Kalter Krieg im Krypto-Kosmos

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  • Dezember 27, 2024
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Es ist wie im Märchen: wer ein extrem kompliziertes mathematisches Rätsel löst, dem regnen die Gold-Taler in die leeren Taschen. Eine revolutionäre neue Finanzarchitektur erobert die Welt.

Ein Beitrag von Hermann Ploppa

Shutterstock/ Carlos E. Santa Maria

Es war einmal …


Es war einmal ein weiser alter König. Der sah, dass seine Tage nicht ewig währen würden, und dass er einen Nachfolger auserwählen müsse. Also ging eine Kunde aus in alle Welt: jener junge Prinz, der ein kompliziertes mathematisches Rätsel erfolgreich lösen kann, der soll – ja, der soll um die Hand der schönen Königstochter anhalten dürfen. Zudem sollen ihm auch alle Golddukaten des Königreiches gehören.

Natürlich fanden sich nach vielen attraktiven Prinzen, die jedoch mathematisch unbegabt waren, endlich ein schöner junger Prinz, der das komplizierte mathematische Rätsel lösen konnte, und der seitdem mit der schönen Königstochter und den unzähligen unendlich wertvollen Golddukaten ein gleichermaßen glückliches wie sorgloses Leben führen durfte. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

Nun, dieses schöne Märchen ist zumindest teilweise in Erfüllung gegangen. Zwar ist kein schöner junger Prinz mit güldenen Locken erschienen, der aufgrund erfolgreicher Rätsellösung den Golddukatenregen auffangen durfte. Auch ist nichts von einer schönen Königstochter bekannt. Vielmehr tummelte sich in dem kalifornischen Königreich Silicon Valley, in der San Francisco-Bay-Area, so etwa im Jahre 2008, eine Gruppe von Computer-Tüftlern und Software-Entwicklern. Zum Teil braungebrannte Extremsportler, zum anderen Teil bleiche Stubenhocker, die den ganzen Tag und die ganze Nacht mit ihrem Computer statt einer schönen Prinzessin verheiratet sind. Diese Nerds waren noch ein wenig alternativ angehaucht. Sie fragten sich: wenn ich ich einen Sack Kartoffeln beim Bauer Frühauf kaufen will, warum muss ich dann als Vermittler eine Bank einschalten, um dem Bauer Frühauf das Geld für seine Kartoffeln zu bezahlen? Warum zweigen irgendwelche dubiosen Bankhäuser von meinem Deal mit dem Bauern auch noch Geld ab? Ich kann doch stattdessen im Zeitalter des digitalen Geldverkehrs dem Bauer Frühauf sein Geld direkt überweisen – ohne den Umweg über die parasitären Wegezoll-Lagerer, also ohne die Banken? Wie kriegen wir einen reibungslosen Geldverkehr von Partner zu Partner – englisch: from peer-to-peer zustande? Es geht also darum, ein System zu erschaffen, in dem es erstens keine Transportverluste von A nach B gibt. Und in dem auch nur die Partner A und B von der Transaktion wissen. Das geht doch niemanden etwas an, dass mir Bauer Frühauf einen Sack Kartoffeln verkauft. Die Transaktion läuft verschlüsselt-verborgen vor Dritten. Ist also krypto.

Satoshi Nakamoto

Kryptisch wie im Märchen geht die Geschichte weiter.

Die Tüftler aus Silicon Valley sahen nicht ein, dass sich zentrale Banken erfrechen, mit dem Geld ihrer Kunden herum zu jonglieren und ein durch nichts gerechtfertigtes Herrschaftswissen anhäufen. Die Finanzarchitektur der Welt sollte in Zukunft dezentral funktionieren. Das erfordert gigantische Rechenzentren als Knotenpunkte der Geldbewegungen. Denn wenn nicht die großen Bankhäuser das Geld und das Wissen ihrer Kunden akkumulieren sollen, dann muss eigentlich jeder Teilnehmer am Geldverkehr seine eigene Zentralbank sein – mit dem Protokoll über sämtliche Geldbewegungen, die auf der Welt passiert sind. Das erfordert eine Verkettung unzähliger Großrechner. Aber wer hat schon mal eben eine Lagerhalle für unzählige Großrechner? Und wer kann die gigantische Stromrechnung bezahlen, die diese gefräßigen Großrechner verursachen?

Schon gibt es natürlich wieder zwei Klassen von Teilnehmern am verschlüsselten, von der Idee her egalitären Geldverkehr: die einen, die ihr Geld durch die Knotenpunkte schleusen lassen, und auf der anderen Seite die Besitzer der Knotenpunkte mit ihren Großrechnern.

Immerhin. Die Lagerhallen mit den verknüpften Großrechnern etablierten sich bald zu einem weltweiten Netz von Knotenpunkten. Und jetzt kommt die Frage an den Prinzen: wie erzeuge ich virtuelle Golddukaten, die hart und wertbeständig sind wie ihre materiellen Artgenossen in Edelmetall? Die echten Golddukaten sind ja gerade so wertvoll, weil sie nicht jeder einfach auf der Straße findet, sondern weil das rare Rohmaterial aufwändig und mühsam aus dem Erdreich extrahiert werden muss. Die virtuellen Golddukaten soll auch nicht jeder Computertüftler mal eben so aus dem Nichts erfinden. Also muss es ultrakomplizierte mathematische Rätsel geben. Nur wer diese mathematischen Rätsel löst, ist berechtigt, einen neuen Golddukaten, einen so genannten Coin, zu schöpfen.

Im Jahre 2009, also mitten in der berüchtigten Bankenkrise, hatte ein unbekannt gebliebener Computertüftler mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto dann die Regeln aufgestellt, nach denen virtuelle Coins „geschürft“ werden dürfen. Herr Nakamoto stellte seine Algorithmen quasi als Wissens-Allmende in das Internet. Ab dem Zeitpunkt fing die Kryptoszene mit ihren dezentralen Großrechnern an, die mathematischen Rätsel des Herrn Nakamoto zu lösen. Die Wertbeständigkeit der Bitcoins ist durch ihre mengenmäßige Verknappung garantiert. Der Algorithmus von Herrn Nakamoto erlaubt maximal 21 Millionen Bitcoins. Wenn also immer mehr Leute diese Kryptowährung der Bitcoins benutzen, steigt notwendigerweise der Wert jedes einzelnen Coins. Und die Anzahl der Teilnehmer an der Kryptowährung nimmt schon jetzt dramatisch zu.

Lassen die Zentralbanken und die Privatbanken ihre Entmachtung zu?

Nein, natürlich nicht. Die großen Bankhäuser mögen das natürlich überhaupt nicht, wenn man an ihnen vorbei Geld bewegt. Und der Staat als Vollstreckungsorgan der zentralisierten Finanzwelt findet es überhaupt nicht witzig, wenn ihm größere Geldbewegungen verborgen bleiben. Zum Teil hat der Staat ja auch Recht. Denn von Partner zu Partner verschlüsselte Geldtransaktionen können von großen Verbrechersyndikaten missbraucht werden. Das muss verhindert werden. Staatsanwälte haben auch schon Krypto-Geld von bösen Buben konfisziert. Allerdings haben die herkömmlichen Finanzinstrumente durch die so genannten Clearing-Systeme schon ganz ungeniert Mittel und Wege eingebaut, Erträge aus kriminellen Aktivitäten ganz legal in den genehmigten Geldfluss einzupflegen <1>. Das Geschrei über Geldwäsche durch Krypto ist heuchlerisch, um das Mindeste zu sagen.

Aber nach dem Gesagten wundert es uns ja nicht mehr, dass die Regierungen der USA, Russlands oder Chinas gleichermaßen Handel mit Kryptowährung verboten oder zumindest massiv schikaniert haben. So wundert es auch nicht, dass die Bitcoin-Schürfer sich in Ländern etabliert haben, denen man einen solchen Hightech-Boom nie im Leben zugetraut hätte. Da ist zum Beispiel Äthiopien. Wir kennen aus Äthiopien bislang nur die erschütternden Bilder von verhungernden Kindern. Oder von furchtbaren Bürgerkriegen. Oder beides. Doch jetzt gibt es eine typische Win-Win-Situation: die chinesischen Krypto-Schürfer, die bei sich zuhause nicht aktiv werden dürfen, bauen riesige Schürf-Zentren für Kryptogeld in der Hochebene von Äthiopien. Ein chinesisches Konsortium hat bereits einen gigantischen Staudamm gebaut, mit einem sehr ergiebigen Wasserkraftwerk, das den Strom liefert für die Schürfer. Auf diese Weise kann Äthiopien, das sonst wenig exportieren kann, sein Geld selber generieren <2>.

Auf diese Idee ist auch der kleine Himalaya-Staat Bhutan gekommen. Bhutan ist sowieso schon lange das Experimentierfeld westlicher Nichtregierungsorganisationen. Hier genießen westliche Milliardäre im Königreich der buddhistisch-lamaistischen Rotmützen ihren meditativen Retreat. Und solche Leute haben für die Rotmützen in Bhutan auch Schürfzentren für Bitcoin aufgebaut <3>. Immer mehr arme Staaten dieser Welt kommen auf den Trichter, mit solchen digitalen Goldminen aus ihrer unverschuldeten Armutsfalle herauszukommen. Der mittelamerikanische Kleinstaat El Salvador hatte seine Währung auf Bitcoin umgestellt. Doch jetzt kam der Internationale Währungsfonds (kurz: IWF) des Weges. Denn El Salvador ist noch weit davon entfernt, auf herkömmliches Geld ganz verzichten zu können. Die Mittelamerikaner benötigten auf die Schnelle 1,4 Milliarden US-Dollar als Kredit. Dabei sollte doch klar sein, dass der IWF das Instrument der zentralen Bankhäuser ist. „Klar doch!“, so der IWF, „Wir geben Euch das Geld! Allerdings müsst Ihr dann die Kryptowährung als verbindliche Nationalwährung abschaffen und auf den US-Dollar umstellen!“ Nun, es kam ein Kompromiss raus, der es dem jung-dynamischen Präsidenten Nayib Bukele ermöglicht, das Gesicht zu wahren: wer will, kann weiter mit Bitcoin zahlen <4>. Aber verbindlich und Mainstream ist jetzt der US-Dollar! So einfach ist das.

König Donald, der Krypto-Messias

Der IWF hat also noch einmal seine Krallen voll ausgefahren. Doch die Zeit der Fiat-Freunde läuft ab. Ja, es ist jetzt viel die Rede vom Fiat-Geld, nämlich als Abgrenzung zum Krypto-Geld. Fiat ist in dem Falle keine italienische Automarke aus Turin, sondern der Begriff steht für das lateinische Verb: „fiat!“. Und das heißt so viel wie: es soll werden! Werden soll in diesem Falle, dass Geld als Zahlungsmittel akzeptiert wird alleine aufgrund der Tatsache, dass alle daran glauben, dass so ein Lappen Papier einen Wert repräsentiert. Und wer das nicht glauben will, kriegt eins auf die Mütze. Das ist so, nachdem der damalige US-Präsident Richard Nixon Anfang der 1970er Jahre die Deckung der Leitwährung Dollar durch Gold abgeschafft hat. Seitdem ist aus dem Glaubens-Geld Fiat ein unseriöses Pyramidensystem geworden. Es ist also allerhöchste Eisenbahn, ein neues Geldsystem zu installieren.

Das wissen auch die zentralen Bankhäuser ganz genau. Nun ist Krypto aber als weißer Elefant mitten im Raum am Rumstehen. Seit geraumer Zeit beginnen die Großbanken, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren. Sie kaufen sich als so genannte „Institutionelle Großanleger“ in gigantischen Mengen das einst gemiedene Krypto-Geld. Was man nicht vernichten kann, muss man halt einkaufen. Well, you know? Dig it! Der alte Präsident Biden wollte noch partout Kryptowährung unterbinden. Sein vier Jahre jüngerer Amtsnachfolger Donald Trump hat zwar keine Ahnung von Krypto. Aber seine Berater Elon Musk, Peter Thiel <5> und wie sie alle heißen, wissen umso besser Bescheid. Sie wollen Krypto durch aggressive Einkäufe an die Kette der US-Oligarchie schmieden. Das ist der wahre Sinn des Spruches: „Make America Great Again!“

So, und hier beginnt der Kalte Krieg um Krypto <6>. Denn plötzlich hat Russland erkannt, dass Krypto ganz toll ist. Energie-Reserven hat Russland im Überfluss. Und nun beginnen auch die russischen Tüftler Kryptogeld zu schöpfen. China hatte gegen den allgemeinen Trend im Jahre 2021 Krypto sogar verboten. Doch wir sahen ja schon, dass clevere Unternehmer dann aus China ausgewichen sind, um in Äthiopien Krypto zu schürfen. Die Chinesen sind absolut un-ideologisch und extrem pragmatisch. In ihren Denkfabriken wird die Entscheidung der Regierung als „absolut unweise“ kritisiert. Konfuzius hätte wohl auch in Krypto bezahlt, wenn es damals schon möglich gewesen wäre. Es ist also ein richtiger Wettlauf um Krypto im Gange. Die Großmächte zerren um Krypto wie zwei Vögel um einen Regenwurm.

Das „Sachsengold“

Und Deutschland? Ähm .. räusper. Die sächsische Staatsanwaltschaft hatte im Juli dieses Jahres konfiszierte Bitcoin-Bestände im Gesamtwert von 2,9 Milliarden US-Dollar auf den Krypto-Börsen verkauft. Damals kostete ein Bitcoin bereits 58.000 Euro. Die Community war schon angenervt, dass die Staatsanwaltschaft dieses Geld in großen Klumpen auf den Markt geworfen hat. Das macht man eigentlich nicht. Dieses „Sachsen-Gold“ wie es auch genannt wurde, wäre mittlerweile bereits über sechs Milliarden US-Dollar wert gewesen <7>. Denn für einen Bitcoin muss man jetzt über 100.000 US-Dollar bezahlen. Die Staatsanwaltschaft Sachsen kann für diesen „Hans-im-Glück“-Effekt gar nicht verantwortlich gemacht werden. Es ist das gesetzliche Rahmenwerk, das den wackeren Rechtspflegern keine andere Wahl gelassen hat.

Wir sind mal gespannt, wie die deutsche Politik auf die Herausforderungen der dezentralen Finanzwelt nach der Bundestagswahl reagieren wird.

Quellen

<1> Hermann Ploppa: Der Griff nach Eurasien – Die Hintergründe des ewigen Krieges gegen Russland. Marburg 2019. S.291

<2> https://mim.farm/bitcoin-mining-ethiopia/

<3> https://www.btc-echo.de/schlagzeilen/das-koenigreich-bhutan-ist-jetzt-bitcoin-milliardaer-195568/

<4> https://blockchainwelt.de/news/el-salvador-bitcoin-zahlungsmittel/

<5> https://tube.public.apolut.net/w/c6e2c8da-1119-40f4-993c-9ad3f23788bc

<6> https://www.forbes.com/sites/tomerniv/2024/12/16/the-cold-war-of-national-bitcoin-reserve-global-race-for-digital-gold/

<7> https://www.btc-echo.de/schlagzeilen/es-ist-vorbei-alle-bitcoin-sind-verkauft-188148/

Hermann Ploppa, Jahrgang 1952, ist Politologe und Publizist. Er hat zahlreiche Artikel über die Eliten der USA veröffentlicht, unter anderem über den einflussreichen Council on Foreign Relations. 2008 veröffentlichte er „Hitlers Amerikanische Lehrer“, in dem er bislang nicht beachtete Einflüsse US-amerikanischer Stiftungen und Autoren auf den Nationalsozialismus offenlegte und öffnete bereits einem großen Publikum die Augen über die tatsächlichen Hintermänner des Diktators. Sein Bestseller „Die Macher hinter den Kulissen – Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern“ sorgt nach wie vor für angeregte öffentliche Diskussionen. Seine neueste Veröffentlichung „Der Griff nach Eurasien“ beschäftigt sich mit den Hintergründen des ewigen Krieges gegen Russland.

Ploppa widmet sich den tiefen Strukturen und komplexen Zusammenhängen in Bezug auf das eurasische Verhältnis. Wer hat Interesse, dass Europa und Asien nicht weiter zusammenwachsen? Was sind die Bestrebungen des US-Imperiums, wenn China derzeit zur neuen Weltmacht aufsteigt? Welche Mittel und Wege werden gefunden, um der Herzland-Theorie von Mackinder folgend, Europa und Asien ewig zu spalten? Hermann Ploppa ist bekannt für seine akribische Recherche und pointierte Interpretation historischer und politischer Ereignisse. Er bringt zusammen, was in der deutschen Medienlandschaft, vor allem auch im Hinblick auf die eigene Historie, komplett verdrängt wurde.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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