In einem faszinierenden Gespräch mit Judge Andrew Napolitano für die Sendung Judging Freedom am 17. September 2025 lieferte der renommierte Journalist und Geopolitik-Experte Pepe Escobar aus Westchina tiefgehende Einblicke in die aktuelle Lage Chinas, seine strategische Partnerschaft mit Russland und die globalen Implikationen dieser Entwicklungen. Escobar, der sich selbst als „auf der Straße lebend“ beschreibt, berichtet von seiner Reise entlang der Neuen Seidenstraße und beleuchtet die wirtschaftliche, politische und militärische Stärke Chinas sowie dessen Rolle in einer sich wandelnden Weltordnung. Der folgende Artikel fasst die wichtigsten Punkte seines Gesprächs zusammen und vertieft sie in einem umfassenden Überblick.
Eine Analyse von Pepe Escobar

Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China
Escobar beschreibt die Beziehung zwischen Russland und China als die bisher stärkste Phase ihrer strategischen Partnerschaft. Diese wurde kürzlich durch Präsident Wladimir Putin und Präsident Xi Jinping bei mehreren Gelegenheiten bestätigt, darunter der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Tansania und ein anschließendes privates Treffen in Peking. Besonders prägnant war Putins Teilnahme an der Parade zum Tag des Sieges über die japanische Aggression in Peking, wo er als Ehrengast hervorgehoben wurde.
Diese Partnerschaft markiert laut Escobar einen Paradigmenwechsel in den internationalen Beziehungen. Russland und China arbeiten gemeinsam daran, die hegemoniale Logik des Westens, insbesondere der USA, herauszufordern. Dieser Wandel wird von der globalen Mehrheit – den Ländern des globalen Südens – unterstützt, die in dieser Partnerschaft eine Alternative zur westlichen Dominanz sehen. Escobar betont, dass die westlichen Eliten, insbesondere in den USA, diesen Wandel nicht akzeptieren können, da sie weiterhin an der Vorstellung eines „amerikanischen Jahrhunderts“ und ihrer außergewöhnlichen Rolle in der Welt festhalten. Diese Haltung führt zu einer tief verwurzelten Xenophobie gegenüber China und einem Unverständnis für dessen Vision einer „Gemeinschaft mit geteilter Zukunft für die Menschheit“.
Chinas wirtschaftliche Stärke und Modernisierung
Ein zentraler Punkt in Escobars Analyse ist die beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung Chinas, die er auf seiner Reise entlang der Neuen Seidenstraße hautnah erlebt. In der Stadt Lanzhou in der Provinz Gansu, einem wichtigen Knotenpunkt der Seidenstraße, beobachtete er die Modernisierung Chinas in Echtzeit. Hochgeschwindigkeitszüge, elektrische SUVs, Solarpanel-„Wälder“ und Windkraftanlagen prägen das Bild eines Landes, das sich in den letzten Jahrzehnten von einem Entwicklungsland zu einer mittelständischen Gesellschaft mit 1,3 Milliarden Menschen gewandelt hat.
Escobar hebt hervor, dass Chinas Wohlstand nicht auf westlichem Schuldenmodell basiert, sondern auf Ersparnissen und produktiven Investitionen. Dies unterscheidet das chinesische Wirtschaftsmodell grundlegend vom spekulativen Kapitalismus, wie er etwa an der Wall Street praktiziert wird. Die Planwirtschaft Chinas, die sich in Fünfjahresplänen und langfristigen Strategien wie „Made in China 2025“ manifestiert, hat das Land in nur zehn Jahren an die Spitze von acht von zehn Schlüsseltechnologien gebracht, darunter Solarenergie und Quantencomputing. Diese strategische Planung, gepaart mit einer meritokratischen und effizienten Organisation, ist der Kern der chinesischen Erfolgsgeschichte.
Escobar beschreibt, wie die Modernisierung nicht nur in den Metropolen, sondern auch in kleineren Städten im Westen Chinas sichtbar wird. Selbst abgelegene Regionen sind durch Hochgeschwindigkeitszüge, elektrische Verkehrsmittel und moderne Infrastruktur geprägt. Dies steht in starkem Kontrast zu den 1980er- und 1990er-Jahren, als China noch weit davon entfernt war, eine Mittelschichtgesellschaft zu sein.
Die Neue Seidenstraße und globale Institutionen
Die Neue Seidenstraße, die 2013 ins Leben gerufen wurde, ist ein zentrales Element von Chinas globaler Strategie. Escobar berichtet aus Lanzhou, einem wichtigen Handels- und Industriezentrum, das die Verbindung zwischen Ost- und Westchina symbolisiert. Neben der Seidenstraße hat China neue institutionelle Mechanismen wie die Asiatische Infrastrukturinvestitionsbank (AIIB) und die BRICS-Entwicklungsbank in Shanghai geschaffen. Diese Institutionen bilden die Grundlage für eine alternative globale Ordnung, die in Zusammenarbeit mit Russland und anderen Partnern wie den BRICS-Staaten und der SOZ vorangetrieben wird.
Die Reform des internationalen Systems, wie es seit 1945 besteht, ist ein Kernziel dieser Bemühungen. Escobar betont, dass die Vereinten Nationen in ihrer aktuellen Form nicht reformierbar seien, weshalb China und seine Partner neue Strukturen schaffen, um die Interessen der globalen Mehrheit zu repräsentieren. Dies schließt die Schaffung eines eigenen Clearingsystems innerhalb der SOZ ein, um westliche Kontrolle über Finanzströme, wie etwa durch Euroclear in Belgien, zu umgehen. Solche Maßnahmen sollen sicherstellen, dass Vermögenswerte von Ländern wie Russland nicht mehr eingefroren oder beschlagnahmt werden können.
Chinas Soft Power und Beziehungen zum globalen Süden
Im Gegensatz zu westlichen Staaten, die oft protektionistische Maßnahmen wie hohe Zölle gegen ihre Verbündeten verhängen, verfolgt China eine andere Strategie. Escobar hebt hervor, dass China regelmäßig Schulden von afrikanischen Nationen erlässt und aus Fehlern in frühen Projekten der Neuen Seidenstraße lernt. Statt nur chinesische Unternehmen einzusetzen, integriert China nun lokale Arbeitskräfte und Unternehmen in seine Projekte, um nachhaltigere Partnerschaften aufzubauen.
Die Botschaft Chinas an den globalen Süden ist klar: „Wir teilen unsere Erfahrungen aus unserem Modernisierungsprozess, aber ihr müsst nicht unser Modell kopieren.“ Dieses Angebot der Zusammenarbeit, ohne die eigene Kultur oder politische Struktur aufzuzwingen, stärkt Chinas Soft Power erheblich. Escobar betont, dass der Handel mit der ASEAN-Region (17 % des chinesischen Handels) wichtiger ist als der mit den USA (9 %) oder der EU (13 %), was die wachsende Bedeutung Südostasiens für China unterstreicht.
Die Rolle von Xi Jinping und die Wahrnehmung in China
Präsident Xi Jinping genießt laut Escobar breite Unterstützung in der chinesischen Bevölkerung, die von der massiven Verbesserung des Lebensstandards profitiert hat. Seine Vision der „chinesischen Modernisierung“, wie sie in einer Sammlung seiner Reden und Schriften dokumentiert ist, wird als Leitlinie für Chinas Entwicklung verstanden. Xi hat bereits vor Jahren Konzepte wie globale Governance und wahre Multilateralität ohne Doppelmoral formuliert, die nun in internationalen Foren wie der SOZ umgesetzt werden.
Die chinesische Gesellschaft ist hoch organisiert, meritokratisch und pragmatisch. Wenn etwas nicht funktioniert, wird es angepasst – ein Ansatz, der in Escobars Augen die Effizienz des Systems erklärt. Diese Merkmale spiegeln sich auch in der Wahrnehmung Xis wider, der als Architekt dieser Modernisierung gilt.
Die militärische Stärke Chinas
Die militärische Macht Chinas wurde bei der Parade in Peking eindrucksvoll demonstriert, die Escobar als beispiellos beschreibt. Er zitiert einen ehemaligen Oberst der Volksbefreiungsarmee, der betonte, dass die gezeigten Waffen bereits einsatzbereit sind, während neuere Entwicklungen bewusst nicht öffentlich gemacht werden. Ähnlich wie Russland zeigt China seine militärischen Fähigkeiten erst, wenn sie voll funktionsfähig sind. Ein Beispiel ist das System der „Unterwasser-Großen Mauer“, ein Netzwerk von Sonaren, das die Bewegungen im Südchinesischen Meer überwacht.
Escobar betont, dass China nicht auf Konfrontation aus ist, sondern sich auf mögliche Provokationen vorbereitet, etwa durch die USA oder deren Verbündete in Taiwan oder den Philippinen. Die chinesische Führung sieht westliche Drohgebärden, wie etwa die eines US-Verteidigungsministers, mit einer Mischung aus Belustigung und Geringschätzung, indem sie diese als „barbarisch“ bezeichnet.
Die Rolle von Indien und die Zukunft der BRICS
Die strategische Partnerschaft zwischen Russland, Indien und China (RIC) ist ein zentraler Baustein der BRICS-Gruppe. Escobar verweist auf den russischen Außenminister Jewgeni Primakow, der Ende der 1990er-Jahre die Idee eines Zusammenschlusses dieser drei asiatischen Mächte entwickelte. Die jüngsten Bilder von Putin, Xi und dem indischen Premierminister Narendra Modi beim SOZ-Gipfel symbolisieren die Wiederbelebung dieser Idee, wobei Putin als Vermittler zwischen Indien und China fungiert – zwei Ländern mit historischen Spannungen.
Die langfristigen Ziele der BRICS und verwandter Organisationen wie der SOZ bestehen darin, eine neue Form der globalen Governance zu schaffen, die auf Gleichheit und Multilateralität basiert. Dies schließt die Entwicklung alternativer Finanz- und Handelssysteme ein, die unabhängig von westlicher Kontrolle sind. Indien bleibt jedoch eine Herausforderung, da seine Eliten stark westlich geprägt sind. Dennoch sieht Escobar Fortschritte, da Länder wie Indonesien und Iran zunehmend an Bord kommen.
Taiwan und die geopolitische Lage
Die Frage nach Taiwan wird von Escobar als weitgehend von den USA aufgebauscht betrachtet. China hält an der von Deng Xiaoping formulierten Linie fest, dass die Wiedervereinigung mit Taiwan bis 2049 auf friedlichem Wege erfolgen soll, ähnlich dem Modell „Ein Land, zwei Systeme“, das in Hongkong erfolgreich umgesetzt wurde. Escobar betont, dass China keine aggressiven Pläne verfolgt, sondern auf externe Provokationen reagieren würde, sollte es dazu kommen.
Fazit: Ein neues Zeitalter der internationalen Beziehungen
Pepe Escobars Analyse zeigt ein China, das sich selbstbewusst als globale Macht etabliert, nicht durch militärische Aggression, sondern durch wirtschaftliche Stärke, strategische Planung und Soft Power. Die Partnerschaft mit Russland und die Integration des globalen Südens in Projekte wie die Neue Seidenstraße und BRICS markieren den Beginn einer neuen Ära in den internationalen Beziehungen. Für den Westen ist dies eine Herausforderung, die tief verwurzelte Vorstellungen von Hegemonie und Exceptionalismus infrage stellt. Escobars Bericht aus dem Herzen Chinas ist ein Weckruf für die westliche Welt, die Realitäten dieser Veränderungen zu erkennen und die Augen für die beeindruckende Transformation eines Landes zu öffnen, das die globale Ordnung nachhaltig prägt.
Quelle: uncutnews.ch
Pepe Escobar ist ein brasilianischer investigativer Journalist. Er analysiert geopolitische Zusammenhänge. Er schrieb regelmäßig zwischen 2010 und 2014 die Kolumne „The Roving Eye“ für die Asia Times Online. In Brasilien schrieb er für die Zeitungen Folha de S. Paulo, O Estado de S. Paulo und Gazeta Mercantil.
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