Regime Change in Großbritannien durch die USA?

In Deutschland war nicht viel darüber zu lesen, doch offenbar hat es Elon Musk auf die politische Elite in Großbritannien abgesehen. Seine Forderungen sind auf den ersten Blick nachvollziehbar, auf den zweiten jedoch erschreckend. 

Von Tom J. Wellbrock

shutterstock/Frederic Legrand – CAMEO

Der US-Unternehmer Elon Musk hat mit der Veröffentlichung eines Gerichtsprotokolls über Massenvergewaltigungen von Kindern in Großbritannien auf X für Aufsehen gesorgt. Und auch gleich Konsequenzen gefordert, die von Gerichtsverfahren bis zum Regime Change in Großbritannien reichen. In Anbetracht der Schwere der Fälle sind viele Reaktionen auf Musk in den sozialen Medien (und insbesondere auf X) naheliegend. Doch sie vergessen einen wichtigen Aspekt.

Es geht um die sogenannten „Grooming Gangs“, einer Gruppe von in erster Linie pakistanischen Männern, die schreckliche Vergewaltigungen an Minderjährige begangen haben sollen. Musk wirft der britischen Regierung und dem heutigen Premier Keir Starmer vor, die Taten verheimlicht bzw. verharmlost zu haben. Betroffen waren in erster Linie weiße Kinder. 

Musk versus Starmer 

Elon Musk hatte auf X Gerichtsprotokolle veröffentlicht, die ein verstörendes Gesamtbild ergeben. Musk schrieb:

„Für alle, die an der Schwere und Verkommenheit der Massenvergewaltigungen von kleinen Mädchen in Großbritannien zweifeln, empfehle ich, sich das Quellenmaterial anzusehen und die Gerichtsprotokolle zu lesen. Ich habe das getan. Es ist schlimmer, als man es sich vorstellen kann.

‚Sie, Mohammed Karrar, haben sie auf die anale Gruppenvergewaltigung vorbereitet, indem Sie eine Pumpe benutzten, um ihren Analkanal zu erweitern. Sie haben sie einer Gruppenvergewaltigung durch fünf oder sechs Männer (Anklagepunkt 30) ausgesetzt. Zu einem Zeitpunkt hatte sie vier Männer in sich. Ein roter Ball wurde in ihren Mund gesteckt, um sie ruhig zu halten. Sie waren nicht nur beide an der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von GH beteiligt, Sie haben sie auch benutzt, um sich selbst zu befriedigen. Sie beide haben sie vergewaltigt, als sie noch keine 13 Jahre alt war. Als sie noch sehr jung war, obwohl nicht klar ist, ob sie noch keine 13 Jahre alt war, haben Sie beide sie gleichzeitig vergewaltigt (oral und vaginal/anal). Es ist mehr als einmal passiert (Anklagepunkt 28).

Wir haben Fälle gelesen, in denen ein Kind mit Benzin übergossen und damit bedroht wurde, in Brand gesetzt zu werden. Kinder, die mit Waffen bedroht wurden. Kinder, die brutale Vergewaltigungen miterlebten und denen gedroht wurde, dass sie das nächste Opfer sein würden, wenn sie es jemandem erzählten. Mädchen im Alter von elf Jahren wurden von einer großen Anzahl männlicher Täter vergewaltigt, einer nach dem anderen.

In zwei Fällen, die wir gelesen haben, spürten Väter ihre Töchter auf und versuchten, sie aus den Häusern zu holen, in denen sie missbraucht wurden, nur um selbst verhaftet zu werden, als die Polizei zum Tatort gerufen wurde. In einigen wenigen Fällen (die bereits in den Medien Aufmerksamkeit erregt haben) wurden die Opfer wegen Vergehen wie Landfriedensbruch oder Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet, ohne dass gegen die Täter, die Kinder vergewaltigt und sexuell missbraucht hatten, vorgegangen wurde.'“

Liest man diese Zeilen, entwickeln sich sofort Ekel, Abscheu und das Gefühl eines schrecklichen Unrechts. Laut Musk haben Politiker und Polizei versucht, die Verbrechen zu vertuschen. Sie fielen in den Zeitraum 2008 bis 2013, als Keir Starmer der Leiter der britischen Staatsanwaltschaft war. Grund für die Vertuschung seien laut Musk Befürchtungen von Starmer gewesen, durch die Verfolgung der Täter als rassistisch angesehen werden zu können. Für Musk sei Starmer „mitschuldig an den Massenvergewaltigungen“ und müsse deshalb nicht nur zurücktreten, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden. Aus London kam unverzüglich eine Zurückweisung der Vorwürfe, ergänzt mit dem Hinweis, sie beruhten auf „Fehlinformationen“ und „Lügen“.

Regime Change in Großbritannien?

Der Milliardär Elon Musk führte am Montag, dem 6. Januar 2005, auf seiner Social-Media-Plattform X eine Umfrage zu dieser Idee durch und fragte die Nutzer, ob „Amerika das britische Volk von seiner tyrannischen Regierung befreien solle“. Der Vorschlag wurde positiv aufgenommen. Fast 59 Prozent der Befragten unterstützten ihn. Mehr als 1,4 Millionen Menschen stimmten in weniger als 12 Stunden über das Thema ab. 

Nun ist dieses Abstimmungsergebnis aufgrund des Tatbestandes keine Überraschung. Vergewaltigungen gehören zu den schlimmsten Verbrechen, die es gibt, und wenn der Auszug aus den Gerichtsprotokollen der Wahrheit entspricht, können die Reaktionen der User noch weniger verwundern. Und wenn man an das britische politische System denkt, liegt es nahe, die Verantwortlichen aus ihren Ämtern zu entlassen und sie einer ordentlichen Gerichtsverhandlung zuzuführen. 

Allerdings muss man sich fragen, warum ausgerechnet die USA die bessere Lösung für Großbritannien sein sollten, also das Land, das seit dem Zweiten Weltkrieg so viele völkerrechtswidrige Kriege, Regime Changes und sonstige Interventionen – inklusive Morde und Vergewaltigungen – durchgeführt hat wie kein anderes. Selbst, wenn man Musk in seiner Bewertung zustimmt, rechtfertigt das keinen Regime Change in Großbritannien, es ist schlicht völkerrechtswidrig. Doch der Westen – und allen voran die USA – haben entschieden, das Völkerrecht und die UN-Charta durch eigene „Regeln“ zu ersetzen, Regeln, die keinen Gesetzen folgen und das eigene Handeln ausschließlich den eigenen Interessen unterwerfen, gleichgültig, ob sie damit andere Länder in die Katastrophe führen. 

In der Vergangenheit waren es Autokraten, Diktatoren und sonstige Übeltäter, die aus der Sicht der Vereinigten Staaten den US-Regeln zu folgen haben, völlig egal, was für weitreichende Konsequenzen dieses aggressive Verhalten für die Gesellschaften und die Menschen in den betroffenen Ländern hatten. Wäre es also eine gute Idee, in Großbritannien die (kriminelle) Regierung abzusetzen und durch eine US-Regierung zu ersetzen? 

Vermutlich nicht. 

Das systemische Problem

Das politische System in Großbritannien ist korrupt und kriminell, und es ist zu hoffen, dass es – ähnlich wie vergleichbare Systeme auch – dem Ende zugeht. Es wäre allerdings naiv und gefährlich, einem Elon Musk zu folgen und die Idee als sinnvoll zu erachten, dass ausgerechnet die USA Heilung bringen könnten. 

Die USA kennen keine Gesetze, wenn es um internationale Politik geht. Sie haben ihre eigenen Regeln geschaffen, nach denen sie agieren – losgelöst von Recht, Völkerrecht und Menschlichkeit. Wir alle können es nachlesen (alles ist dokumentiert), dass die USA das gefährlichste und skrupelloseste Land der Welt sind. Wo sie für (ihre) Ordnung sorgen, wird es nur Leid und Tod geben. 

Wer also wirklich glaubt, die systemischen Probleme anderer Länder mit Hilfe der USA lösen zu können, erliegt einem gefährlichen Irrtum. Nichts wird besser, wenn die US-amerikanischen Eliten entscheiden, in anderen Ländern „Ordnung“ zu schaffen. Wenn jemand das in Großbritannien oder anderswo kann, dann nur die Menschen, die dort leben und die Tragödie jeden Tag erleben und durchleiden. „Hilfe“ von den USA wird alles nur schlimmer machen. 

Das war so, das ist so, und das wird bis auf Weiteres so bleiben. 

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er ist Gründungsmitglied und Mitherausgeber der neulandrebellen.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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