Mit einer Parade durch Berlin-Mitte machen am Montag Sinti und Roma auf sich aufmerksam. Das ist auch ein Tag des Kampfes für Demokratie und Menschenrechte, sagt Veronika vom Vorstand von „Rohmaterial“, einer 2012 gegründeten Roma-Selbstorganisation.
Seit 1971 gilt der 8. April als der Internationale Tag der Roma. Damals vor 53 Jahren fand der erste Roma-Kongress in London statt.
Patočková erzählte in einem am Montag ausgestrahlten Interview mit dem Sender „Deutschlandfunk Kultur“, dass die Parade neben Fest und Spaß mit konkreten politischen Forderungen verbunden ist.
Mit dem Motto „Wir sind hier“ wollen die Aktivisten darauf aufmerksam machen, dass Sinti und Roma immer noch viel zu unsichtbar bleiben, auch mit ihren Erfolgsgeschichten, Diversitäten und Widerstandsfähigkeiten. Eine der Forderung sei „Wir bleiben hier“. Viele junge im Menschen im Verein, die nicht aus Deutschland stammen, seien verunsichert. Das sei verheerend, so Patočková, diese jungen Menschen „gehören eigentlich zur Zukunft Deutschlands“.
„Sinti und Roma sind die größte ethnische Minderheit Europas mit etwa 10 bis 15 Millionen Menschen nur in Europa. Und diese Menschen müssen ja immer noch für ihre Rechte kämpfen“, sagte Patočková.
Aber es soll nach ihren Worten ebenso ein Tag des Feierns sein und ein Tag, wo sich Menschen trauen, auf die Straße zu gehen und sich mit ihrer ganzen Identität zu zeigen. Das passiere immer noch zu selten. Die Feier soll durch das „fette Konzert“ der Mahala Rai Banda am Abend in der Volksbühne gekrönt werden. Die elfköpfige Brass Band kommt aus Rumänien.
Das Thema Schule und Bildung für Sinti und Roma ist laut Patočková ein sehr spezifisches und gravierendes Thema. Sie machte auf vier Probleme aufmerksam, die Sinti und Roma im Bildungssystem begegnen würden. Das erste sei, dass viele erst einmal gar nicht beschult werden. Insbesondere in Berlin leben danach viele Kinder, die keinen Schulplatz erhalten. Die Verwaltung sei komplett überfordert.
„Die Diskriminierung von Sinti und Roma ist auch sehr massiv“, so Patočková. Ein weiteres Problem sei, dass die Schule tatsächlich „kein sicherer Ort für Sinti und Roma ist, wo man sich frei entfalten oder gar lernen könnte“. Es fehle meistens auch Schutz vor der Diskriminierung. Die Lehrkräfte seien damit überfordert.
Die vollständig fehlende Repräsentanz Sinti und Roma im Unterricht oder auch in Bildungsmaterialien ist laut dem Verein ein großes Problem. Es gebe keine Vorbilder und das Wissen, das in den Schulbüchern über Sinti und Roma ist, „ist oft immer noch rassistisch geprägt“.
Der vierte Punkt betreffe die Chancen im deutschen Bildungssystem.Es gebe eine sehr hohe Schulabbrecher-Quote und es haben auch etwa zehn Prozent der Sinti und Roma zum Beispiel Abitur erreicht, während in der Gesamtbevölkerung um die Helfte der Schülerinnen und Schüler ein Abitur hätten.
Schließlich erwähnt sie das Problem, „dass auch die Lehrkräfte ihre eigenen, wahrscheinlich auch oft unbewussten antizionistischen Denk und Handlungsmuster“ zu selten hinterfragen. Entsprechend hätten sie auch wenig Erwartungen an die Kinder und Jugendlichen aus den Gemeinschaften der Sinti und Roma und würden sie auch viel zu wenig fördern. In einer Studie haben nur 4,8 Prozent der befragten Sinti und Roma gesagt, dass sie Lehrkräfte als Unterstützung wahrgenommen haben in ihrer Schullaufbahn.
Das ist „verheerend“, so Patočková, wenn man in die Menschen, die einen auf dem Bildungsweg begleiten sollten, so wenig Vertrauen haben. „Wir müssten uns irgendwie dazu durcharbeiten, dass Sinti und Roma endlich als ein integraler Teil der deutschen und europäischen Gesellschaft gesehen werden, die seit Jahrhunderten ihre Beiträge zur Kultur, zu Wirtschaft, zu Politik, zu Demokratie leisten.“ Dafür setze sich der Verein ein.