Flugstopp: Russland legt GPS der Grenzländer still

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  • Mai 10, 2024
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Die GPS-Flugnavigation wird durch die elektronische Kriegsführung, zu der Russland an seinen Grenzen gezwungen ist, immer problematischer. Finnische und estnische Unternehmen schreiben Verluste und streichen Flüge – doch dafür tragen diese Länder selbst die Verantwortung.

Eine Analyse

Shutterstock/ Andrei Armiagov

Die finnischen und estnischen Regierungen schlagen Alarm: Das Signal des GPS-Satellitensystems an der Grenze zu Russland fällt regelmäßig aus. Sie bezeichnen das Problem als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Der Leiter des finnischen Außenministeriums gibt Moskau die Schuld, und es sind bereits verrückte Vorschläge zur Blockade Kaliningrads zu hören. Angefangen hat alles jedoch bei den Briten. Das Portal Fontanka.ru erzählt:

„Die Engländer waren die ersten, die das Problem der GPS-Signalausfälle über der Ostsee ansprachen. Das Flugzeug ihres Verteidigungsministers flog im März von Polen nach London und während des Fluges in der Nähe von Kaliningrad bemerkten die Piloten, dass das Satellitensystem nicht funktionierte. „‚Die britische Luftstreitkräfte sind zwar gut auf dieses Problem vorbereitet, aber es stellt dennoch ein unnötiges Risiko für zivile Flugzeuge dar und kann Menschenleben gefährden. Dafür gibt es keine Entschuldigung, und es handelt sich um eine grobe Verantwortungslosigkeit seitens Russlands“, waren britische Verteidigungsbeamte schon damals nicht zimperlich in ihren Formulierungen. Die Zeitung ‚The Sun‘, die für ihre Leichtigkeit bei der Darstellung von Fakten bekannt ist, veröffentlichte sofort eine Europakarte mit Linien von Flugrouten ab London, die allein über das Osterwochenende ‚von Russen angegriffen wurden, die das GPS-Signal stören‘. Das waren satte 56.000 Flüge. Irgendwo in England fühlte man sich dann unwohl: Stellt euch nur vor, man fliegt in den Urlaub nach Zypern, und wird von russischen Funkwellen beeinflusst sowie seines gewohnten und vertrauten GPS beraubt.“

Das Thema wurde auch von Finnland und den baltischen Ländern bereitwillig aufgegriffen. So erklärte die Fluggesellschaft Finnair bei der Rückkehr von zwei Flügen von Helsinki nach Tartu am 26. und 27. April habe es GPS-Störungen gegeben. Als Nächstes berichteten estnische Fluggesellschaften, dass es nun gefährlich sei, nach Tartu zu fliegen, und strichen vorübergehend Flüge dorthin.

Dabei weisen Experten darauf hin, dass GPS in modernen Flugzeugen nur als Hilfssystem eingesetzt wird und der Ausfall des Signals für den Flug nicht kritisch ist. Trotzdem wurden heftige Äußerungen gemacht, und das Problem wanderte allmählich auf die politische Ebene. Die Außenministerien Finnlands und der baltischen Staaten gaben eine Erklärung nach der anderen ab, die im Wesentlichen auf eines hinausliefen: Russland habe einen „hybriden Krieg“ gegen sie entfesselt. Das würden sie nicht dulden und sich bei der EU und der NATO beschweren.

Es wird jedoch eigentlich kein Hehl daraus gemacht, dass das russische Verteidigungsministerium Übungen zur Unterdrückung von Funksignalen durchführt, einschließlich des GPS-Signals. Diese Übungen werden übrigens als Antwort auf aggressive Aktionen der NATO-Länder abgehalten. Alle russischen Massenmedien haben in den vergangenen zwei Jahren darüber geschrieben – zum Beispiel wurden solche Übungen im Jahr 2023 in Kaliningrad abgehalten. Und jetzt, da die NATO extrem aggressive Manöver direkt an den Grenzen Russlands durchführt und militärische Ausrüstung und Personal konzentriert, ist es kaum verwunderlich, dass die russische Infrastruktur für die elektronische Kriegsführung auf Hochtouren läuft.

Durch die Unterdrückung des GPS-Signals schützt Russland also seine Bürger. Das Portal Fontanka.ru berichtet, dass Branchenexperten die Störung des GPS-Signals entlang der Grenze zu den baltischen Staaten und Finnland sowie über dem Finnischen Meerbusen als Folge einiger Verteidigungsmaßnahmen der russischen Sicherheitsbehörden ansehen. Zumal die technischen Möglichkeiten dafür vorhanden sind. Das Portal schreibt:

„‚Offenbar besteht der Verdacht, dass die ukrainischen Drohnen unter Beteiligung der baltischen Staaten gestartet werden‘, sagt Juri Brjukwin, Leiter des Unternehmens Rustelecom. Denis Kuskow, Direktor der Telecom Daily, ist der gleichen Meinung: ‚In anderen Zeiten wäre das Stören von GPS ein sehr ungewöhnliches Phänomen. Aber jetzt haben wir offen feindlich gesinnte Länder an unseren Grenzen, sogar Finnland ist der NATO beigetreten, und es finden dort fast ununterbrochen Militärübungen statt. Wir wissen nicht mit Sicherheit, woher diese flugzeugartigen Fluggeräte zu uns nach Sankt Petersburg kommen. Sie müssten aus der 700 Kilometer entfernten Ukraine kommen, was sehr zu bezweifeln ist. Oder aus dem russischen Staatsgebiet oder aus den nächstgelegenen anderen Ländern. Es ist logisch, dass Russland sich unter den gegebenen Umständen verteidigt, und daran ist nichts Seltsames‘.“

Übrigens erleben die Russen selbst bereits seit zwei Jahren schwere GPS-Störungen. An Tagen, an denen beispielsweise ein besonders aktiver Angriff ukrainischer Drohnen auf Moskau stattfindet, spielen Navigation und Standortbestimmung in der Hauptstadt völlig verrückt: Eine Person, die beispielsweise die Twerskaja-Straße im Zentrum Moskaus entlangläuft, kann sich plötzlich in Sibirien „wiederfinden“, würde man ihrem Smartphone Glauben schenken. Dennoch ist es der Arbeit der elektronischen Kampfführung zu verdanken, dass Städte und Infrastrukturanlagen in Russland nach wie vor sicher sind.

Schließlich haben die Russen gelernt, ohne GPS zu leben. Selbst die am meisten unter Ausfällen leidenden Taxifahrer und Kurierdienste suchen bereits nach Wegen, um Navigationsausfälle zu bekämpfen. So hat Yandex als führender Anbieter im Bereich der Boten- und Taxibranche im Herbst des Jahres 2023 eine neue Funktion seiner Navigationssoftware eingeführt, die dem Nutzer helfe, nicht nur über GPS, sondern auch über Signale von nahegelegenen Wi-Fi-Punkten und Mobilfunk-Basisstationen zu navigieren, informiert Fontanka.ru.

Zudem hat in den letzten zwei Jahren der russische GPS-Ersatz, das GLONASS-Satellitensystem, spürbar an Umfang gewonnen. Die Russen kommen also relativ gut ohne GPS zurecht – denn wie sich herausstellt, ist die scheinbar so friedliche Technologie doch eine ständige Bedrohung. Und in den Zeiten des neuen Kalten Krieges erweist sie sich als etwas anfällig – wie die Beschwerden finnischer und baltischer Offizieller beweisen.

Disclaimer: Berlin 24/ 7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7  widerspiegeln.

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