Einer der größten Treppenwitze der Covid-Pandemie bestand darin, dass Medien und Politiker verkündeten, dass nun alle blind „der Wissenschaft“ zu folgen hätten – um im gleichen Aufwasch einem der reichsten Menschen der Welt den roten Experten-Teppich auszurollen, der nicht mal Akademiker war, geschweige denn Virologe oder Biologe: Bill Gates. Ein neues Buch über Bill Gates verschweigt mehr als es aufdeckt.
Eine Rezension von Milosz Matuschek
Die Geschichte von Bill Gates ist die vom Saulus zum Paulus, der aber eigentlich immer noch Saulus ist. In den frühen Jahren zeigt sich sein rücksichtsloser Charakter darin, wie er Microsoft Co-Gründer Paul Allen an den Rand drängt und ausbootet, während er zugleich Mitarbeiter tyrannisiert und seinen Geniekult als Wunderkind („Whiz-Kid“) pflegt. Bekannt und gefürchtet ist der Gates-Satz, mit dem er Mitarbeiter herunterzubürsten pflegte: That`s the stupidest thing that I`ve ever heard.“ Nach verlorener Klage wegen Missbrauchs einer Monopolstellung war der Ruf des Microsoft-Gründers in den Medien gründlich ruiniert. Er war der reichste Mann der Welt, und alle hassten ihn, außer vielleicht zwielichte Freunde wie Jeffrey Epstein, den Gates selbst noch nach dessen Verurteilung wegen sexuellem Missbrauch und Prostitution Minderjähriger frequentierte – über 30 Besuche auf dessen Missbrauchsinsel sind dokumentiert – tiefer bohrt auch Schwab nicht.
Gates machte nach dem Fiasko der Nullerjahre, was schon bei Microsoft gut funktionierte: Er kopierte ein Schema, das schon Rockefeller & Co. zur Meisterschaft gebracht hatten und ging durch die Drehtür von Wohltäterschaft und uneigennütziger Weltenrettung. Das sah im Kern so aus, dass er sich mittels seiner Stiftung (die inzwischen die mächtigste der Welt ist), in Politikbereiche der WHO einzukaufen begann, um Krankheiten wie Polio und Malaria zu bekämpfen. Der Haken daran: Wer als Politiker in der Dritten Welt von Gates Hilfe wollte, bekam sie oft erst unter der Voraussetzung, Familienplanungsregeln einzuführen und Impfprogramme auszurollen.
Ein neues Geschäftsmodell war geboren, mit win-win für – vor allem Gates: Er erkaufte sich den Ruf des Retters, investierte Milliarden unter Steuernachlässen, konnte durch die Hintertür Medikamente vertreiben, in die er selbst investiert war und hebelte so letztlich seine Macht. Das Wunder der Philanthropie geschah: Gates gab immer mehr Geld aus und wurde doch immer reicher. Nachdem er auch über die Medienlandschaft hunderte Millionen mit der Gießkanne ausschüttete, wurde Kritik an ihm praktischerweise so leise wie teuer.
Man muss dem Autor zugute halten, dass er viele Themen unverblümt anspricht: Gates` Obsession mit Familienplanung und Bevölkerungsreduktion, seine Epstein-Kontakte, seine Investitionen in Saatgut, Klimaschutz, Nahrungsmittel, Impfstoffe, die er wie Abo-Modelle betreibt, nach dem Motto: Erst wenn alle Welt sich von Gates helfen lässt und von ihm abhängig ist, hat das Gute gesiegt. Und doch wirkt das Buch wie auf halbem Wege stecken geblieben, wie ein Parcours um die wirklich heissen Themen herum. Ausgerechnet das Covid-Kapitel ist wohl das enttäuschendste an diesem Buch. Schwabs Kritik kommt hier kaum über den Punkt heraus, dass Gates die Impfstoffe nicht zum Nulltarif verteilt bzw. die Freigabe von Patenten blockierte, zum angeblichen Nachteil der Dritten Welt. Kein Wort von verdächtig zeitigen Investitionen in Biontech & Co., eine Firma, die noch nie ein Medikament auf den Markt gebracht hatte, sowie die Mitorganisation von Planspielen, wie dem Event 201, das kurz vor der Covid-Pandemie stattfand.
Das traurige Ende dieser weichgespülten Gates-Kritik kulminiert in der altlinken Forderung, dass Gates irgendwie enteignet gehöre. Bernie Sanders lässt grüßen. Als wäre das viele Geld das Problem und nicht die Intentionen und Handlungen, die damit umgesetzt werden. Nach 592 Seiten wächst die Erkenntnis, dass das wirklich ehrlich-kritische Buch über Gates erst noch geschrieben werden muss.
Tim Schwab, Das Bill Gates-Problem. Der Mythos vom wohltätigen Milliardär. S. Fischer Verlag, 592 S., Euro 27.89/Fr. 39.90. Diese Rezension erschien auch in der Weltwoche.
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