BERLIN IM SOMMER 21 (Teil 3)

Persönlicher Bericht über einige Protest- bzw. Demo-Aktivitäten in der ersten Augustwoche nach Verbot der für den 01.08.21 angemeldeten Querdenken-Demo oder Vom fühlbaren Abschmelzen noch existierender Grundrechte.

Teil 1 : https://berlin247.net/?p=14697

Teil 2: https://berlin247.net/?p=14719

Ein Erlebnisbericht von Jan Veil (Oktober 2021)

Symbolbild: shutterstock/Timeckert

06.08. | Landesgrenze Berlin/Brandenburg: Kleinmachnow |

Die Idee: Am frühen Nachmittag werden unabhängig voneinander zwei Eilversammlungenangemeldet. Sie wollen die teilweise übermäßige, hie und da auch brutale Polizeigewalt am 1. August, die selbst den Sonderbeauftragten der UN, Nils Melzer, auf den Plan gerufen hat, zum Thema machen und grenzen praktisch direkt aneinander: eine auf Berliner Gebiet, am ‚Denkmal der Opfer der Teilung Deutschlands‘ direkt östlich der Karl-Marx-Straße, und eine westlich davon auf einem Marktplatz, bereits in Brandenburg gelegen. Es gelingt mir kurzfristig, Anselm Lenz für eine Rede zu gewinnen. Bereits kurz nach Eilanmeldung taucht sowohl Brandenburger als auch Berliner Polizei mit insgesamt mindestens acht Mannschaftswagen auf und sondiert gemeinsam die sehr übersichtliche Lage. Die Berliner Kollegen erklären den zwei Demonstranten am Denkmal, dass sich auf dem zugegeben kleinen Platz (ca. 20 m2) nur zwei Personen gleichzeitig aufhalten dürfen, und falls die Brandenburger Polizei die angrenzende Veranstaltung auflösen müsste, dürften ferner keine daran Teilnehmenden einfach den Ort des Geschehens wechseln, mitnichten! Denn dann gelte die Berliner Versammlung als „Nachfolgeveranstaltung einer bereits verbotenen Kundgebung“ und wäre somit automatisch ebenfalls verboten.

Herr Lenz hält eine etwa 15-minütige, sehr engagierte Rede, in der er sich u.a. direkt an die Polizisten wendet und sie daran erinnert, dass eine Zeit kommen wird, in der sich jede/r Einzelne für das wird verantworten müssen, was sie oder er in dieser Zeit der immer weitergehenden Grundrechtseinschränkungen, und sei es auf Befehl, getan oder gelassen haben. Unmittelbar darauf teilt der Versammlungsleiter mit, dass diese Veranstaltung soeben verboten wurde und ab sofort beendet ist. Ich kommentiere das mit einer kurzen Megafon-Durchsage.

Nun mischen sich die kürzlich eingetroffenen Aktivisten und Musiker Arne Schmitt und Björn Banane in den Diskurs mit dem konsequent in schwarz gekleideten Staatspersonal ein und verlangen eine Begründung für das Verbot. Diese liege noch nicht vor. Offenbar können diesmal weder fehlende Masken noch Abstände als Begründung herangezogen werden – wie auch, bei vielleicht 40 kooperierenden Demonstranten. Auf nähere Nachfrage heißt es, die Begründung sei auf dem Weghierher. Schmitt verlangt, über einen einfachen Anruf den Grund vorab mündlich zu erfahren. Da dem nicht nachgekommen wird, meldet er flugs eine Spontanversammlung an. Dem Einsatzleiter vor Ort ist die Unsicherheit deutlich anzumerken. Der ganze Vorgang gibt zwar ein ziemlich peinliches Schauspiel ab; andererseits muss aber auch positiv angemerkt werden, dass es Länder auf dieser schönen neuen Welt gibt, in denen die dort jeweils waltende Polizei schon längst zum Knüppeln oder zumindest zur ‚Sicherheitsverwahrung‘ übergegangen wäre.

Was für die allermeisten Demonstranten gilt, das scheint auch noch auf die überwiegende Zahl der Ordnungskräfte zuzutreffen: Die Gewaltbereitschaft in unserem Land ist ganz allgemein offenbar deutlich geringer ausgeprägt als in vielen entfernteren, aber auch uns umgebenden Ländern. Dies trifft allerdings nicht auf jene Einheiten zu, die bei Massenansammlungen oft urplötzlich und punktuell in Erscheinung treten, durch besondere und obendrein sinnlose Brutalität auffallen und stets alle dieselbe Rücken-Nummer tragen, damit einzelne Schläger nicht identifizierbar sind und sich somit an jungen Unbewaffneten, älteren wehrlosen Mitbürgern oder gar einzelnen Frauen bis zur Hemmungslosigkeit vergreifen können. Ob – und wenn, inwiefern – derlei Umstände auch fünf Tage zuvor eine Rolle spielten, als Sascha während einer polizeilichen Maßnahme überraschend zu Tode kam, wird die laufende Untersuchung dieses Vorfalls hoffentlich zweifelsfrei klären.

Schließlich trifft eine Frau vom Ordnungsamt ein, die Arne und Björn von deren in Potsdam jüngst abgehaltenen Kundgebungen gut bekannt ist und mit der sie bisher ein wohl recht gutes Verhältnis hatten; doch auch sie kann anfangs keine konkrete Begründung für das Verbot liefern. Weitere 15 nervenaufreibende Minuten später heißt es dann äußerst fadenscheinig, es bestehe kein akzeptabler Grund für die Eilversammlungen, denn die Aktivwerdung des UN-Sonderbeauftragten für Folter sei bereits am gestrigen Abend bekannt geworden. Man sieht der Beamtin an, dass sie enorm unter Druck steht. Ob sie diese Begründung möglicherweise selbst anzweifelt?

Schließlich, nachdem sich bereits ein Mannschaftswagen auf der südlichen, bisher ordnungskräftefreien Seite des Platzes positioniert hat und etwa 16 Polizisten auf dessen westlichen Teil Stellung bezogen haben, fragt Arne, der – tapfer – nicht bereit ist, sich hier ohne Weiteres nach Hause schicken zu lassen, den Polizeiführer, ob er die Versammlung auch unter Anwendung von Gewalt auflösen würde. „Das werden wir sehen“, antwortet dieser nach längerem Zögern zunächst ausweichend. Arne lässt nicht locker, und schließlich sagt der Polizist sinngemäß, dass dies bei Weigerung über ein gewisses Maß hinaus eintreten werde.

Erst jetzt lässt Arne ab, kündigt eine Klage gegen diese Verfahrensweise an und schlägt den vielleicht paarund30 verbliebenen Teilnehmern vor, sich gemeinsam in dem italienischen Restaurant zu stärken, das den Marktplatz von Westen her begrenzt. Denn wer es bei zudem laufender Räumungsfrist jetzt noch wagt, kundgebungsähnliches Verhalten an den Tag zu legen, der riskiert nichts anderes als polizeiliche Zwangsmaßnahmen. Die Farce in Sachen Grundrechtsausübung scheint damit endgültig beendet.

Doch kaum haben sich einige von uns im Außenbereich der Gastronomie hingesetzt, kommt der Wirt und fordert die Nicht-Mehr-Demonstranten auf, das Etablissement umgehend zu verlassen, denn so laute die polizeiliche Anordnung: Wir alle haben nun Platzverweis für ganz Kleinmachnow. Einen kurzen, ungläubigen und sehr seltsamen Moment lang geht ein Zögern durch die Gruppe – noch ist ein Rest von rechtsstaatlicher Erwartungshaltung bei uns vorhanden, der diesen immer deutlicher werdenden Akt der Willkür schlicht nicht für möglich halten möchte: Aber so langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Das hier ist bitterer Ernst bzw. aktueller Stand des ‚exekutiven Rechts‘. Eine viertel Stunde später finden wir, wieder auf Berliner Seite, ein anderes Restaurant, das uns gern bedient. Vermutlich hätte das der Italiener in Kleinmachnow am liebsten auch getan.

07.08. | Deutsches Technikmuseum am Gleisdreieck (Kreuzberg) / Berliner Dom (Mitte) |

Ab 14 Uhr soll ein Schweigemarsch zum Gedenken an das am 01.08. gestorbene Gründungsmitglied der Partei dieBasis, Sascha, mit dem Ziel Rotes Rathaus starten. Dort soll dann eine ‚Kundgebung fürdie Demokratie‘ stattfinden. Vor dem technischen Museum, um die Stelle herum, an der – auch schon in den vergangenen Tagen – Blumen, Grablichter und ein Kranz zum Andenken an Sascha niedergelegt wurden, haben sich rund 400 Menschen versammelt, und natürlich setzt selbst bei einem solchen Anlass der übliche Wahnsinn ein: das ewige Hin und Her zwischen polizeilichen Anweisungen, den Versuchen der Anmelder und Helfer, diese an die Teilnehmer weiterzugeben und deren zumeist konstruktiven, aber als nicht ausreichend befundenen Reaktionen. All diese Probleme könnten dadurch vermieden werden, dass die Polizei den Zug schlicht starten ließe, woraufhin sich die Mindestabstände durch Entzerrung der kreisförmigen Ansammlung automatisch bilden würden – wie dies nach vielen stressigen Minuten irgendwann auch geschieht.

Bis dahin bedarf es jedoch noch etlicher Ordnungs-Aufrufe der Rechtsanwältin Viviane Fischer vom Dach eines historischen Feuerwehrautos aus, auf dem auch Mikro und Boxen stehen – verbunden mit ihrer kurzen Einführungsrede, in der sie betont, es handele sich hier nicht um eine politische Demonstration, sondern um einen Trauermarsch. Zusammen mit einem Mitglied der Basis melde ich mich für das Anführen des ausladenden Fahrzeugs, denn aus Sicht der Beamten fehlt es auch hier noch an Ordnern.

Um etwa 15:20 setzt sich der Zug endlich in Bewegung. Sofort entspannt sich die Lage: Alle Anwesenden verhalten sich friedlich und halten die Abstände ein. Nur zweimal passieren wir jeweils etwa 10 bis 15 recht junge Mitglieder der ‚Antifa‘, die irgendwelche eingeprobten Sprechchöre skandieren, in denen – ganz wichtig – die Worte „Nazis und Faschisten“ rauszuhören sind; selbst wenn es um einen Toten geht, wird hier gnadenlos mit Missachtung und Verleumdungen ‚gearbeitet‘.

Um ca. 17:10 erreichen wir den Berliner Dom. Dort hält der Zug; die Polizei selbst schlägt vor, die Abschlusskundgebung hier durchzuführen, denn der Zug ist unterwegs auf mind. 1.300 Menschen angewachsen, und man macht sich wohl Sorgen, dass der Platz vor dem Roten Rathaus für diese Menge zu eng werden könnte. Dieses Angebot wird von den Anmeldern gern angenommen. Es folgt die etwa 40-minütige Schlusskundgebung: Frank Rödel, einer der Gründer der Basis, erzählt von Saschas Leben und dessen großem Engagement, auch dessen Kunstfigur ‚El Chancho‘ erwähnt und würdigt er. Der suspendierte Polizeihauptkommissar Michael Fritsch redet seinen Kollegen ins Gewissen, und auch RA Fischer spricht nochmal. Schließlich sorgen Arne Schmitt, Björn Banane und zuletzt Captain Future – nun wieder mit Cape und Brille, die am 01.08. ja konfisziert worden waren – für musikalische Beiträge, bis zuletzt ein Tanzlied die Veranstaltung beschließt.

Fazit: Auch wenn diese letzte Veranstaltung zwar nicht normal, aber im Anschluss an den fast abgebrochenen Beginn noch einigermaßen geordnet hatte stattfinden können, erlebte ich diese seltsame Woche, mit bedingter Ausnahme der Kundgebung in Potsdam am 04.08., als ein von Tag zu Tag spürbares Schrumpfen der sowieso schon sehr beschnittenen freiheitlichen Grundrechte in diesem Land. Es war der Exekutive sowie den entscheidenden Gerichten in allererster Linie darum gegangen, den Widerstand gegen die herrschende Politik möglichst kleinzuhalten, seine Träger wie seine Masse einzuschüchtern und dessen Öffentlichwerdung möglichst wegzudrängen. Ob das noch einmal gelungen ist, das wird die zukünftige mittelfristige Entwicklung zeigen, und natürlich auch der Ausgang der Bundestagswahlen am 26. September.

Ich bedauere dies zutiefst, muss aber bekennen: Ich fürchte, die restriktiven, ja gefährlichen Entwicklungen müssen erst noch weiter zunehmen, sei es im legislativen, judikativen, behördlichen, medialen oder exekutiven Bereich, bevor es endlich wieder heller werden kann am gesellschaftlichen Himmel. Ich hoffe sehr, dass ich hier falsch liege.

Wie vieler zurechtgeschnitzter ‚Novellierungen‘ des IfSG bedarf es noch? Wie vieler Hausdurchsuchungen kritischer Richter, Professoren und Ärzte? Müssen die in den Polizei-Ordern immer häufiger festgeschriebenen ’niedrigen Eingriffsschwellen‘ tatsächlich erst noch niedriger angesetzt werden – will heißen Enthemmungsschwellen, die nicht mehr nur im Falle von „Straftätern“ zur Anwendung kommen, sondern zunehmend eben auch bei „Teilnehmern einer verbotenen Versammlung“, was bis vor nicht allzu langer Zeit (und eigentlich bis heute …) noch als reine Ordnungswidrigkeit gegolten hatte? Oder muss es auf ganz anderen Gebieten, z.B. im Gesundheitssektor, tatsächlich erst zu noch schlimmeren Ereignissen bzw. deren Häufungen kommen – wie den von der Europäischen Datenbank mit Datenstand vom 01.10.21 offiziell bestätigten, europaweit mittlerweile über 15.500 Todesfällen (bei einer durch Studien ermittelten, allgemeinen Dunkelziffer von mind. 94%!), den über 21.600 ‚lebensbedrohlichen Zwischenfällen‘ sowie den über 20.200 ‚Fällen mit bleibenden Schäden‘ infolge einer Corona-Impfung [Quelle: Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen → https://www.impfnebenwirkungen.net/report.pdf | s. S. 7, 9 – 11 | dringend anschauen!], bevor der Mehrheit schließlich und endlich klar wird, dass wir uns mitten in einem trojanischen Krieg höchster Ordnung befinden, in welchem Wahrheit, Wahrhaftigkeit und, noch grundlegender, Empathie und Humanität in der herrschenden Politik längst auf der Strecke geblieben sind?

Jan Veil ist unabhängiger Aktivist und sieht neben gesellschafts- und geopolitischer Aufklärungsarbeit seine Hauptaufgabe in einer möglichst ‚barrierefreien‘ Vernetzung innerhalb der Demokratie- und Friedensbewegung. Er gehört der strömungsübergreifenden Bewegung ‚Freie Linke‘ an, ist Gründer des Frankfurter Arbeitskreises ‚Forderungen und Zielvorstellungen‘ und u.a. gelegentlich als Verfasser von Artikeln zum Zeitgeschehen tätig. Studium der Germanistik, der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie der Psychologie. Mehrere internationale Veröffentlichungen als Sänger und Texter von ‚Moskwa TV‘ sowie solo als ‚Ion Javelin‘.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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