In einer faszinierenden Live-Übertragung aus Kaschgar, China, sprach der renommierte Journalist und Geopolitik-Experte Pepe Escobar mit Richter Andrew Napolitano für die Sendung Judging Freedom. Die Diskussion, die am 2. Oktober 2025 stattfand, bot tiefgehende Einblicke in die aktuellen geopolitischen Spannungen zwischen Iran, den USA und Israel sowie in die Entwicklung des globalen Südens, insbesondere Chinas. Escobar, der sich in Kaschgar, einer Stadt mit 4 Millionen Einwohnern in der Provinz Xinjiang, befand, berichtete nicht nur von seiner Dokumentarreise entlang der Seidenstraße, sondern analysierte auch die brisanten Pläne für den Nahen Osten und die möglichen Reaktionen Irans auf drohende Angriffe. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Punkte des Gesprächs zusammen und beleuchtet die komplexen globalen Dynamiken aus Escobars Perspektive
Eine geopolitische Analyse von Pepe Escobar

Kaschgar: Ein Schaufenster der chinesischen Entwicklung
Pepe Escobar sprach aus Kaschgar, einer historischen Stadt an der Seidenstraße, die etwa 5.000 Kilometer von Peking und Shanghai entfernt liegt. Die Stadt, die Escobar als „letzte große Stadt vor der Grenze zu Pakistan“ beschreibt, ist ein Symbol für Chinas ehrgeizige Entwicklungspläne im Westen des Landes. Escobar betonte die beeindruckende Infrastruktur, die er in Xinjiang gesehen hat: moderne Städte wie Urumqi, die mit Shanghai oder Peking vergleichbar sind, Solar- und Windkraftanlagen sowie eine florierende Tourismusbranche.
Im Jahr 2024 besuchten laut Escobar 300 Millionen chinesische Touristen Xinjiang – eine Zahl, die die gesamte Bevölkerung der Europäischen Union übertrifft. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zur Wahrnehmung des Westens, den Escobar als „progressiv selbstmörderisch“ beschreibt. Die Chinesen, so Escobar, betrachten den Westen zunehmend als Vergangenheit, während sie selbstbewusst ihre Rolle in einer „postwestlichen Welt“ übernehmen.
Die Region Xinjiang, mit einem BIP-Wachstum von 7 %, ist ein Paradebeispiel für Chinas wirtschaftlichen Aufstieg und die Integration in globale Handelsnetzwerke wie den China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) und die Belt-and-Road-Initiative (BRI).
Der Gaza-Plan: Neokolonialismus auf Steroiden
Ein zentrales Thema des Gesprächs war der sogenannte „Gaza-Plan“ von Steve Witkoff, Jared Kushner und Donald Trump, der die dauerhafte Unterdrückung der Palästinenser vorsieht. Escobar bezeichnete diesen Plan als „Neokolonialismus auf Steroiden“, insbesondere wegen der vorgeschlagenen Ernennung des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair zum „kolonialen Gouverneur“.
Dieser Vorschlag stößt bei der globalen Mehrheit – dem globalen Süden – auf vehemente Ablehnung. Selbst in Ländern wie Ägypten, der Türkei, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien, die teilweise von den USA abhängig sind, wäre die Akzeptanz dieses Plans politisch selbstmörderisch. Escobar betonte, dass die öffentliche Meinung in diesen Ländern eine Umsetzung unmöglich machen würde.
China spielt in diesem Kontext eine bedeutende Rolle, da es kürzlich alle 17 palästinensischen Fraktionen in Peking zu Verhandlungen zusammenbrachte, um ihre Einheit zu fördern. Die direkte Attacke Israels auf palästinensische Führer wie Ismail Haniyeh unmittelbar nach diesen Gesprächen zeigt, wie sehr solche Initiativen den Interessen des „zionistischen Axis“ entgegenstehen. Escobar wies darauf hin, dass die chinesische Außenpolitik bisher zurückhaltend reagiert hat, was auf die strategische Zurückhaltung Pekings zurückzuführen ist.
Iran: Bereit für den Konflikt?
Die drohenden Angriffe der USA und Israels auf Iran waren ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs. Escobar betonte, dass Iran seit dem letzten Angriff im Juni 2025 gut vorbereitet ist. Die Islamische Revolutionsgarde (IRGC) habe neue, noch nicht eingesetzte Waffensysteme, darunter hypersonische Raketen, die im Falle eines Angriffs zum Einsatz kommen könnten. Iran sei nicht von einzelnen Führern abhängig, sondern verfüge über eine robuste Struktur, die auch nach der „Enthauptung“ von Führungskräften intakt bleibt.
Escobar wies darauf hin, dass Iran sich bewusst ist, dass ein Angriff von Israel und den USA Teil eines größeren Krieges gegen die BRICS-Staaten und die Integration des globalen Südens ist. Die Unterstützung für Iran durch Russland und China erfolgt zwar nicht offen, aber durch „Hintertürkanäle“ und im Rahmen von BRICS- und SCO-Strukturen. Diese Hilfe sei jedoch schwer zu quantifizieren, da sie auf höchster Ebene diskret gehandhabt wird.
Ein besonders brisanter Punkt ist die Haltung des iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian, der versucht, die USA zu beschwichtigen. Diese Strategie stößt jedoch auf Widerstand innerhalb der IRGC und der Kreise um Ayatollah Khamenei, die eine kompromisslose Haltung gegenüber Israel und den USA vertreten. Escobar betonte, dass Iran im Falle eines Angriffs mit einer „verheerenden“ Antwort reagieren würde, die keine Zurückhaltung kennen würde.
Russland und China: Beobachter oder Akteure?
Weder Russland noch China würden sich offen in einen Konflikt zwischen Iran und dem Westen einmischen, so Escobar. Dennoch gebe es eine klare Unterstützung im Hintergrund, die Teil der strategischen Zusammenarbeit innerhalb der BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) sei. Diese Zusammenarbeit sei besonders wichtig, da die aktuellen Spannungen als Angriff auf die Integration des globalen Südens wahrgenommen werden.
Escobar verwies auf die Aussagen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, der in seiner typischen diplomatischen Sprache die westlichen Pläne als „interessant“ bezeichnete, ohne sich festzulegen. Lawrows Kommentare zu den Tomahawk-Raketen, die möglicherweise an die Ukraine geliefert werden, verdeutlichen die russische Zurückhaltung, aber auch die klare Erkenntnis, dass solche Aktionen die militärische Lage nicht verändern würden.
In China hingegen herrscht laut Escobar eine gewisse Sprachlosigkeit angesichts der „kafkaesken Absurdität“ der westlichen Politik. Chinesische Analysten sehen einen „Kollaps der intellektuellen und strategischen Fähigkeiten“ der westlichen Eliten, insbesondere in den USA und der NATO. Diese Wahrnehmung wird durch die beeindruckende Entwicklung Xinjiangs und die Selbstsicherheit der chinesischen Bevölkerung verstärkt.
Die Rolle der „zionistischen Achse“
Ein wiederkehrendes Thema in Escobars Analyse ist die Macht der sogenannten „zionistischen Achse“, die er als treibende Kraft hinter den westlichen Aktionen im Nahen Osten beschreibt. Diese Achse, die sowohl in den USA als auch in Israel operiert, beeinflusst laut Escobar nicht nur die Politik, sondern auch den internationalen Handel, das Finanzsystem und sogar die Technologiebranche.
Als Beispiel nannte er die Kontrolle über TikTok in den USA, die er als „zionistischen Coup“ bezeichnete, da die Plattform von jüngeren Generationen genutzt wird, um die Situation in Palästina zu verstehen.
Die Frage, ob Donald Trump oder Benjamin Netanjahu die Kontrolle hat, beantwortete Escobar mit einer Metapher: „Ein Ouroboros, die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt.“ Dies verdeutlicht die wechselseitige Abhängigkeit und Verstärkung beider Seiten, die ein geschlossenes System bilden, das schwer zu durchbrechen ist.
Fazit
Pepe Escobars Gespräch aus Kaschgar bietet einen einzigartigen Einblick in die geopolitischen Dynamiken des Jahres 2025. Während China und der globale Süden ihren Aufstieg mit Selbstbewusstsein und wirtschaftlicher Stärke vorantreiben, sieht Escobar den Westen in einem Zustand des Niedergangs, geprägt von strategischer Kurzsichtigkeit und innerer Zerrissenheit.
Iran steht im Zentrum eines drohenden Konflikts, ist jedoch gut vorbereitet und wird durch die stillschweigende Unterstützung von BRICS und SCO gestärkt. Der Gaza-Plan und die neokolonialen Ambitionen des Westens stoßen auf breite Ablehnung, während die „zionistische Achse“ weiterhin die globalen Spannungen anheizt.
Escobars Bericht aus Xinjiang unterstreicht zudem die wachsende Kluft zwischen der westlichen und der postwestlichen Welt. Während Kaschgar als Symbol für Chinas Fortschritt und Selbstbewusstsein steht, bleibt der Westen in alten Denkmustern gefangen, die ihn zunehmend isolieren. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Iran in der Lage ist, sich gegen die geplanten Angriffe zu behaupten und welche Rolle die BRICS-Staaten in diesem globalen Schachspiel spielen werden.
Quelle: uncutnews.ch
Pepe Escobar ist ein brasilianischer investigativer Journalist. Er analysiert geopolitische Zusammenhänge. Er schrieb regelmäßig zwischen 2010 und 2014 die Kolumne „The Roving Eye“ für die Asia Times Online. In Brasilien schrieb er für die Zeitungen Folha de S. Paulo, O Estado de S. Paulo und Gazeta Mercantil.
Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.