Vergesst die RKI-Files?

  • MEINUNG
  • Februar 3, 2025
  • 0 Kommentare

Die RKI-Dokumente haben keinen Wert. Man sollte sie vergessen. So erklärt es Christian Drosten. Seine Betrachtung, warum das so sein soll, zeigt aber, welchen Wert sie tatsächlich haben.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Robert-Koch-Institut
Fridolin freudenfettCC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

An die Aufarbeitung von Corona darf man nicht mehr glauben – denn die Brandstifter haben übernommen: Auch der Deutschlandfunk beleuchtete die RKI-Files, die unter Druck – erst geschwärzt, nachher in Gänze – veröffentlicht wurden. Einordnung: So nannte Deutschlandfunk das zweiteilige Feature von Anna Loll, welches der Sender bereits vor Weihnachten erstmals und vor einigen Tagen abermals veröffentlichte.

Was in den Protokollen zu lesen ist, erfährt der Zuhörer leider nicht – und speziell der zweite Teil des Features bemüht sich, die Rolle des Papiers runterzuspielen. Dabei dienstbar zur Hand: Christian Drosten, Karl Lauterbach und Michael Butter.

Alles nur Verschwörungstheorie!

Die beiden Erstgenannten müssen nicht weiter vorgestellt werden – Michael Butter allerdings ist ein Pandemie-Hinterbänkler. Er rief selten, aber wenn er rief, bediente er die üblichen Klischees. Butter ist Amerikanist. Und er begreift sich als Experte für Verschwörungstheorien. Ziemlich genau vor vier Jahren gab er in der Zeit Butter bei die Fische: Er monierte unter anderem, dass »manche glauben, dass Bill Gates eine Zwangsimpfung einführen wolle«. Im Januar 2021 sprachen wenige von einer Impfpflicht. Aber die, die es taten, wurden von Experten wie Butter als Verschwörungstheoretiker abgetan. Natürlich kann er sich heute rausreden, denn Bill Gates – ein Milliardär, der sich niemals nicht in die Angelegenheiten fremder Nationen einmischen würde! – war nicht derjenige, der hierzulande die Impfpflicht forderte.

Damit sind also alle drei Personen, die für das Feature des Deutschlandfunkes befragt wurden, in jenen Jahren alles andere als kritisch und differenziert gewesen. Sie schützen dabei das Robert-Koch-Institut (RKI) und die Politik: Dass das RKI beispielsweise die Entscheidung nicht an die Politik gegeben hat, wie oft im Zuge der Veröffentlichung der Dokumente gemutmaßt wurde, sein ein Missverständnis, die Bürger hätten es nicht richtig verstanden, erklärte Lauterbach. Die Politik sei dafür gewählt worden, Entscheidungen zu treffen. Das kann man ihr also gar nicht vorwerfen. Nonchalant übergeht er dabei, dass die Politik ihre Entscheidungsgrundlagen immer als wissenschaftlich fundiert verkaufte: Das war offenbar gelogen. Und genau das ist der Skandal! Und keiner wendet in dem Feature was ein, kein Paul Schreyer, keine Aya Velázquez – sie wurden nicht befragt. Gegenmeinung: Man lauscht ihr vergebens, sie kommt einfach nicht zur Sprache.

Während der oben genannte Michael Butter nichts Substanzielles zu den Protokollen sagen kann, stattdessen genderradebrechend für die notwendige Haltungsnoten sorgt, indem er alle, die die Protokolle für ein wichtiges Zeitdokument halten, zu Anhängern verschwörungstheoretischer Narrative erklärt, schießt Christian Drosten den Vogel endgültig an. Dabei übersieht er, dass seine Erklärung mehr Sprengstoff birgt, als ihm das vielleicht zunächst aufgefallen sein mag.

Drostens Märchenstunde

Drosten ist der Ansicht, dass die RKI-Files eine schlechte Diskussionsgrundlage seien, weil der Inhalt nie verifiziert wurde. Aber wie er das erklärt, sollte man zitieren, um nichts zu verlieren:

»Das sind einfach In-House-Gesprächsprotokolle. Für ein institutionelles Gedächtnis des RKI, damit man später mal nachschlagen kann, was da besprochen wurde. Es ist auch nie für die Öffentlichkeit gedacht gewesen. Und das ist ja der Riesenunterschied: Wir haben in anderen Gremien ja Protokolle, die auch für die Veröffentlichung gedacht sind. Und da wird beispielsweise die Aussage von Mitgliedern der Gruppe auch verifiziert. Wenn Sie an einem Gremium teilnehmen, dann bekommen Sie ein paar Tage später das Protokoll und können nachschauen, ob Ihre Aussagen auch richtig wiedergegeben sind oder die dann im Nachhinein nochmal korrigieren.«

Das sagt alles über die Vorstellung von Transparenz aus, die in diesen Gremien herrscht. Hätte man vorher gewusst, dass die Protokolle das Licht der Öffentlichkeit erblicken würden, wäre man nochmals drangegangen, dann hätte man die einzelnen Mitglieder befragt, deren PR-Berater oder -Abteilungen hätten nochmal geschliffen, Worte neu gesetzt, strittige Passagen gestrichen und einzelne Sujets so modifiziert, dass sie öffentlichkeitstauglich gewesen wären. Anders gesagt: Das der Öffentlichkeit vorgelegte Protokoll wäre nicht die Abbildung der wirklichen Sitzungen und Gespräche gewesen, sondern eine phantastische Widergabe eines realen Ereignisses unter später hinzugefügten Ausschmückungen und Ergänzungen sowie zensierten Worten oder gar Sätzen. Oder, wie man in Hollywood-Filmen gerne vorneweg schreibt: Siew wären »basierend auf einer wahren Begebenheit«.

Und genau deshalb, weil die RKI-Protokolle nicht vorher abgesegnet und durch allerlei Hände gegangen sind, sollen sie nicht tauglich sein? Das lässt tief blicken, wie dieser Herr Drosten sich Transparenz vorstellt: Als Märchenstunde nämlich. Transparenz ist bei ihm, wenn vorher geglättet und ausgebügelt werden darf. Über solche Protokolle könnte man mit Drosten sprechen – weil es dann ja nichts mehr zu sprechen gäbe. Denn Besprechenswertes hätte es dann nie an die Öffentlichkeit geschafft. Dass die RKI-Files diesem Prozedere nicht ausgesetzt wurden, ist keine Schwäche, sondern ihre große Stärke. Und wer so argumentiert, muss wirklich zum allerletzten Aufgebot der Pandemisten gehören.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

Related Posts

„Lächerliche, amoralische Marionetten“: Macgregor über Scholz und Baerbock

Der verdiente US-Oberst a. D. Douglas Macgregor hat sich jüngst in einem Interview zu den Entwicklungen und Aussichten in Europa und dem Verhältnis zu den USA geäußert. Dieser Blick eines…

Grüße aus Megalomanopolis

Trumps Amtseinführung war eine rauschende Show. Bombastisch – und vor allem auch unwirklich. Besonders die Milliardäre in der Rotunde der Kuppelhalle des Kapitols wirkten megaloman. Ein Beitrag von Roberto J.…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You Missed

Vergesst die RKI-Files?

  • Februar 3, 2025
  • 38 views
Vergesst die RKI-Files?

Söder sieht Glaubwürdigkeit der Union «fundamental erhöht»

  • Februar 3, 2025
  • 4 views
Söder sieht Glaubwürdigkeit der Union «fundamental erhöht»

US-Außenminister diskutiert vor Ort Chinas Einfluss über Panamakanal

  • Februar 3, 2025
  • 2 views
US-Außenminister diskutiert vor Ort Chinas Einfluss über Panamakanal

Zahlenspiele: Laut Polizei bei Protesten gegen AfD und CDU-Kurs 160.000 in Berlin – Wirklich so viel mehr Menschen als bei den Coronaprotesten angeblich gezählt wurden?

  • Februar 3, 2025
  • 4 views
Zahlenspiele: Laut Polizei bei Protesten gegen AfD und CDU-Kurs 160.000 in Berlin – Wirklich so viel mehr Menschen als bei den Coronaprotesten angeblich gezählt wurden?

„Lächerliche, amoralische Marionetten“: Macgregor über Scholz und Baerbock

  • Februar 2, 2025
  • 81 views
„Lächerliche, amoralische Marionetten“: Macgregor über Scholz und Baerbock

Arabische Länder lehnen Trump-Vorschlag zu Gaza ab

  • Februar 2, 2025
  • 3 views
Arabische Länder lehnen Trump-Vorschlag zu Gaza ab