Sahra Wagenknecht: „Klebt Euch lieber vor der US-Luftwaffenbasis in Ramstein fest!“ Krieg und Rüstung ist auf Kosten der Armen

  • POLITIK
  • November 28, 2023
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Trotz Kälte und Regen haben am Samstag tausende Menschen in Berlin für Abrüstung, Friedensverhandlungen und Diplomatie demonstriert. Im Vorfeld wurden 10.000 Teilnehmer angemeldet. Der Veranstalter zählte über 20.000, die Polizei sprach von 10.000. Dazu Mitinitiator Reiner Braun: „Es ist ja traditionell üblich, dass die Polizei versucht, Aktionen, die ihr nicht gefallen, kleinzurechnen und Aktionen, die die Regierungspolitik unterstützen, großzurechnen.“ Braun sprach von einem „Riesenerfolg“ und einem „Auftakt für die Wiederbelebung.“ .“ der Friedensbewegung“. Es sei erstmals seit langem wieder gelungen, eine bundesweite Demonstration der Friedensbewegung auf die Straße zu bringen.

Ein Beitrag von:  Hannes Becker

Shutterstock/ Mo Photography Berlin

Der Demo-Termin war nicht zufällig gewählt. In der kommenden Woche sollte eigentlich der Bundeshaushalt für das Jahr 2024 verabschiedet werden. Dies sah eine deutliche Steigerung der Militärausgaben vor. Allerdings hat die Ampel-Koalition die Abstimmung über den Haushalt vergangene Woche verschoben. Grund war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafonds. Die Ampel-Koalition wollte 60 Milliarden Euro, die für die Bewältigung der Folgen der Corona-Krise vorgesehen waren, aber nicht ausgegeben wurden, in Klimaprojekte umschichten. Die Demo-Initiatoren übten in ihrem Aufruf scharfe Kritik an den geplanten Militärausgaben für das kommende Jahr. Mit 85,5 Milliarden Euro seien das die größten seit Bestehen der Bundesrepublik. Gleichzeitig soll im Sozialbereich gekürzt werden. Die prominenteste Rednerin auf der Auftaktveranstaltung, Sahra Wagenknecht, findet hierzu klare Worte: „Vor allem geht es sofort wieder um Kürzungen bei denen, die sich am wenigsten wehren können.“ Arme, Kinder, Arbeitslose und Rentnerinnen und Rentner“.

Wagenknecht übte zudem scharfe Kritik am Kriegskurs der Ampel-Koalition. Sie nannten den SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzler Olaf Scholz „traurige Figuren“ im Vergleich zu Ex-SPD-Kanzler Willy Brandt. Als „noch schlimmer“ bezeichnete sie die Grünen. Man könnte sich „gar nicht mehr vorstellen, dass die Grünen mal aus der Friedensbewegung hervorgegangen sind, wenn man so hört, was dieser kriegsbesoffene Haufen heute so von sich gibt“. Mit Blick auf den Krieg in Gaza zeigte sie sich „entsetzt und schockiert“ über die „furchtbaren Massaker der islamistischen Hamas“ am 07. Oktober gegen die russische Zivilbevölkerung. Wagenknecht weiter: „Das waren Bilder, die uns alle zutiefst erschüttert haben.“ Genauso „schockiert und entsetzt“ solle man aber auch „über die rücksichtslosen Bombardements“ des Gaza-Streifens und „getötete palästinensische Frauen und Kinder“ sein. „Es kann doch hier nicht zwei Maßstäbe geben.“ „Wenn unschuldige Menschen sterben, dann ist das ein Verbrechen und das muss beendet werden“, so Wagenknecht, die eine neue Partei gründet. Sie betonte: „Wir haben die Verantwortung, das Existenzrecht Israels zu verteidigen.“ Aber diese Verantwortung verpflichtet uns nicht, die rücksichtslose Kriegsführung der Regierung Netanjahu als Selbstverteidigung schönzureden.“ Der Weg zum Frieden „führt über Diplomatie und Interessenausgleich und nicht über Waffen, Bomben und Brutalität.“ Während der Kundgebung waren immer wieder „Raus aus der NATO“ – Rufe zu hören.

Shutterstock/ Markus Wissmann

Wagenknecht kritisierte, dass zu wenig über die Vorgeschichte von Kriegen gesprochen werde. „Wer Frieden will, muss über die Hintergründe und die Profiteure von Kriegen reden und darf das nicht im Nebel moralisierender Empörungsrituale verdecken“, so Wagenknecht. Deshalb wollen sie zum Abschluss ihrer Rede den bekanntesten politischen Gefangenen des Westens, Julian Assange, in Erinnerung rufen. Dieser hatte mit seiner Aufdeckung von Kriegsverbrechen „statt jahrelanger Haft eigentlich die Ehrenbürgerwürde dieser Stadt Berlins und vieler anderer Städte verdient.“ 

Die ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau und Publizistin Gabriele Krone-Schmalz kritisierte in ihrer Rede die Heuchelei „wertegeleiteter Außenpolitik“ des Westens, der „offenbar kein Problem damit hat, die zivilen Opfer je nach Täter unter `Kriegsverbrechen` oder `Kollateralschäden‘ zu verbuchen „. Krone-Schmalz stellte klar: „Krieg, ganz gleich welcher, ist Barbarei.“ Krieg ist das Kriegsverbrechen.“ Den „Kampf bis zum letzten Blutstropfen“ ließe sich leicht fordern, „wenn man nicht selbst an die Front muss.“ Zum Russland- Der Ukraine-Konflikt zitierte Krone-Schmalz sinngemäß den SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi: „ Ja, der Krieg, den die Russen begonnen haben, ist ein Verbrechen. Aber dass der Westen ihn nicht verhindert hat, ist eine Sünde“. Dafür habe er einen Applaus verdient. Der „fatale Bekenntniszwang“ in Politik und Medien verhindere eine sachorientierte Lösung der Konflikte. Es geht jetzt darum, die Ausweitung von Kriegen zu verhindern und bestehende Kriege zu beenden. Deshalb bräuchte es wieder eine starke Friedensbewegung: „Die Menschen sollten sich nicht ins Boxhorn jagen lassen von den Salon-Intellektuellen, die von Lumpenpazifisten reden, und auch nicht davon, als gefallene Engel bezeichnet zu werden.“ Über die Wege zum Frieden dürfe und müssen gestritten werden. Aber angstfrei und natürlich faktenbasiert, denn „Propaganda können sie alle.“ Das ist kein Privileg Moskaus.“ 

Unter dem Motto „Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“ hatte die Initiative „Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder“ bundesweit dazu aufgerufen, in Berlin ein deutliches Zeichen gegen die „Rutschbahn in Richtung 3. Weltkrieg“ zu setzen . Hauptredner der Auftaktveranstaltung waren Sahra Wagenknecht, Gabriele Krone-Schmalz und Michael von der Schulenburg, ein ehemaliger deutscher Diplomat der OSZE und der UN. Im Anschluss setzte sich ein Protestmarsch durch das Regierungsviertel in Bewegung. Die Abschlusskundgebung fand ebenfalls am Brandenburger Tor statt. Dort redeten der Bundesvorsitzende der NaturFreunde Deutschlands eV Michael Müller und Ates Gürpinar, stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei DIE LINKE und Bundestagsabgeordneter. Müller appellierte: „Wir müssen begreifen, dass wir vor der doppelten Gefahr der Selbstvernichtung der Menschheit stehen“. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die beiden aktuellen Kriege und die Klimakrise: „Beide zusammen eröffnen den Niedergang der Menschheit.“ Gürpinar verurteilte die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Diese gehörten verboten, denn „jede Waffe findet ihren Krieg und zwar auf allen Seiten“. Er zeigte sich außerdem solidarisch mit allen, die den Dienst an der Waffe verweigern. 

Die Reden trafen auf großen Zuspruch. Viele Demonstranten wollten ein Zeichen für Friedensverhandlungen und gegen Waffenlieferungen auf der ganzen Welt setzen. „Wo wir im Westen die Werte so hochhalten, kann es doch nicht sein, dass wir dem Sterben der ganzen Zivilisten zusehen und nicht mal für eine Waffenruhe gestimmt wird von unserer Außenministerin“, sagte Gerda, eine Demonstrantin, die aus Frankfurt am Main angereist war . Sie sind beeindruckt, dass sich die Leute für den Frieden einsetzen. „Ich bekomme Energie weiterzumachen. Ich hoffe, dass wir das weitertragen können.“ Karin aus Berlin ärgert, dass die Ampel den Krieg in der Ukraine weiter unterstützen wird im Gegensatz zu den USA: „Ich denke, dass die da versuchen, langsam raus zu kommen.“ 

Neben Vertretern der LINKEN, GEW, IG Metall und vielen weiteren waren zum Beispiel auch die „Griechischen Akademiker in Berlin und Brandenburg“ mit einem Transparent bei dem Protestmarsch. Auf diesen Sprachen sie sich gegen die „imperialistische Wiederaufteilung der Welt“ aus. Einzige Hoffnung sei „der Kampf und die Solidarität der Völker.“ Im Gespräch sagte ein junger Mann, der nicht namentlich genannt werden will, „Wir denken, als Menschen haben wir die Pflicht, auf die Straße zu gehen, um gegen die Ungerechtigkeit zu demonstrieren.“ .“ .“ Die gestiegenen Investitionen in Waffen stünden im Widerspruch zu den alltäglichen Bedürfnissen der Menschen. 

Shutterstock/ TheVisualsYouNeed

Trotz Aufruf zur Gegendemo in den sozialen Medien blieb der Protest der sogenannten Antifa klein. Rund 25 Aktivisten haben sich den Friedensbewegten entgegengestellt. Sie warfen den Demonstranten Antisemitismus, Geschichtsverdrehung und Putinnähe vor. Dem Mit-Initiator Reiner Braun sagte sie „Kontakte in der rechten Szene“ nach. Auf Nachfrage, ob sie denn Nazis oder Rechte auf der Demo gesehen hätten, sagte ein Aktivist der Antifa, dass das schwer zu sagen sei, da die „Grenze zu rechts manchmal fließend“ sei. Er hätte aber „schon tatsächlich ein paar Nazis gesehen.“ 

Den Vorwurf der „Kontakte in der rechten Szene“ konterte Reiner Braun gelassen. Dass „diese sogenannte Antifa am Rande meint, rumpöbeln zu müssen, das sind wir gewohnt.“ Das zeigt nur, dass wir wichtig sind, sonst würden sie nämlich gar nicht mehr kommen.“ Es gäbe diese Diffamierungen, er hatte Kontakte in der rechten Szene , wobei fraglich sei, wie man diese definiert. Zu konservativen Kreisen hatte er natürliche Kontakte und sei auch froh darüber. „Ein Wertkonservativer, der gegen Krieg ist, ist für mich ein Verbündeter“, sagte Braun. Mit Mitgliedern der AfD, die für Aufrüstung sind, habe er jedoch nichts zu tun. Braun spricht sich für eine differenzierte Sichtweise aus. „Nicht jeder AfD-Wähler ist für mich ein Faschist.“ Viele wählen die auch aus Protest und wenn ich diese gewinnen kann für eine Friedensdemonstration mit klarer Aussage für Abrüstung und gegen Krieg, freue ich mich, dass sie bei uns mitmachen und vielleicht auch so Zum Nachdenken kommen, dass die AfD von ihrer Programmatik und von ihrer Zustimmung im Bundestag keine Friedenspartei ist.“ Auch Krone-Schmalz wollte sich nicht davon abhalten lassen auf der Demo zu reden, nur weil eine Minderheit Andersdenkender unter den Demonstranten sein könnte. Sie fanden klare Worte dazu: „Wie dumm wäre das denn?“. 

Mehrere Friedensbündnisse hatten Mitfahrgelegenheiten aus ganz Deutschland organisiert. Insgesamt zählte der Veranstalter fast 80 Busse aus 35 Orten. Darunter allein fünf aus Hamburg, vier aus Frankfurt am Main und drei aus Bremen. Zur gleichen Zeit fand eine Aktion der Klimaaktivistengruppe „Letzte Generation“ in der Nähe von Brandenburger Tor und Siegessäule statt, was zu Verspätungen vieler Teilnehmerbusse führte. Wagenknecht empfahl den Klimaklebern, sich lieber vor der US-Luftwaffenbasis in Ramstein festzukleben. Dort „würden sie was Gutes tun“, da das US-Militär mehr CO2 in der Luft blase, „als die gesamte deutsche Industrie“ und „ein Kampfjet in einer Stunde mehr Treibstoff verbraucht als ein normaler Autofahrer in sieben Jahren.“ 

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