Lacht die politische Klasse aus, wo ihr sie trefft!

Ein Bundesminister belustigt Sie und Sie müssen lachen? Hören Sie bloß auf mit dieser Staatsdelegitimierung!

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Lachende Menschen, KI-generiert.
Quelle: Dieses Bild wurde mittels Grok entwickelt.

Bärbel Bas war sichtlich getroffen, als sie auf offener Bühne ausgelacht wurde. Zurecht? Nicht zurecht? Ist das noch wichtig? Da saßen Unternehmer – denen sie Tage später dann den Kampf ansagen wollte; die Schmach saß wohl tief – und sie lachten über die Rentenpläne. Oder aber über eine Bundesarbeitsministerin, die auf eine Art über die Renten sprach, die nahelegte anzunehmen, die Frau wisse nicht so recht, wovon sie da spricht – denn egal wie man zu den Plänen der Bundesregierung in dieser Frage steht, dass man etwaige Mehrausgaben gar nicht merken würde, weil diese aus Steuermittel beglichen würden: Entschuldigung, aber warum beleidigt Bas die Intelligenz ihrer Zuhörer so schamlos?

Also haben die Unternehmer gelacht. Und dann gleich darauf nochmal gelacht, weil sie sich in Irrungen und Wirrungen verstrickte. Bas erklärte, dass das gar nicht lustig sei. Aber so geht es schließlich immer zu, wenn gelacht wird. Die einen finden Mario Barth witzig, die anderen verstehen nicht, wie man darüber lachen kann. Andere wiederum lachen bei Monty Python und wieder andere haben wenig Glück beim Denken und verstehen Monty Python nicht und wissen nicht ganz sicher, wo sie lachen sollen, um gebildet zu wirken. Bei Bärbel Bas gab es einige Ebenen, die zum Lachen anregten: Die plumpe Anbiederung an das versammelte Unternehmertum, die nicht vertuschen konnte, dass sie auf Rentenpfaden unangenehm kompetenzbefreit auftrat – und dass sie Steuergeld für einen nicht versiegenden Stoff hält. Dann ihr Gestotter, als das Lachen bereits einsetzte, der Augenblick, in der ihr dämmerte, dass ihr das eigentlich zum Himmel stank – das war keine hohe Schule der Komödie, um Himmels willen, die Protagonisten einer deutschen Bundesregierung dürfen gar nichts richtig virtuos können, denn das würde das Volk nur verunsichern. Aber es war dennoch in seiner laienhaften Form recht unterhaltsam. Kleinkunst wird eben oft unterschätzt.

Die verlachte Autorität

Natürlich konnten die Sozialdemokraten, die Genossinnen und Genossen der Bärbel Bas, das nicht auf ihrer Ministerin sitzen lassen. Matthias Miersch, SPD-Fraktionschef im Bundestag, machte auf einer Pressekonferenz eines mal ganz deutlich: Über eine Bundesministerin zu lachen, das »geht überhaupt nicht«. Ach wirklich? Dass es geht, wurde doch für jedermann hörbar bewiesen – und es war auch gar nicht schwer. Die Arbeitgeber lachten – und das Publikum an den Endgeräten auch. Ganz einfach, ganz unkompliziert. Was Miersch freilich weiß, denn seine Erklärung leitete er mit Worten ein, die immer zum Einsatz kommen, wenn man kein Argument zur Hand hat: »Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das Auslachen einer Ministerin an dieser Stelle überhaupt nicht geht.« Sind wir uns da alle einig? Und wer verhandelt denn die Einigung an dieser Stelle? Und warum sollte es da überhaupt eine Einigung geben müssen?

Alexander Schweitzer, SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, legte beim ZDF nach. Bei Markus Lanz bestätigte er Miersch‘ Worte und machte deutlich, dass es dabei auch völlig einerlei sei, ob eine Ministerin – oder ein Minister – Blödsinn verzapft oder nicht: Gelacht würde dennoch nicht. Das ist eine interessante Betrachtung, denn der Bürger, immer noch versaut aus Zeiten, da man Politiker noch verspotten und sogar verunglimpfen durfte, geht ja wirklich vom Gegenteil aus: Egal was ein Minister auch für kluge Dinge sagt – gelacht werden darf dennoch. Was will man denn dagegen machen? Lars Klingbeil legte dann bei Maischberger nach: Bas sei im Grunde bloß ausgelacht worden, weil sie eine Frau sei, eine Ministerin. Da war es wieder, das beliebte Erklärungsmuster aus der Mottenkiste des Infantilismus. Dabei wissen wir alle gar nicht sicher, wie sich die Arbeitsministerin selbst identifiziert.

Die SPD-Kamarilla erinnert dieser Tage an jenen Jorge de Burgos, der in Umberto Ecos »Der Name der Rose« einen mörderischen Feldzug gegen die Komödie begonnen hat. Denn das Lachen würde die Religion der Lächerlichkeit preisgeben – als blinder Mönch im Mittelalter, als den Eco uns Jorge vorstellt, hatte man sicherlich nicht sonderlich viel zu lachen. Den Humor verabscheut Jorge außerdem, weil er die Autorität untergrabe – wer über die Mächtigen lacht, nimmt sie ein Stück weit weniger ernst. Jorge de Burgos vergiftete jene, die sich Aristoteles‘ zweites Buch über die Poetik ausliehen, indem er die Seiten des Werkes mit Gift tränkte. Denn in diesem in der Realität verschollenen (oder auch nur angenommenen) Buch des alten Griechen wird die menschliche Gabe des Lachens als Befreiung thematisiert. Und Menschen, die eine Befreiung verspüren, vergessen am Ende noch, dass sie genau das nicht sein sollen. Vergiften hilft dann weiter. So weit gehen unsere Sozis heute freilich nicht, auch wenn sie durchaus auch religiös sind, wennglich völlig gottvergessen. Wie der Mönch aus jenem Roman, so empfinden auch sie das Lachen als Gefahr für ihre Autorität.

Der humorvolle Mensch als Gefährder

Ja, natürlich, Sie haben ja recht: Diese Leute haben gar keine Autorität. Sie bilden sie sich nur ein. Wenn sie nun erfahren, dass sie auf einer Bühne nicht ausgebuht werden, sondern verlacht, dann spielt da ein Stück weit auch die Auflösung ihrer eigenen Lebenslüge mit. Und das tut regelrecht weh, wenn die Wirklichkeit reinschaut. Fragen kommen dann auf: Was – wir sind gar nicht unantastbar? Was – man hasst uns nicht einfach nur, man sieht uns als Witzfiguren an? Dass der Souverän das darf, ist ihnen in diesem Moment natürlich schleierhaft und auch nicht deren Priorität. Die eigene Hybris hält sich nicht kleinlich mit dem auf, was dem Volk gebührt und was nicht. Auf einer Bühne stehen und mit Buh-Rufen umzugehen, das kann diese politische Kaste freilich viel besser aushalten. Denn ausgebuht zu werden, nährt den eigenen Status heutiger Politiker. So eine Erfahrung nutzen sie schamlos aus, um mal wieder darzulegen, welches grandiose Opfer sie doch für uns alle erbracht haben, weil sie sich selbstlos für eine Laufbahn in der Politik entschieden. Beschimpft zu werden ist ein Lebenselixier für jene Politiker, denn aus den Ehrabschneidungen ziehen sie ihre Gewissheit, die besten Menschen zu sein, die je auf diesem Planeten existiert haben.

Wenn aber gelacht wird, dann können sie damit nicht umgehen. Wer schimpft, der ist rechts, der gefährdet den Staat. Aber einem Lachenden diesen Vorwurf zu unterbreiten: Das ist doch unglaubhaft! Rechte lachen auch nicht. Wie sollten sie das auch, wo sie doch ständig die Zähne fletschen? Aber wie sind hier nicht zum Lachen, sondern aus ernsten Gründen, daher seriös weiter im Text: Nur aus dem zur Schau gestellten Leidensdruck durch zuteilgewordene Unflätigkeit, lässt sich in dieser Republik von der politischen Klasse emotionaler Profit herausschlagen. Der Auslachende ist insofern auch eine vergebene Chance, weil sich kein Kapital aus seinem Spott ziehen lässt. Die, die den Politiker beschimpfen, nehmen ihn schließlich noch immer ernst – der Lachende zeigt mit seiner Handlung an, dass er genau dies nicht tut. Er führt den Adressaten seines Spottes vor, sein Lachen befreit ihn von den Allüren politischer Schranzen, die sich viel zu wichtig nehmen und die ihre eigentlich Unwichtigkeit erst spüren, wenn sie in der Belustigung zu einem bloßen Sujet allgemeinen Vergnügens degradiert werden.

In Zeiten, in denen Kritik an Politiker prompt als Einfallstor der Delegitimierung des Staates bewertet wird und man üble Nachrede und Verleumdung von Personen des politischen Lebens strafgesetzlich verschärfte, kommen natürlich beim Lachen der Anderen schnell Phantasien nach oben, die aus der Zeit gefallen scheinen. In Deutschland galt es in besonders dunklen Jahren als Straftat, wenn man die Partei und deren Mitglieder lächerlich machte – dieses Vergnügen fiel unter Heimtücke. Wissen Miersch und Konsorten das denn? Ist ihnen klar, dass sie eine Rolle einnehmen, die sie sonst den Protagonisten einer anderen Partei unterstellen? Wann fordern diese Unauslachbaren denn die Verschärfung des §188 StGB, wonach man nun auch nicht mehr über Personen des politischen Lebens lachen darf? Denn wer lacht, der gefährdet alles – der humorvolle Mensch ist ein Gefährder, der den Staat, uns, unsere Demokratie riskiert. Dagegen muss man vorgehen! Vielleicht auch gegen diesen kurzen Artikel, der am Ende eines empfehlen möchte: Liebe Leute, lacht die politische Klasse aus, wo ihr sie trefft! Wischt euch die Lachtränen aus dem Gesicht! Kriegt euch nicht mehr ein! Die Frage ist jetzt nur, ob man nur Ministerinnen und Minister nicht auslachen dürfen soll, wie die Leichenbittersozis meinen – oder auch Fraktionsvorsitzende und Ministerpräsidenten nicht. Vielleicht gibt Matthias Miersch ja nochmal eine Pressekonferenz zur Klärung dieser Frage.

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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