Um selbst über die in Medienplattformen verbreiteten Inhalte zu urteilen und nicht leichtfertig die Einordnung von Aktivisten im Gewand von Journalisten zu übernehmen, ist die Kenntnis über medienanalytische Werkzeuge wichtig. Dieses Ansinnen war die initiale Idee zum Club der klaren Worte, die der Publizist Markus Langemann auf seinem gleichnamigen Internetportal informiert. „Von Zeit zu Zeit zeige ich Ihnen somit bis heute einige Fälle von offensichtlicher Steuerung oder von Versuchen, Ihre Gedanken und Bewertungen subtil zu lenken“, beschreibt er ein Lehrbeispiel. Es ist der Vorgang um den sich andeutenden journalistischen Coup des amerikanischen Journalisten Tucker Carlson. „Sollte das von ihm gestern (am Dienstag) Abend angekündigte Interview mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zustande kommen, wird es weltweite Aufmerksamkeit bekommen.“ Tucker Carlson hatte sich auf seiner Website und auf der Plattform X (vormals Twitter) aus Moskau gemeldet und ein Interview mit dem Präsidenten der Russischen Föderation angekündigt. Die Ankündigung ist hier nachzuhören. Die Redaktion Berlin 24/7 hält die differenzierte Analyse Markus Langemanns für interessant und möchte sie unseren geschätzten Lesern gern vorstellen.
Ein Beitrag von Markus Langemann
Sie finden hier einen Artikel von SPIEGEL Online darüber, exemplarisch für diverse fragende Berichte zur Ankündigung: Der Spiegel berichtet in seinem Artikel nicht in einer neutralen Sprache, sondern ordnet dem analytisch nicht geübten Leser das Gespräch wertend ein. „Sachlich schreiben bedeutet, nicht die eigene Meinung wiederzugeben, sondern etwas möglichst objektiv und nicht wertend zu beschreiben.
Man braucht das sachliche Schreiben zum Beispiel bei dem Verfassen von Berichten.“ – So finden Sie die Einordnung des sachlichen Berichtes auf nahezu jeder Schüler-Onlinehilfe-Seite im Netz. Ich mache Sie hier nun auf einige framende Formulierungen aufmerksam.
SPIEGEL: „Es wäre Putins erstes Interview mit einem westlichen Moderator seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Der rechte Moderator Carlson rechtfertigt das Gespräch bereits. “
Warum schreibt der SPIEGEL hier von einem „rechten Moderator“? Korrekt wäre: „der bekanntermaßen regierungskritische Moderator“.
SPIEGEL: „In dem vierminütigen Video erklärt Carlson die Beweggründe für das Gespräch – und rechtfertigt sich.“
Eine Rechtfertigung befreit von einem Verdacht und ist eine Bewertung. Die Rechtfertigung ist negativ konnotiert und setzt hier den Sprecher in ein Licht der notwendigen Rechtfertigung für sein Handeln. Sachlich, distanziert korrekt wäre zu schreiben: „Tucker Carlson begründet auch seine Interviewentscheidung in seinem Statement.“
SPIEGEL: „Carlson erwähnt die beiden festgenommenen US-Kollegen nicht. Stattdessen wirft er den englischsprachigen Medien Korruption vor.“
Inhaltlich ist das eine geschickte Verquickung von zwei Sachverhalten. Dass Carlson die beiden festgenommenen Journalisten nicht beim Namen nennt, soll ihm als Versäumnis ausgelegt werden und stellt ihn in ein Zwielicht. Tatsächlich sagte Carlson: „Es gibt natürlich Risiken, ein solches Interview zu führen.“ Somit erwähnt er sehr wohl das Risiko, welches mit einem Interview verbunden sei.
SPIEGEL: „Die Leser würden belogen, so Carlson. Zudem behauptet er, nicht ein einziges westliches Medium hätte sich um ein Interview mit Putin bemüht. Das ist falsch. So machte etwa der BBC-Journalist Steve Rosenberg nach dem Carlson-Video öffentlich, dass der britische Sender in den vergangenen 18 Monaten immer wieder Interviewanfragen gestellt habe. Die Antwort aus dem Kreml sei stets ein Nein gewesen. Auch andere westliche Journalisten, die sich regelmäßig um Putin-Interviews bemühen, bekommen nach eigenen Angaben nur Absagen. Darunter auch die CNN-Moderatorin Christiane Amanpour.“
Hier liegt der SPIEGEL richtig in seiner Beurteilung. (Berlin 24/7 berichtete) Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kommentierte Carlsons Behauptung, kein einziger westlicher Journalist habe sich die Mühe gemacht, Putin zu interviewen: „Mister Carlson hat nicht recht. In der Tat gibt es keine Möglichkeit, dass er das wissen könnte. Wir erhalten zahlreiche Anfragen für Interviews mit dem Präsidenten […]“
SPIEGEL:„Carlson wurde im vergangenen Jahr von Fox News gefeuert, ohne dass Gründe für den Rausschmiss genannt wurden.“
„Carlson wurde aus nicht bekannten Gründen von seinem Sender Fox News im vergangenen Jahr entlassen“ wäre die neutrale und sachliche Beschreibung des Faktums. Interessant ist im Bericht des SPIEGEL das Weglassen relevanter Informationen, die Carlson im Licht der ausgewogenen Arbeit erscheinen ließe. Dass der SPIEGEL unerwähnt lässt, dass sich Carlson – nach eigener Aussage – auch um ein Interview mit Zelensky bemüht hat, aber bisher offenbar noch keine Antwort erhielt, wäre in einem wertneutralen, sauberen journalistischen Bericht über die Ankündigung eines Putin-Interviews unabdingbar zu erwähnen. Nun, Fachkräftemangel offenbar tatsächlich überall.
Randnotiz
Faz.net schreibt übrigens ganz ähnlich. Am Ende des Artikels sogar fast wortgleich. Dort heisst es: „Carlson wurde im vergangenen Jahr von Fox News gefeuert. Der Talkmaster moderierte dort jahrelang eine quotenstarke Abendsendung. Diese nutzte er dazu, um Verschwörungstheorien und Falschmeldungen zu verbreiten und gegen Minderheiten zu hetzen. Kurz danach startete er eine eigene Show auf X.“
Spiegel schreibt: „Carlson wurde im vergangenen Jahr von Fox News gefeuert, ohne dass Gründe für den Rausschmiss genannt wurden. Er moderierte dort jahrelang eine quotenstarke Abendsendung. Darin verbreitete er Verschwörungstheorien und Falschmeldungen und hetzte gegen Minderheiten. Kurz danach startete er eine eigene Show auf X (vormals Twitter).“
Bei dem SPIEGEL-Artikel handelt es sich um eine Agenturmeldung von Reuters. Faz.net hat den Artikel von der dpa (Deutsche Presse-Agentur) übernommenen. Über die Qualität des Interviews können wir natürlich noch nichts sagen. Über die Vorberichterstattung sehr wohl. q.e.d.
PS: Man darf ja auch Wikipedia nur mit Vorsicht zitieren. Ich wage es hier: „Die rund 170 Gesellschafter der dpa sind ausschließlich Medienunternehmen wie Verlage und Rundfunkanstalten. Der dpa wird von Kritikern regelmäßig vorgeworfen, ihre Machtstellung durch ihre Fähigkeit zum Agenda Setting zur Manipulation des Großteils der Bevölkerung zu missbrauchen. Aufgrund dessen wird vereinzelt eine Einschränkung der Macht der Agentur gefordert. Bereits um 1970 wurden der Agentur zu große Regierungsnähe und entsprechende Färbung der Berichterstattung vorgeworfen, so 1969 in der ZEIT und 1971 im Spiegel.“
Tja, die Zeiten ändern sich.
Der Beitrag erschien im Newsletter vom Club der klaren Worte am 7.02.2024. Link: https://t7042aa8b.emailsys1a.net/mailing/206/7282754/2736794/50297/78f7b76cb0/index.html
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