Das Waffenrecht und der Amokläufer

  • MEINUNG
  • August 27, 2024
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Die Debatte über ein schärferes Waffenrecht ist nicht überfällig. Sie ist überflüssig. Weil nutzlos und irrelevant.

Ein Kommentar von Roberto De Lapuente.

Quelle: Shutterstock

Sie ist wieder da: Die Debatte über ein Waffenrecht, das nun endlich, endlich verschärft werden muss. Nach dem Anschlag in Solingen, bei dem ein tatverdächtiger Syrer drei Menschen mit gezielten Stichen in den Hals getötet und acht weitere Menschen schwer verletzt hat, war eine solche Diskussion gewissermaßen vorprogrammiert. Nachdem Ende Mai ein Polizist in Mannheim von einem afghanischen Mann erstochen wurde, flackerte die Debatte über die Verschärfung bereits auf, schlief aber so schnell ein, wie die aufkeimende Empörung der Politik nach dem Gewaltverbrechen aufgeblüht war.

Nun also nochmals von vorne: Das Waffenrecht müsse verschärft werden, lassen sich diverse Politiker zitieren. Unter anderem auch Justizminister Marco Buschmann von der FDP – seine Partei stand bis dato einer Verschärfung ablehnend gegenüber. Offenbar haben die Ereignisse in Solingen dazu geführt, dass die Liberalen ihre Position überdenken wollen. Darüber zu sprechen, so der Tenor im politischen Berlin, sei mindestens überfällig.

Diese Einschätzung ist jedoch falsch – oder sagen wir so: Gehört zum Ablenkungsmanöver, zu dem sich die Politik verschworen hat. Überfällig ist da gar nichts. Nur überflüssig. Die Debatte um die Verschärfung des Waffenrechtes ist völlig belanglos. Sie spielt in dem Komplex stark ansteigender Messergewalt gar keine Rolle – die Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen eine Erhöhung schwerer und gefährlicher Messergewalt von 8.160 auf 8.951 Vorfälle im Zeitraum von 2022 auf das Jahr 2023 aus.

Deutschland hat ein relativ straffes Waffenrecht. Besitz und Führung von Waffen sind stark reglementiert, bestimmte Waffengattungen sehen einen Waffenschein vor – auf offiziellem Wege erhält ein Bürger ohne Lizenz keinen Revolver. Bei Messern sieht es anders aus. Gewisse Messertypen darf man in der Öffentlichkeit gar nicht bei sich führen. Etwa Springmesser. Aber auch feststehende Messer ab einer Klingenlänge von zwölf Zentimeter. Wobei es auch immer Ermessensspielräume gibt: So ist ein Brotmesser, das im Regelfall eine längere Klinge als zwölf Zentimeter aufweist, nicht grundsätzlich verboten – sonst könnte man kein Picknick mit geschnitten Brot mehr veranstalten. Verpackte oder im Gepäck befindliche Messer darf man auch bei sich führen.

Was genau will man an diesen Teilen des Waffenrechtes verschärfen? Wir stecken hier in dem Dilemma fest, dass Messer – anders als Revolver – eben nicht nur Waffen sind, sondern auch alltägliche Werkzeuge. Ja, man könnte, mit den Gedanken des Philosophen Leon Joskowitz festhalten, dass die Geschichte der Menschwerdung immer auch mit dem Akt des Schneidens zu denken ist. Das Zerteilen von Fleisch, von Fellen und Knochen: Das machte aus uns, was wir sind – das Messer lässt sich also nicht einfach wegdenken aus dem öffentlichen Raum. Wir schneiden, also sind wir.

Bei Revolvern, Schlagringen und Wurfsternen sieht es anders aus: Sie haben keine zivilisatorische, keine evolutionäre Funktion inne. Ohne sie lässt es sich bestens im öffentlichen Raum leben – was heißt bestens? Besser! Aber das Messer ist nun mal Werkzeug. Wenn man dort bei einer Verschärfung des Waffenrechtes ansetzen will, bleibt nicht mehr viel Spielraum, als die letzten Sonderregelungen zu kippen. Kommt dann etwa eine Regelung, die besagt, dass Messer nur noch online bestellt werden dürfen, damit ja nie wieder einer mit einem Messer durch die Straßen deutscher Städte wandeln muss? Wer will überhaupt prüfen, dass nicht jemand ein Messer aus seinem häuslichen Bestand mitnimmt? Muss am Ende gar jeder Bürger einen Messerführerschein machen?

Ohnehin ist der ganze Ansatz völlig realitätsbefreit auch noch auf anderer Ebene. Jemand, der sich vornimmt, andere Menschen mittels eines Stiches in empfindliche Körperregionen aus dem Leben zu nehmen, wird nicht vorher das Waffenrecht prüfen, um daraus Rückschlüsse ziehen zu können, ob seine Planungen gesetzeskonform sind oder nicht. Überall in deutschen Städten stellt man nun Verbotsschilder auf, wonach es an bestimmten Plätzen verboten sei, Messer bei sich zu führen. Wer glaubt, dass das Attentate verhindert, dürfte keine Ahnung von der Psyche gewaltbereiter Menschen haben.

Nein, die Debatte um die Verschärfung des Waffenrechtes ist wirklich kein Beitrag zur Lösung des sukzessiven Bürgerkrieges, der Schritt für Schritt die Straßen und Plätze Deutschlands ereilt. Es ist eine Ablenkungsdebatte, um den Bürger vor Augen zu führen, man tue doch was, mache sich Gedanken. Ehrlicher ist da schon die ernüchternde Einschätzung des nordrhein-westfälischen Polizeipräsidenten Markus Röhrl, der nach der Solinger Tragödie gegenüber der Presse erläuterte, dass jeder Bürger für sich entscheiden müsse, ob er das Risiko eingehe, auf Festivitäten zu gehen – denn ergo: Eine absolute Sicherheit gäbe es nicht. Ganz gleich, wie man das Waffenrecht aufstellt.

Die schärfste Waffe gegen die steigende Messergewalt wäre ohnehin, über die sozialen Verwerfungen innerhalb der bundesdeutschen Gesellschaft zu sprechen – und auch die Migrationspolitik zu überdenken. Das Waffenrecht vorzuschieben: Das ist die nächste Lebenslüge, mit der die politische Elite die Bürger einlullen will, um die wirklichen Themen nichts aufs Tapet zu bringen. Neben den Messermännern gibt es in Deutschland noch mindestens eine Amokläuferin: Die Politik und ihre willfährigen Medienanstalten.

Zum Autor: Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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