Seit einer unter mehr als fragwürdigen Umständen zustande gekommenen „Entlarvung“ eines angeblichen „Geheimtreffens zur Planung von Massendeportationen“ aus Deutschland durch eine dem Staat und bestimmten Diensten sehr nahestehende, sogenannte „Rechercheplattform“, bevölkern tausende Empörte, gut orchestriert und viele bunte, selbst bemalte Pappschilder schwenkend, regelmäßig deutsche Groß- und Kleinstädte. Sie protestieren vehement gegen „rechts“ und gegen „Faschismus“ und für „unsere Demokratie“ und gegen eine angeblich sehr bedrohlich aufziehende „Diktatur“.
Eine polemische Essay-Reihe von Wilhelm Domke-Schulz
Um den Hass in der Gesellschaft zu bekämpfen, schreien sie ihren Hass gegen die größte Oppositionspartei heraus. Um „unsere Demokratie“ zu retten, fordern sie Parteiverbote und Entzug von Bürgerrechten für Andersdenkende oder gar gleich deren Tod. „Einfach irre dieses Land“ hieß einmal eine belgische Fernsehserie über Verschwendung von Steuergeldern. Für eine Fernsehserie gleichen Namens gäbe es hierzulande Stoff in Hülle und Fülle. Sie könnte vermutlich auf genauso viele Folgen kommen wie die „Lindenstraße“. Denn einmal ganz davon abgesehen, dass das angebliche „Geheimtreffen“ auch genauso gut ein privates Netzwerktreffen gewesen sein kann, wie viele Teilnehmer durchaus glaubhaft versichern, also eine ganz normale geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste, wie sie vermutlich jeden Tag tausendfach in Deutschland stattfinden, ohne deshalb gleich zu „Geheimtreffen“ erklärt zu werden.
Und auch noch davon abgesehen, dass die vielen Regierungsvertreter und Politiker die bei diesen massenhaften Aufmärschen in markigen Reden gegen irgendein nicht näher definiertes „rechts“ protestieren, sich eigentlich gegen sich selbst empören müssten, weil es ja erklärte und unumstößliche Regierungspolitik in Deutschland ist, faschistische Massenmörder und Staatsterroristen in der Ukraine mit Waffen und deutschem Steuergeld vollzupumpen, damit sie nun schon das zehnte Jahr in Folge antifaschistische Regierungsgegner in der eigenen Bevölkerung beschießen, bombardieren und bestialisch ermorden können.
Also abgesehen von diesen gravierenden Unstimmigkeiten in der öffentlichen, ideologischen Argumentation des (west-)deutschen, massiv geheimdienstlich und transatlantisch unterwanderten politisch-medialen-militärisch-industriellen Komplexes, stellen sich dem kritischen Betrachter dieses „Irrenhauses Deutschland“ zunächst einmal ganz grundlegende Fragen. Zum Beispiel was verstehen denn diese offenbar sehr staatskonformen Aufmärschler denn eigentlich ganz konkret unter „unserer Demokratie“ die es gegen irgendeine, drohende „rechte Diktatur“ zu beschützen gilt? Oder anders gefragt, was könnten die Apologeten, vor allem des politisch-medialen Komplexes hier in Deutschland, unter den massenhaft gebrauchten Sprachfloskeln „unsere Demokratie“ und „Diktatur“ bloß verstehen? Das wäre ja wichtig zu wissen, um für sich zu entscheiden, ob man auch für „unsere Demokratie“ auf die Straße gehen und sich dort, zumindest was die Ukraine betrifft, mit profaschistisch agierenden Politikern des braunen Blocks gemein machen sollte oder eher ganz im Gegenteil, lieber nicht.
In einer losen Folge von Artikeln möchte ich an konkreten Beispielen dieser und anderen Fragen auf den Grund gehen, um zu ergründen wie der Charakter dieser Gesellschaft tatsächlich beschaffen ist, die sich so gern selbst als das „beste Deutschland aller Zeiten“, als „unsere Demokratie“ oder als „unsere Werteordnung“ bezeichnet.
Wenn man heutzutage auf die DDR zurückblickt, wird die Betrachtungsweise und Beurteilung dieses bis auf seine Grundmauern zerstörten Staates, von dem eigentlich nur noch an sehr vereinzelten Stellen im Osten Deutschlands der grüne Abbiegepfeil übriggeblieben ist, allein von der westlich sozialisierten Geschichtsschreibung dominiert. Das tunnelartige Blickfeld eines ebenso ignoranten, wie meinungsmanipulierten Teils der BRD-Gesellschaft beschränkt sich dabei fast ausschließlich auf die äußerst plakative Unterscheidung in die gute „BRD-Demokratie“ auf der einen und die böse „DDR-Diktatur“ auf der anderen Seite.
„Freiheitliche Demokratie“ versus „kommunistische Diktatur“, lautet folgerichtig die Quintessenz dieser ideologisch vernebelten typisch (west-)deutschen Sichtweise auf die deutsch-deutsche Vorgeschichte. Im Zentrum dieser tendenziösen DDR-Betrachtung rangiert die alles beherrschende Überbetonung der eingeschränkten Freiheitsrechte der DDR-Bürger ganz weit oben, eng vermischt mit den Aspekten „flächendeckende Stasiüberwachung“, „Todesregime“ an der Westgrenze zur BRD und Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit im angeblichen ostdeutschen „Unrechtsstaat“.
Und wenn man dann als wackerer Verteidiger der sogenannten „Demokratie“ und seiner „westlichen Werte“ mit der Geschichtsbetrachtung Ostdeutschlands bis an diese Stelle gekommen ist, hat man meist schon gar keine Lust mehr, sich noch weiter in das düstere Kapitel der „DDR-Diktatur“ hinein zu vertiefen. Schließlich könnten sich dann nur noch viel schlimmere Ungeheuerlichkeiten, wie zum Beispiel der Zwang zum gemeinschaftlichen Toilettengang im DDR-Kindergarten enthüllen.
Andersherum stellt sich allerdings genauso die Frage, wie „demokratisch“ denn die sogenannte „westliche Demokratie“ von ihrem Wesen her tatsächlich ist. Der Begriff Demokratie lässt sich bekanntlich mit „Volksherrschaft“ oder „Herrschaft des Volkes“ übersetzen. Er suggeriert also in seiner Verkürzung, dass es sich bei der sogenannten „westlichen Demokratie“ um ein Staatsmodell handelt, in dem die Machtausübung direkt durch die Bevölkerung erfolgt. Diese These wird zunächst, oberflächlich betrachtet, durch entsprechende Formulierungen im deutschen Grundgesetz gestützt. So steht zum Beispiel im Artikel 20, Absatz 1 „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ und im Absatz 2 des gleichen Artikels, „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“.
Dient die angeblich „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ der BRD also einzig und allein dem Zweck, einer wahren „Demokratie“ zum Durchbruch zu verhelfen? Dienen die Macht- und Meinungsmachteliten hierzulande nichts und niemand anderem als „dem Volke“ und haben nichts weiter im Sinn, als die „vom Volke ausgehende Staatsgewalt“ zu garantieren? Seit Kriegsende stehen also westdeutsche Politiker und „Qualitätsjournalisten“ mit dem einzigen Gedanken auf, „was ist Volkes Wille und wie kann ich dem am besten gerecht werden?“ und legen sich abends mit der gleichen Frage erschöpft zu Bett. Das und nichts anderes soll das eigentliche, tiefere Wesen des Gesellschaftsmodells BRD sein? Demokratie, um der Demokratie willen? Damit alles nach dem Willen des Volkes geschieht?
Schwer vorstellbar. Denn bereits auf den zweiten Blick sorgt der zumindest nicht sehr „demokratisch“ anmutende Umstand für Verwirrung, dass in der BRD weder Volksbegehren, noch Volksentscheide, geschweige denn Direktwahlen von „Staatslenkern“, wie Bundespräsident oder Bundeskanzler politische Normalität sind. Es gab ja nicht einmal einen Volksentscheid, und zwar weder im „Westen“, noch im „Osten“, zu dem gesamtgesellschaftlich äußerst gravierenden Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des westdeutschen Grundgesetzes. Aber war dieser Beitritt tatsächlich „Volkes Wille“? Wie lässt sich das feststellen ohne Plebiszit?
Wie also soll eine „demokratische Staatsgewalt vom Volke ausgehen“, wenn in der BRD keinerlei direkte Einflussnahme auf Politik und Führungspositionen durch den angeblichen „Souverän“ möglich sind? Das ist eben die Krux an solch verkürzten Begriffen, wie „Demokratie“, wenn man eigentlich das westliche Modell der „repräsentativen Demokratie“ meint, die man beim besten Willen nicht als direkte „Volks-Demokratie“ bezeichnen kann, was ja der verkürzte Begriff „Demokratie“ nun einmal suggeriert. Genauso, wie der irreführende Begriff des sogenannten „National-Sozialismus“ völlig konträr zu seinem wahren Wesen steht, das weder „national“ noch „sozialistisch“ gewesen ist.
Gleiches gilt für den inflationär gebrauchten Begriff „Europa“, den ihre selbstherrlichen Vertreter gerne in den Mund nehmen, wenn eigentlich die „EU“ gemeint ist. Dabei macht die „EU“ gerade mal nur rund 40% des europäischen Kontinentes aus, dessen größter Flächenstaat die Russische Föderation ist. Alles Haarspalterei? Wohl kaum. Denn diese Verkürzungen spiegeln im Grunde das realitätsferne Weltbild derer wider, die diese bewußt irreführenden Begriffe mit allergrößter Selbstverständlichkeit in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt haben.
Aber zurück zum mehr als fragwürdigen Suggestivbild gute „BRD-Demokratie“ auf der einen und böse „DDR-Diktatur“ auf der anderen Seite.
Das eigentlich bedrückende an dieser einseitigen Betrachtungsweise ist ihre mehr als augenfällige, fast schon atemberaubende Oberflächlichkeit, die von permanenter Vorverurteilung, emotional-subjektiver Schräglage, innerer Unstimmigkeit und zumeist rein ideologisch basierter „Logik“ geprägt ist sowie jede Art von ernstzunehmender, vielschichtig-wissenschaftlicher Analyse vermissen lässt. Aber das ist ja bekanntermaßen auch nicht gerade die große Stärke westlicher Weltbetrachtung, die zumeist eher einem orthodoxen Glaubensbekenntnis zu den eigenen (Un-) „Werten“ gleicht. Einem halbwegs kritischen Betrachter sollten sich doch zumindest einige Fragen aufdrängen, um die diese Art von westlich determinierter Geschichtsschreibung auffallend große Bögen schlägt.
Eine erste Frage wäre zum Beispiel, ob die pauschale Unterscheidung von unterschiedlichen Staats- und Gesellschaftssystemen in angebliche „Demokratien“ und vermeintliche „Diktaturen“ schon völlig ausreichend ist, um sich eine fundierte Meinung über das jeweilige Staatswesen bilden zu können. Diese Herangehensweise erscheint zumindest bei näherer Betrachtung mehr als fragwürdig. Wäre „Demokratie“ oder „Diktatur“ das einzig wesentliche Unterscheidungsmerkmal einer Gesellschaft, würde das ja bedeuten, dass zum Beispiel „Diktatoren“ ihre Diktatur einzig und allein zu dem Zweck errichten, um ihre Bürger zu überwachen, sie innerhalb der Landesgrenzen einzusperren, ihnen ihre persönliche Meinung zu verbieten, also um einen vollkommen totalitären Staat zu kreieren, in dem, wie in der sogenannten „DDR-Diktatur“ nur eine einzige Partei oder eben ein einzelner Diktator das Sagen hat.
Aber warum, weshalb, wozu? Ausschließlich um persönliche Machtgelüste zu befriedigen? Damit man sich als Elitenoberhaupt abends mit dem wohligen Gefühl ins Bett sinken lassen kann, wieder einmal tausende Menschen überwacht, an der Flucht gehindert oder ins Gefängnis geworfen zu haben? Praktizierte Unterdrückung der Bevölkerung als alleiniger Daseinszweck von Diktaturen? Mächtige Böse haben die Macht an sich gerissen, einzig und allein, um ungehindert und straffrei über ein Heer, armer unterdrückter Erdlinge zu herrschen?
„Diktator Assad klammert sich an die Macht.“ „Machthaber Lukaschenko klammert sich an die Macht.“ „Präsident Janukowitsch klammert sich an die Macht.“ „Kreml-Herrscher Putin klammert sich an die Macht.“ Noch einmal die Frage: Ja aber wozu, weshalb, warum? Ist diesen Leuten kein anderer Berufswunsch eingefallen, als „Diktator, Machthaber oder Herrscher“ zu werden? Ist das alles was sie wollen? Kann das wirklich sein? Ist das tatsächlich schon das Ende der Geschichte? Oder diese Frage anders formuliert: Machen staatliche Beschränkungen der individuellen Freiheitsrechte oder deren (eingeschränkte) Gewährung tatsächlich das einzig wahre, innere Wesen einer Gesellschaft aus oder sind sie vielleicht lediglich nur die oberflächliche Folgeerscheinung einer tieferen Ursache?
Dieser Frage gehen wir im zweiten Teil dieser Essayreihe nach.