Mit dem Kopf durch die Wand: 2024 bringen die globalen Trends Deutschland vollends ins Abseits

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  • Dezember 24, 2023
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Ein Blick nach vorn im Zorn von Stephan Ossenkopp:

Es ist noch nicht lange her, da wollte Außenministerin Annalena Baerbock Russland ruinieren. Die schärfsten Sanktionen aller Zeiten sollten geeignete Mittel sein, dem flächenmäßig größten und mit Atomwaffen ausgestatteten Land eine strategische Niederlage beizubringen. Doch heute wächst die russische Wirtschaft mit

shutterstock/Rynio Productions

durchschnittlich drei Prozent im Jahr.

2023 erwartet der Internationale Währungsfonds für Russland ein Wachstum von 2,2 Prozent, Tendenz steigend. Die Sanktionen haben nicht nur ihr Ziel verfehlt, sie sind sogar zum Bumerang geworden. Den Schaden für Europa bezifferte der russische Vizeaußenminister Alexander Gruschko beim Eurasischen Wirtschaftsforum in Samarkand auf 1,5 Billionen Euro.

Deutschland hat einen der Grundpfeiler seiner Wirtschaft zerschlagen: russisches Gas und Öl. Das Flüssiggas (LNG), das Deutschland heute auf dem Spotmarkt kaufen muss, kostet ein Vielfaches. Deutschland füttert offenbar lieber Rohstoffspekulanten. Die Profiteure sind China, Indien, Pakistan, die Türkei und viele andere Staaten. Sie erhalten russische Energierohstoffe zu Vorzugspreisen und werfen sie dann auf den Weltmarkt.

Der deutsche Eigensinn macht die Welt nicht besser, sondern die Deutschen deutlich ärmer.

Sanktionen als Bumerang

Russlands isolieren – das ist der Wunschtraum vieler westlicher Politiker und NATO-Beamter. Doch die Träume sind zerplatzt. Gerade erst hat das russisch-arabische Forum auf Ministerebene stattgefunden. Auch in den Reihen der zehn BRICS-Staaten, der afrikanischen Länder und selbst der G-20 ist Russland nicht isoliert. Wenn Deutschland glaubt, die „internationale Gemeinschaft“ zu vertreten, wenn es den Abbruch aller Beziehungen zu Russland betreibt, manövriert es sich am Ende selbst in die Sackgasse.

Bislang sind die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und China eine weitere tragende Säule für Deutschlands Wohlstand. Nun wollen deutsche Spitzenpolitiker auch noch China in die Reihe der Diktaturen stellen. Deshalb dürfe das Land nicht weiter aufsteigen und müsse von Technologien abgeschnitten werden. China meistert jedoch trotz Sanktionen den Wettbewerb auf dem Halbleitermarkt, ist nach wie vor größter Handelspartner für über 120 Länder und zieht weltweit wichtige Investoren an. Dazu gehört auch die deutsche Automobilindustrie. Ein „Abkoppeln“ von China käme einer Selbstamputation der deutschen Industrie gleich.

Motor China

China ist der Motor der BRICS-Staaten, die am 1. Januar fünf neue Mitglieder aufnehmen werden. Dazu gehören auch Saudi-Arabien und der Iran. Beide verfügen über erheblichen Einfluss in ihrer Region und sind Ölgiganten. Es war eine diplomatische Meisterleistung des Vermittlers China, dass sich die beiden lange verfeindeten Staaten wieder die Hände reichten und diplomatische Beziehungen aufnahmen. Der Westen, einschließlich Deutschland, schaute verdutzt aus der Wäsche. Die deutsche Diplomatie ist zu solchen Erfolgen nicht in der Lage. Sie verharrt in einem einfachen Gut-Böse-Schema und will Partei ergreifen, um die Welt nach eigenen „Werten“ zu formen. Die USA, die Engländer, die Australier und die Kanadier mögen uns dafür auf die Schulter klopfen. Tatsächlich nutzen sie die deutsche Dummheit.

Die BRICS-10 haben vor allem ein Interesse daran, die Armut und Rückständigkeit des globalen Südens zu überwinden. Die Entwicklungsbank der BRICS, auch New Development Bank (NDB) genannt, will deshalb ihr Kreditvolumen im kommenden Jahr deutlich erhöhen. Am 1. Januar übernimmt die Russische Föderation den Vorsitz der BRICS. Präsident Wladimir Putin hat bereits angekündigt, dass das Gipfeltreffen im russischen Kasan stattfinden wird. Dann wird geklärt, wie viele weitere Mitglieder aufgenommen werden. Interessenten gibt es genug. Noch spannender ist die Frage, ob auf dem Gipfel in Kasan die Hürden für eine gemeinsame Handelswährung der BRICS-Plus-Staaten genommen werden.

Damit käme man einer Alternative zum Bretton-Woods-Finanzsystem ein gutes Stück näher. Dies bestimmte die Wirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und machte den US-Dollar zur Weltreservewährung. Ohne den Dollar können weder Öl und andere Rohstoffe gekauft noch Handelskonten unterhalten werden. Bretton-Woods-Institutionen wie die Weltbank und der IWF bestimmen bis heute, ob und zu welchen Konditionen Kredite an Entwicklungsländer vergeben werden.

Dieses Monopol wollen die BRICS brechen. Zumal die USA 1971 die Golddeckung des Dollars und feste Wechselkurse zu anderen Währungen aufgaben. So brauchen die Amerikaner nur Banknoten zu drucken, um ihre Rechnungen zu begleichen, während andere durch Abwertung ihrer nationalen Währungen in Abhängigkeit gehalten werden.

Vor allem die jüngsten inflationären Gelddruckorgien für bankrotte Banken und das Einfrieren von Dollar-Devisenkonten haben die Welt aufgeschreckt. Bislang ist nicht zu erkennen, dass sich die Bundesregierung mit diesen Entwicklungen ernsthaft auseinandersetzt.

Kriegswirtschaft statt Vernunft

Stattdessen herrscht in Deutschland diplomatische Unmündigkeit. Worte wie Waffenstillstand, Verhandlungsbereitschaft, Neutralität, friedliches Miteinander sind Fremdwörter geworden. In Mode gekommen sind Begriffe wie Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit, mit denen ein immenses militärisches Aufrüstungsprogramm legitimiert werden soll. Ursachen, Vorgeschichten, Zusammenhänge sind bei der Beurteilung von Konflikten unerwünscht. Jetzt, da wir die Welt in Schurken und Helden, Bösewichte und Menschenfreunde einteilen, biegt sich die Geschichte fast von selbst.

Selbst angesichts des monatelangen Flächenbombardements auf die Zivilbevölkerung in Gaza krümmt sich der Buckel der Bundesregierung vor dem großen Bruder in Washington. Spätestens jetzt weiß die ganze Welt, dass die so genannte wertebasierte Außenpolitik Deutschlands von Anfang an nur eine zynische Worthülse war.

Deutschland wird in eine Kriegswirtschaft verwandelt. Noch Generationen nach uns werden US-Rüstungsgiganten wie Lockheed-Martin und Northrop-Grumman Raten abstottern. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken hat kürzlich auf einer Pressekonferenz nicht ohne Stolz darauf hingewiesen, dass 90 Prozent des Geldes, das in die Ukraine gesteckt wird, wieder in die USA zurückfließt, und zwar in Form von guten Arbeitsplätzen in Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes. Haben deutsche Politiker diese Zusammenhänge wirklich nicht verstanden? Während der ukrainische Präsident die Taschen voller westlicher Schecks hat, wird in Deutschland der Gürtel immer enger geschnallt. Die Proteste der deutschen Landwirte haben deshalb eine neue Dimension erreicht. Auch die Beschäftigten der Deutschen Bahn kündigen weitere massive Streiks an. Weitere Berufsgruppen können folgen.

Transrapid – in China kein Auslaufmodell

Gibt es denn noch jemanden, der über den Zustand der deutschen Infrastruktur Buch führt? Wie viele Autobahn- und Eisenbahnbrücken müssten dringend saniert werden? Wie hoch ist der Investitionsstau bei Schulen, Kindergärten, Universitäten?

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es im ersten Halbjahr 2023 über 20 Prozent mehr Unternehmensinsolvenzen als ein Jahr zuvor. Industrieunternehmen wandern ab ins Ausland. Die Deindustrialisierung ist in vollem Gange. Der Bundesregierung scheint dies keine schlaflosen Nächte zu bereiten.

Ganz anders die meisten asiatischen Länder, allen voran China. Dort wurden bereits Schnellzüge mit einer Geschwindigkeit von 435 km/h getestet. Die nächste Generation von Magnetschwebebahnen in Leichtbauweise soll Geschwindigkeiten von über 600 km/h erreichen. Russland hat die Erschließung seines Fernen Ostens zum Hauptziel des 21. Jahrhunderts erklärt. So klingt kein Land, das am Boden liegt. Der Handel zwischen China und Russland bricht alle Rekorde. Wenn das rohstoffreichste und das bevölkerungsreichste Land der Welt zusammenarbeiten, geraten westeuropäische Vorurteile angeblicher Unterentwicklung ins Wanken. Deutschland rollt aufs Abstellgleis, mag sich die Bundesregierung noch so sehr einbilden, mit Vollgas in die Zukunft zu fahren.

Transatlantische Satrapen

Nichts davon ist zwangsläufig. Deutschland könnte seinen Parforceritt in die Sackgasse abbrechen und über seine fatalen Fehlentscheidungen nachdenken. Im eigenen Interesse zu handeln statt geopolitischen Illusionen anzuhängen, stünde Berlin ohnehin besser zu Gesicht. Die Bundesregierung könnte die Sanktionen gegen Russland einseitig aufheben und der EU-Kommission die Kompetenz in solchen Fragen entziehen. Das Angebot von Präsident Putin, den noch intakten Strang der Nord-Stream-2-Pipeline in Betrieb zu nehmen, wäre ein erster Schritt zur Sicherung der deutschen Energieversorgung. Die Reparatur der anderen Pipelines wäre gewiss billiger, als dauerhaft vom teuren amerikanischen Fracking-Gas abhängig zu sein.

Die USA sind nur dann unsere Freunde, wenn dies ihren Interessen entspricht. Doch übereifrige Transatlantiker biedern sich in Washington an. Um aus dieser Unterwürfigkeit herauszukommen, könnte Deutschland seine außenpolitischen Beziehungen diversifizieren und Kooperationsforen mit multilateralen Plattformen wie der Belt and Road Initiative und der Eurasischen Wirtschaftsunion schaffen. Gleichzeitig könnte Berlin realistischer auf die Forderungen der Länder des globalen Südens eingehen. Projektfinanzierungen über die Neue Entwicklungsbank im Infrastrukturbau in Afrika, Lateinamerika und Südostasien wären ein Anfang. Im Konfliktfall die Sicherheitsinteressen beider Seiten zu berücksichtigen muss wieder zu einem zentralen Leitmotiv deutscher Diplomatie werden. Das mag utopisch klingen. Deutschland rast Richtung Abgrund. Die Notbremse zu ziehen, ist keine Spinnerei, sondern schlicht das Gebot der Stunde.

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