Ukrainekrieg nicht mit aller Kraft verdammt: Denn im Grunde diskriminiert sie auch alles und jeden, weil sie als Ausweg aus der Diskriminierung die Rediskriminierung setzt.

Der Vernichtungswillen der Kognitivkrieger

Denn jetzt soll der alte weiße Mann es mal spüren, diese bevorteilte Spezies – und der schwarze Mensch spürt es aber auch, denn auch den reduzieren sie auf seine Hautfarbe. Selbst dann, wenn sie ihm persönlich egal ist, erklären sie ihm, dass er anders ist und sich abgrenzen muss. Die Wokeness diskriminiert in diesem Sinne die Menschlichkeit, das Zusammenleben – damit hat sie nichts am Hut. Insofern ist der Krieg nicht gänzlich gegen jene stehend, die sich gesellschaftlich als »die Guten« präsentieren: Der Krieg ist die Wokeness mit anderen Mitteln. In ihm kulminiert alles, was im »Wertekanon« woker Warrior als erstrebenswert angeführt wird.

Das Kriegerische ist in dieser Weltanschauung also durchaus angelegt: Der Moralismus, der inbrünstig zelebriert wird, erzeugt den Fanatismus, den man braucht, will man ins Feld ziehen. Das Manichäische, ein straffes Sittenbild von Gut und Böse, ist darin angelegt und kommt im Kriege, in dem das Gute und Böse ja traditionell Hochzeiten erlebt, ganz besonders zur Entfaltung.

Nein, so richtig verwunderlich ist es nun nicht, dass die Woken und Grünen nun so fanatisch bei der Stange bleiben. Es ist in ihrem Genom angelegt: Sie führen Kriege mit den Mitteln der Stigmatisierung und der Hassverbreitung, der Spaltung und des Diffamierens: Es sind Kognitivkrieger, die mit den Kriegern in Gräben und Häuserschluchten eines mindestens gemeinsam haben: Einen Vernichtungswillen gegenüber denen, die sie als Feind ausmachen.

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