Die Indianer waren selbst schuld!

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  • August 4, 2025
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Den Indianern Nordamerikas musste man mit Gewalt Herr werden. Schließlich handelte es sich um Terroristen.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Sand-Creek-Massaker, 1864, Zeichnung
Frederic Remington, Public domain, via Wikimedia Commons

Als am 29. Januar 1863 über der Bear-River-Schlucht die Sonne aufging, war noch nicht ganz sicher, wie erfolgreich der Tag für die Vereinigten Staaten verlaufen würde – immerhin musste die Nation an diesem Morgen ihr Existenzrecht verteidigen. Noch tobte der Bürgerkrieg – weit weg vom Bear River – innerhalb der Union. Ob das Projekt weitergehen oder fortan zwei amerikanische Nationen parallel existieren sollten, war in den Jahren zuvor noch nicht klar abzuschätzen. Aber das angehende Jahr 1863 machte Hoffnung – denn knapp vier Wochen vor jenem 29. Januar hatte Präsident Abraham Lincoln die Emanzipationserklärung erlassen. Sie gewährte allen schwarzen Sklaven die Freiheit – das sollte nun der große Wurf sein und die Sezession beenden. Zuvor war Lincoln, der zwar immer ein Gegner der Sklaverei war, aber eben auch Pragmatiker, noch dazu bereit, die Sklaverei im Süden der Union weiterhin zu akzeptieren, sofern dies die Einheit der Union rettete – die Sklaverei zu akzeptieren: Bis 1862 galt das als eine Entscheidung, die das Existenzrecht der USA förderte.

Noch immer gab es eine Gefahr: eine, die vielleicht nicht physisch die Kraft hatte, den im Bruderkrieg befindlichen Vereinigten Staaten von Amerika (oder wahlweise den Konföderierten Staaten von Amerika) Schaden zuzufügen – psychologisch schädigte diese Gefahr aber die Idee des American Way of Life schon: Die Indianer, die wir heute Natives nennen, die aber damals als Wilde galten, ja als regelrechte Mörderbanden. Sie behinderten das große Versprechen dieses rundherum tollen Landes, das jedem Glück versprach, wenn er nur bereit dazu war, hart dafür zu arbeiten. Am 29. Januar 1863 kämpfte die US-Army unter Führung des Oberst Patrick Edward Connor gegen die Shoshonen. 384 tote Indianer standen letztlich auf der Rechnung – darunter auch einige Krieger.

Die Basis des Terrorismus

Die amerikanischen Soldaten machten bei ihrer Säuberungsaktion keinen Halt vor Frauen, Kindern und Alten. Denn sie waren es, die die Krieger ihres Stammes deckten, sie versorgten, ihnen alte Geschichten erzählten und inspirierten, sie segneten und ihnen schlicht keinen Einhalt geboten. Anders gesagt: Sie arbeiteten den Terroreinheiten der Indianer zu. Die Shoshonen waren in den Wochen und Monaten vor dem Spezialoperation am Bear River häufiger angriffslustig gewesen, hatten amerikanische Siedler, die aus dem Osten kamen, angegriffen und auch einige von ihnen getötet. Natürlich fanden sich in der US-Öffentlichkeit auch Stimmen, die auf die schwierige Situation der Ureinwohner zu sprechen kamen, schließlich habe man ihnen den Lebensraum weggenommen, sie eingeengt, ihre Jagdreviere besetzt – aber Beachtung fanden solche weichgespülten Betrachtungen in der Regel nicht.

Überhaupt war das ein Narrativ – früher sagte man noch Märchen dazu –, dass man den Ureinwohnern das Land weggenommen habe. Man habe Geschäftsvereinbarungen getroffen, Land gegen Tand getauscht. Manchmal freilich auch Land gegen Land. Die Häuptlinge akzeptierten diese Händel. Taten sie es nicht, schickte man dennoch Siedler in die Indianergebiete. Die Ureinwohner reagierten auf diesen Einfall der Besatzer mit blankem Terrorismus und schickten ihre Krieger gegen Siedler zu Felde. Das war nie anders gewesen, seit Jahrhunderten kannte man diesen Terror der Eingeborenen, schon bevor es the US gab, drangsalierten sie so die neuen Nachbarn – heute, also um 1863, griffen diese Schergen meist im Westen an, im Osten waren sie längst so eingebunden in diesen neuen Staat, dass sie vielleicht hier und da noch aufmuckten, weil ihre Mentalität nicht in die große neue Zeit passte. Aber einem organisierten Terrorismus gingen sie an der Ostküste nicht mehr nach.

Natürlich wusste man auch in den Vereinigten Staaten und den Territories, wie jene Landflächen genannt wurden, die noch nicht offiziell zu Bundesstaaten ernannt wurden, dass die Tötung von wehrlosen Zivilisten, kein Ruhmesblatt der zivilisierten Kriegsführung war. Bloß hatten die Vereinigten Staaten etwas begriffen: wenn man den Terror nicht an der Basis bekämpft, dort wo er entstand, in der indianischen Zivilbevölkerung, dann würde man diese mörderischen Verbrechen niemals eindämmen können. Es galt das Land so gut es geht zu säubern, damit es befriedet werden konnte. Die jungen Männer der US-Armee, die diese Drecksarbeit erledigen mussten, kamen häufig verstört aus diesen Einsätzen heraus. Von Psychologie wusste man noch nichts, Sigmund Freud war 1863 gerade mal acht Jahre alt. Dass das Dahinschlachten von wehrlosen Menschen etwas mit dem Gemüt macht, wusste man allerdings schon – die Erfahrung im Umgang mit Veteranen lehrte dies.

Feldzüge gegen Terrorcamps

So leid einem also die Frauen, Kinder und Alten der Ureinwohner auch menschlich tun konnten: Sie hatten selbst schuld. Sie distanzierten sich schließlich nicht ausreichend von den Terroreinheiten – und die Terroristen hatten wiederum keine Gewissensbisse, die Zivilbevölkerung unmittelbar in ihren Terrorcamps anzusiedeln. Wenn sie meinten, dass sie diese menschlichen Schutzschilde schützen würde vor den gerechten Armeen der Vereinigten Staaten, hatten sie sich geschnitten! Die US-Armee und die Beauftragten der Regierung erkannten schnell, dass diese eingeborenen Menschen, die dem Fortschritt im Wege standen und ihn auch noch auf die blutigen Pfade der Gewalt hieven wollten, Zivilisten nur nutzten, um sich hinter diesen zu verstecken. Was für Bestien! Wenn das ihr Plan war, um nicht für ihre Verbrechen belangt werden zu können, dann gab es nur eine Antwort: Nicht mit der US-Army!

1863 war nicht der Schlusspunkt dieses Antiterrorkampfes im Westen, denn immer wieder versuchten junge Häuptlinge stammesübergreifend den Siedlern das Leben schwer zu machen – um nicht zu sagen: Es ihnen zu nehmen. Die Einheiten der US-Armee hatten alle Hände und Hufe voll zu tun. Im November 1864 besiegte man etwa 200 Cheyenne und Arapaho am Sand Creek – darunter sollen auch einige Terroristen gewesen sein, ansonsten exekutierte man die Basis, deren Beischläferinnen, deren Brut und die Alten, die offenbar ihre jungen Männer nicht zivilisiert erzogen hatten. Sicher, man sah, dass es sich auch bei den Ureinwohnern um Menschen handelte – aber besser war es, diese Gewissheit nicht zu nah an sich heranzulassen. Zwar hatten sich die Cheyenne und die Arapaho am Sand Creek ergeben: Aber wusste man so genau, ob das nicht ein perfider Trick aus terroristischen Gehirnen war? Was bestialisch anklang, war in Wirklichkeit eine reine Vorsichtsmaßnahme, um die Leben der US-Soldaten nicht zu gefährden.

Januar 1870, Montana: Um die 200 toten Piegan-Blackfeet. Dumm gelaufen, die Kavallerie unter dem Befehl von Major Eugene Baker (nach ihm ist das, was man nachher als Massaker bezeichnete, dann auch benannt) griff das falsche Dorf an – es kostete im Augenblick friedlichen Indianern das Leben. Das konnte man beklagen, die amerikanische Öffentlichkeit tat das auch, in namhaften Tageszeitungen fanden sich Berichte, die empörten. Aber wenn man ehrlich war, so konnte man nicht von einem Verlust sprechen. Sicher, diese Leute waren friedlich gewesen, aber konnte man so sicher sein, dass das so blieb? Terroristen sind nicht resozialisierbar – man muss sich immer vor ihnen fürchten. Man wusste, wie empfindlich diese Ureinwohner waren. Würde ihnen in naher Zukunft etwas gegen den Strich gehen, zogen sie wieder auf den Kriegspfad und übten Terror aus. Die 200 toten Piegan-Blackfeet konnten niemanden mehr gefährlich werden. Sie wurden vielleicht versehentlich ausgeschaltet – aber eben doch ausgeschaltet.

Was für unzivilisierte Zeiten!

Immer wieder gab es Scharmützel, bei denen auch indianische Zivilisten liquidiert wurden. Aber deren Terrorkrieger machten ja auch keinen Halt vor den Bürgerinnen und Bürgern der Vereinigten Staaten. Die wollten nur friedlich siedeln. Doch diese indigenen Terroristen vergönnten ihnen nicht die Früchte der Siedlerarbeit und zogen sich auf die Position zurück, Leidtragende der Siedlerflut aus dem Osten des Landes zu sein. Sie seien zuerst auf diesem Land gewesen, redeten sie sich selbst ein. Aber was hatten sie aus diesem Land denn gemacht? Wer Land beansprucht, muss es nutzen – wer es nicht nutzt, kann keine Ansprüche geltend machen, der verschwendet nur Ressourcen. Die Siedler aus dem Osten der Landmasse waren damit die eigentlich ersten, die das Land als Eigner betraten.

Im Ausland erzählten die US-Offiziellen, dass der Kampf gegen den Terror der Indianer fast gewonnen sei. Man musste leider hart vorgehen, weil diese Wilden, dieser Abschaum aus der Prärie und aus den Bergen, immer wieder die Existenz der zivilisierten Welt in Frage stellten – in den USA wurden gewissermaßen auch die Interessen Europas verteidigt. Und auch Werte, die überall dort universal seien, wo zivilisiertes Volk lebte. Die Terroristen, mit denen es the US zu tun hatten, verweigerten jedoch den nächsten Schritt der Entwicklung, sie lebten lieber weiterhin in ekelhaften Zuständen und erklärten ihre prekäre Lage zur Folge des Siedlerkolonialismus.

Am 29. Dezember 1890 wurden 250 Lakota erschossen. Darunter fast nur Frauen und Kinder. Auch einige entkräftete Greise. Vergeltung war das keine – die Lakota hatten keine Substanz mehr, sie wollten einfach nur Geistertänze aufführen. Den Amerikaner gefiel das aber nicht. Denn wer wusste es schon so genau, vielleicht sollte das dem Terror eine neue spirituelle Nahrung geben und einen neuen Krieg gegen die zivile Bevölkerung beschwören. Es war also besser einzugreifen. An jenem Dezembertag endeten die Indianerkriege offiziell. Danach gab es zwar immer noch kriminelle Wilde, aber für organisierten Terrorismus hatten sie keine Kraft mehr. Die USA hatten auf ganzer Linie gesiegt. Nicht glorreich, aber gegen Einheiten, die nicht regulär kämpfen, sondern mit dreckigen Mitteln fanatisch zuschlagen, muss man sich anpassen. Das alles ist lange her. Heute leben wir in zivilisierten Zeiten, in denen dergleichen unvorstellbar wäre.

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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