Die Aufarbeitung der Corona-Episode lässt weiter auf sich warten. Selbst die RKI-Files, die das undemokratische Verhalten der Politik von damals eklatant zum Vorschein brachten, konnten keine Richtungsänderung herbeiführen. Der Grund: Wir sind nach wie vor mitten in der Maßnahmen-Politik.
Ein Beitrag von Tom J. Wellbrock
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Es war ein Versuch. Damals, als Corona begann. Nicht alle werden sich daran erinnern, dass in den ersten Wochen der Situation, die Pandemie genannt wurde, die Lage schöngeredet wurde. „Verschwörungstheoretiker“, das waren damals die, die Angst hatten und von der Politik entsprechende Schutzmaßnahmen forderten. Dieses Virus sei harmlos, hieß es damals aus Politik und Medien, Leute, die sich in bizarre Schutzanzüge steckten oder vor massenhaften Anstrengungen warnten, wurden als Panikmacher abgeurteilt und offen ins Lächerliche gezogen.
Die Unterteilung ins „Team Vorsicht“ und „Team Passt-schon“ kehrte sich dann wenige Wochen nach der ersten Ausbruchsmeldung schnell um. Plötzlich tauchte ein Professor Christian Drosten auf der Bildfläche auf, weitere Wissenschaftler betraten die Bühne und begannen, ein anderes Bild als das der ersten Tage und Wochen zu zeichnen. Das ehemalige „Team Vorsicht“, bestehend aus verunsicherten Bürgern, begann, sich zu berappeln und las sich durch unzählige Artikel, wahlweise auch Berichte von Experten oder lauschte den Worten von Wissenschaftlern, die damals noch hoch im Kurs bei Politik und Medien standen.
Das „Team Passt-schon“ dagegen machte eine gegenteilige Entwicklung durch. War die erste Zeit alles nicht so schlimm und für die Bevölkerung keine Gefahr zu erkennen, etikettierte sich das „Team Passt-schon“ um und schritt nun als neues „Team Vorsicht“ durchs Land. Allerdings handelte es sich um einen Etikettenschwindel, denn während die verängstigten Menschen aufrichtig in Sorge waren, hatten die Mitglieder des neuen Teams eine ganz andere Motivation.
Keine (große) Gefahr, das war schnell klar
Man kann sich darüber streiten, ob es Wochen oder ein paar Monate dauerte, bis klar wurde, dass Corona nur für bestimmte Risikogruppen gefährlich bzw. lebensgefährlich war. Fakt ist jedoch, dass recht schnell hätte bekannt sein müssen, dass dieses Virus nicht in der Lage war, die gesamte Bevölkerung Deutschlands auszurotten. Die ewig wiederholte Rechtfertigung „Wir wussten ja so wenig“ ist also nur für einen überschaubaren Zeitraum zulässig.
Doch der erste Lockdown weckte bei Politik und der ihr angeschlossenen Wissenschaft Begehrlichkeiten. Darüber hinaus entdeckten entsprechende Medienpersönlichkeiten schnell, dass sie mit totalitärem Gedankengut eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklung anstoßen konnten. Und so wurde die Gefahr, die anfangs aufgrund von Unwissenheit zu bestehen schien, nicht etwa relativiert, nachdem sich die Informationslage geändert hatte. Im Gegenteil, sie wurde auf immer absurdere Niveaus gehoben und rhetorisch ausgebaut.
Wir erinnern uns an das Papier, das aus Regierungskreisen an die Öffentlichkeit drang. In diesem war unter anderem nachzulesen, dass die Angsterzeugung maßgeblicher Bestandteil der sogenannten Maßnahmen-Politik war. Hier waren es in erster Linie Kinder, die – das wurde in dem Papier ganz offen formuliert – unter massiven Druck gesetzt werden sollten, um im Sinne der Maßnahmen-Politik zu funktionieren. Am Tod ihrer Eltern oder Großeltern sollten sie die Schuld tragen, wenn sie sich nicht den Vorgaben entsprechend verhielten.
Der Rest der unsäglichen Maßnahmen-Politik fand faktisch nie ein Ende, selbst, als die als Pandemie bezeichnete Episode sich dem Ende näherte, weigerten sich die führenden Politiker, Entwarnung zu geben. Heute müssen wir keine Masken mehr tragen, 2G oder 3G sind Geschichte, der Restaurantbesuch ist kein Problem. Doch die Maßnahmen wirken nach und sind zum Teil auf anderen Ebenen weiter in Kraft. All die Menschen, die damals kritisch waren, für die Grundrechte auf die Straße gegangen sind oder die Wirksamkeit und Sicherheit der teleskopiert entwickelten Impfstoffe bezweifelt haben, sind nicht nur bis heute nicht rehabilitiert. Sie werden weiterhin angefeindet, als „Schwurbler“ bezeichnet, die – glaubt man der Politik – keinesfalls an der Aufarbeitung der Maßnahmen beteiligt werden dürfen. Von einer Entschuldigung brauchen wir gar nicht erst zu sprechen.
Das Feindbild-Prinzip
Was während der Corona-Episode passiert ist, war der massive Aufbau von Feindbildern und die Unterteilung der Gesellschaft in gute und böse Teile der Bevölkerung. Die damals als böse Gebrandmarkten sind es bis heute, sie werden unterschwellig oder ganz offen als der Ursprung der damaligen Spaltung der Gesellschaft bezeichnet. Die Täter dieser das Ende der Demokratie einläutenden Phase dagegen sind nicht nur weiter in ihren Ämtern und besetzen gut bezahlte Posten, sie prägen auch heute noch die allgemeine gesellschaftliche Stimmung und Debatte. Sie sind erfolgreiche Medienschaffende, schreiben und reden, als hätte es Corona nie gegeben, sie lassen sich zu Wahlen aufstellen und sind mitverantwortlich für die inzwischen beliebten Demos gegen rechts, auf denen Demokratie und Menschenrechte angepriesen werden – und zwar angestachelt von denen, die in extremster Form genau diese Errungenschaften mit Füßen getreten haben.
Der Umgang mit den Corona-Kritikern ist vergleichbar mit dem von AfD-Wählern und Parteimitgliedern. Sie werden in die rechtsextremistische Ecke gestellt, werden in einem Atemzug mit dem Hitler-Nazismus genannt und ausgeschlossen, wo es nur geht. Die Diskussionen über die Frage, ob man Anträgen der AfD zustimmen darf oder nicht, wären vermutlich ohne den Vorlauf durch die Maßnahmen-Politik während der Corona-Episode nur schwer denkbar gewesen.
Insofern haben wir die Praxis der Maßnahmen-Politik und das Klima der Ausgrenzung nicht nur nicht verlassen, vielmehr wurde es verstetigt und in seiner Absurdität weiter radikalisiert. Mittlerweile wird die offen auf dem Tisch liegende Frage nicht einmal mehr debattiert: Warum sollte man gegen einen Antrag stimmen, wenn man ihn inhaltlich vertreten kann? Möglich ist diese Praxis nur, weil eine Atmosphäre geschaffen wurde, die den Gedanken an Logik und Pragmatismus ins Aus geschossen hat.
Kein Ende in Sicht
Die politischen und gesellschaftlichen Ausgrenzungen haben seit Corona zu- und weiter Fahrt aufgenommen, es gibt kaum noch Themen, die ohne Schaum vor dem Mund und ohne aggressive Angriffe und Anfeindungen, Diffamierungen und Beleidigungen besprochen werden können. Daher kann es nicht überraschen, dass immer mehr Menschen das (berechtigte) Gefühl haben, nicht mehr frei sagen zu können, was sie denken. Und selbst dieser Hinweis erfährt weitere Diskreditierungen, denn man könnte, so der Tenor derer, die jede abweichende Meinung verurteilen und sanktionieren, doch weiter sagen, was man denke. Man müsse halt nur mit den Folgen leben.
Doch die freie Meinungsäußerung darf keine Folgen haben, abgesehen von der kritischen Bewertung durch die Gegenseite. Eine kritische Bewertung führt jedoch nicht zu einem Ausschluss aus dem gesellschaftlichen Leben oder auch nur Diskurs, sie führt nicht zu beruflichen Vernichtungen, negativen Medienberichten oder Kontosperrungen, denn wenn dem so ist, ist die Meinung nicht mehr frei, sondern wird wie ein Verbrechen behandelt.
Das ist das grundlegende Problem, das sich seit Corona etabliert hat, das bewusst etabliert wurde und eine tiefe Spaltung und Verunsicherung innerhalb der Gesellschaft verursacht hat: die subtile oder gar offene Kriminalisierung abweichender Meinungen. Allein das diskutierte Verbot einer Partei wie der AfD, die demokratisch legitimiert ist und eine relevante Zustimmung bei großen Teilen der Bevölkerung hat, sollte normalerweise sämtliche Alarmglocken bei allen Demokraten ertönen lassen. Dass dies nicht passiert, wirft ein düsteres Licht auf den Zustand der Gesellschaft im Land, und es belegt, dass sie nach und nach eine aussterbende Art sind: die Demokraten.
Corona ist nicht Vergangenheit, Corona ist jetzt. Man kann es anders nennen, aber der daraus resultierende Totalitarismus, die Spaltung, die Verunsicherung und die Angst haben sich tief ins Land gefressen. Und die Täter von damals und von heute werden alles dafür tun, dass eine Rückkehr zu einer mehr oder weniger funktionierenden Demokratie nicht stattfinden wird. Insofern ist der Wunsch nach Aufarbeitung zwar verständlich, aber illusorisch.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Oskar Lafontaine, Max Otte, Andrej Hunko, Patrick Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«. Gründungsmitglied und Mitherausgeber der neulandrebellen.
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