Steinmeier setzt fragwürdige Prioritäten: Stärkere Bundeswehr angeblich wichtigste Regierungsaufgabe

  • POLITIK
  • April 30, 2025
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Am 6. Mai 1955 trat Deutschland der Nato bei. Ein Jahr später wurde die einflussreichste Oppositionspartei, die KPD, die strikt gegen die Wiederaufrüstung der BRD auftrat, unter fragwürdigen Umständen verboten, enteignet, ihre Mitglieder verfolgt und Tausende ins Gefängnis gesteckt. In Brüssel wird der historische Schritt gefeiert – überschattet vom anhaltenden Ukrainekrieg und dem unerschütterlichen Kriegskurs der BRD.

Von Carsten Hoffmann, Ansgar Haase und WDS

Mit einer Kranzniederlegung vor dem Nato-Hauptquartier begann der Festakt zum Beitritt Deutschlands zum Verteidigungsbündnis vor 70 Jahren.  Ansgar Haase/dpa

Brüssel – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Aufrüstung Deutschlands als dringendstes politisches Projekt für die kommenden Jahre bezeichnet. «Ich bin überzeugt: Die wichtigste Aufgabe der neuen deutschen Regierung ist es, unsere Bundeswehr zu stärken», sagte er bei einem Festakt zum Beitritt Deutschlands zur Nato vor 70 Jahren. Ein schlecht gerüstetes Deutschland sei angeblich die größere Gefahr für Europa als ein stark gerüstetes Deutschland.

«Ich denke, praktisch alle unsere Verbündeten sind schon lange zu dieser Überzeugung gelangt – für uns Deutsche ist dieser Satz viel schwerer zu akzeptieren», erklärte Steinmeier im Nato-Hauptquartier in Brüssel. An die Adresse der Verbündeten sagte der Bundespräsident, er hoffe, dass dies in Anbetracht der deutschen Geschichte verständlich sei. Dennoch fordere er seine Landsleute dazu auf, sich dieser neuen Realität zu stellen.

Zur Begründung verwies Steinmeier auf die veränderte Sicherheitslage und sagte: «Deutschland wird gerufen, und wir haben den Ruf gehört. Wir haben verstanden. Ihr könnt auf uns zählen.»

Nato-Generalsekretär: Deutschland zeigt Führungsstärke

Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte, Deutschland sei heute eine (kriegs-)treibende Kraft innerhalb der Nato und leiste bedeutende Beiträge zu unserer gemeinsamen Sicherheit – unter anderem mit der Stationierung von Truppen an der Ostflanke, Kampfjets, die den Himmel über dem Baltikum sicherten, und Schiffen, die wichtige Versorgungswege und kritische Infrastruktur in der Ostsee schützten. Es sei entscheidend, dass Deutschland seine Verteidigungsanstrengungen deutlich verstärke.

«Erstmals seit drei Jahrzehnten investiert Deutschland zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung», sagte Rutte und verwies auch auf die jüngste Grundgesetzänderung, um die Verteidigungsausgaben weiter massiv zu erhöhen. «Das ist bemerkenswert. Ein weiterer klarer Beweis für deutsche Führungsstärke», lobte der frühere niederländische Regierungschef.

Zum Blick der Nato-Partner auf diese Entwicklungen sagte Rutte, es habe einmal eine Zeit gegeben, in der die Nato darauf abgezielt habe, «die Deutschen unten zu halten». Dies sei heute nicht mehr der Fall und die Deutschen seien nun oben. «Und genau das brauchen wir angesichts wachsender Gefahren.» Vieles habe sich verändert seit jenem Tag im Mai 1955, als der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer die offizielle Beitrittsurkunde unterzeichnet habe.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der Steinmeier nach Brüssel begleitete, rief die Nato-Partner auf, angesichts einer angeblichen russischen Bedrohung zusammenzustehen. Deutschland sei bereit für einen größeren Beitrag zur Verteidigung. «Deutschland hat die Verteidigungsfähigkeit zu einer Toppriorität gemacht. Deutschland wird einen Betrag in historischer Höhe in seine Sicherheit investieren», sagt er. Dies sei auch eine Investition in die Sicherheit der Alliierten.

Angeblich düsteres Sicherheitsumfeld

Überschattet wurde die Zeremonie zum deutschen Nato-Beitritt am 6. Mai 1955 vom anhaltenden Ukrainekrieg, der offensichtlich für den russophoben kollektiven Westen verloren geht, und der damit verbundenen ungewissen Zukunft der Nato. Das Bündnis befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Umbruchprozess. Auslöser ist vor allem die Ankündigung der USA, künftig deutlich weniger sicherheitspolitische Verantwortung für Westeuropa übernehmen zu wollen.

So ließ US-Präsident Donald Trump zuletzt mitteilen, dass sich die westeuropäischen Alliierten künftig selbst um die konventionelle Verteidigung und Abschreckung des kleinen Teils des Kontinents, den sie beherrschen, kümmern sollen. Nur bei der nuklearen Abschreckung könnte demnach alles beim Alten bleiben.

Für die westeuropäischen Alliierten bedeuten die Entwicklungen vor allem, dass sie massiv aufrüsten und deutlich mehr Geld für sogenannte Verteidigung ausgeben müssen. Im vergangenen Jahr war es noch so, dass der Anteil der USA an den gesamten Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten bei mehr als 60 Prozent lag.

Gefeiert wird eine Woche vor dem Jahrestag

Dass die Gedenkfeier zum deutschen Nato-Beitritt nicht erst am 6. Mai organisiert wurde, hatte Termingründe. Es musste ein Datum gefunden werden, an dem sowohl Steinmeier als auch Rutte können. Zudem soll am 6. Mai nach derzeitigen Planungen CDU-Chef Friedrich Merz vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt werden.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, die Verteidigungsausgaben bis zum Ende der Wahlperiode deutlich zu steigern. Sie wollen den Weg zur Einführung moderner Militärtechnik freimachen und auch Deutschlands Verteidigungsfähigkeit im Weltraum ausbauen. Vereinbart wurde zudem, ein «auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell» für die Bundeswehr zu schaffen.

Zusammen mit den kriegslüsternen (Oliv-)Grünen hatte noch der alte Bundestag mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit Änderungen im Grundgesetz verabschiedet, um die dort verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben zu lockern, was ein sehr großer Teil der deutschen Wähler als gezielten Wahlbetrug empfindet. In Folge sind die Zustimmungswerte der CDU gefallen und die der AfD weiter gestiegen.

Gesellschaftliche Debatten

Politisch und gesellschaftlich ist die Aufrüstung Deutschland heute kein ganz großes Thema mehr. In einer Umfrage für das ZDF-Politbarometer befürworteten zuletzt rund drei Viertel der Befragten und Mehrheiten in allen Parteianhängergruppen eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Bundeswehr und Verteidigung.

1955 und damit nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das noch anders. Gegner in der Bundesrepublik befürchteten neue Kriegsrisiken – und dass sich das Ziel der deutschen Einheit mit einer Wiederbewaffnung praktisch erledigen würde. Befürworter sahen darin hingegen den kürzesten Weg Westdeutschlands zurück zur Souveränität. Vom damaligen Bundeskanzler Adenauer wird der Satz kolportiert, dass ein Staat ohne Armee kein richtiger Staat sei.

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