Ein Beitrag von Thomas Röper
Der ungarische Ministerpräsident Orban hat der Bild-Zeitung ein Interview gegeben. Das Interview führte Paul Ronzheimer, der wichtigste Bild-Propagandist in der Ukraine, der sich erst vor kurzem damit blamiert hat, dass er in Kiew zusammen mit Klitschko angebliche Teile von abgeschossenen Kinzhal-Hyperschallraketen präsentiert hat, um die Erfolge der ukrainischen Luftabwehr zu präsentieren, die es gar nicht gegeben hat .
In diesem Interview hat Orban sein Format gezeigt, denn er hat sich von den provokativen Fragen des Bild-Propagandisten nicht aus der Ruhe bringen lassen. Schauen wir uns die wichtigsten Aussagen von Orban aus dem Bild-Interview einmal genauer an.
„Wenn die USA Frieden wollen, wird es Frieden geben“
Orban machte in seinen Antworten wieder einmal klar, dass die Ukraine Russland militärisch nicht besiegen kann. Dazu wies er dieses Mal nicht einmal mehr darauf hin, dass es unmöglich ist, eine Atommacht zu besiegen, weil sie im Falle einer Niederlage ihre Atomwaffen einsetzen würde, sondern beschränkte sich auf die realistische Situation auf dem Schlachtfeld:
„Das Problem ist, dass den Ukrainern die Soldaten früher ausgehen werden als die Russen, und das wird am Ende der entscheidende Faktor sein.“ (…) Weil ich denke, dass die Art und Weise, wie die Ukrainer an der Frontlinie kämpfen und wir Sie finanziell mit Informationen und mit Instrumenten unterstützen, und sie einen Krieg gegen Russland gewinnen können, ein Missverständnis der Situation ist. Das ist unmöglich.“
Der Bild-Propagandist wollte diese Realitäten nicht erkennen und fragte nach:
Frage Paul Ronzheimer : „Ich habe mich vor zwei Wochen mit Präsident Selenskyj zum Interview getroffen, und er argumentiert, dass sie das gesamte Territorium zurückerobern müssen.“
Antwort Viktor Orban: „Ich kenne diese Meinung. Aber was wirklich zählt, ist, was die Amerikaner tun möchten. Die Ukraine ist kein souveränes Land mehr. Sie haben kein Geld. Sie haben keine Waffen. Sie können nur kämpfen, weil wir im Westen.“ sie unterstützen. Wenn die Amerikaner auch beschließen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben.“
Orban sagte auch ganz klar, was jedem denkenden Menschen klar ist, nämlich, dass es die USA sind, die bestimmen, wann die Kämpfe enden. Wenn die USA beschließen, Kiew nicht mehr mit Waffen zu glauben, dann ist der Krieg vorbei und das Sterben hört auf.
Der Westen ist nicht für die Ukraine, sondern gegen Russland
Das bestätigen ja auch deutsche Politiker, wenn sie verkünden, einen Frieden zu Russlands Bedingungen solle es nicht geben, weshalb das Sterben eben weitergehen muss, bis die Ukraine siegt. Dass die aktuelle Gegenoffensive zeigt, dass die Ukraine nicht siegen kann, ignorieren die deutschen Politiker und verlängern mit ihren Waffenlieferungen das sinnlose Sterben in der Ukraine.
Den westlichen Politikern ist es lieber, dass weiterhin täglich hunderte Soldaten sterben und dass die Ukraine weiter verwüstet wird, als dass das Sterben aufhört. Ihnen geht es nicht um die Ukraine oder die Ukrainer, ihnen geht es um Russland. Es geht um genau das, was Putin ständig wiederholt: Der Westen wird der Ukraine nicht helfen, er wird Russland schwächen und zerschlagen. Darum ging es von Anfang an, das war ja auch der Grund für die Eskalation im Februar 2022, wie ich am Ende dieses Artikels noch einmal aufzeigen werde.
Orban sieht das genauso, denn er sagte:
„Aber Tatsache ist, dass die Diplomatie gescheitert ist und nun die Armee das Geschehen diktiert. Wir müssen die Politik und die Diplomatie wieder in die Hand nehmen, Waffenstillstand und Verhandlungen. Das ist der einzige Weg, wie wir in diesem Moment Leben retten können.“
Die Eskalation hätte verhindert werden können
Orban wies in dem Interview darauf hin, dass man das massenhafte Sterben hätte verhindern können, als er sagte:
„Ich habe mich von Anfang an für den Frieden eingesetzt. Wenn es auch von Anfang an Verhandlungen gegeben hätte, hätte es nicht so viele Tote gegeben und das Land wäre nicht zerstört worden. Meine Position war auch von Anfang an, dass wir den Krieg nicht zu einem globalen Krieg oder etwas Ähnlichem machen, sondern ihn isolieren und die Verantwortung von den Militärs auf die Politiker und Diplomaten zurückverlagern sollten, weil dieser Krieg nicht hätte passieren dürfen.“
Dabei sei daran erinnert, was westliche Medien verschweigen: Ende März 2022 hat die Ukraine selbst einen Vorschlag gemacht , der die Kämpfe hätte beenden können. Kiew hatte angeboten, dass die Ukraine ein neutrales Land wird, das abrüstet und keine ausländischen Truppen mehr ins Land lässt. Da es Russland vor allem darum geht, einen NATO-Beitritt der Ukraine zu verhindern, hätten die Kämpfe schon Anfang April 2022 enden können.
Orban weiß das alles, allerdings wissen es nur die wenigsten Menschen im Westen, weil ihre Medien ihnen das verschweigen.
Provokative Fragen
Ein Beispiel für die provokativen Fragen des Bild-Propagandisten Paul Ronzheimer war folgende Frage:
„Sie sagen auch, dass der Krieg nicht zu Ende sein wird, solange die USA keine Waffen mehr liefern, solange die Vereinigten Staaten Frieden haben wollen. Wenn die Ukrainer keine Waffen hätten, könnten sie sich nicht verteidigen. Und das bedeutet in gewisser Weise, sie ihrem Schicksal zu überlassen. Wollen Sie das?“
Aber Orban ließ sich auch von so dummen und provokativen Fragen nicht aus der Ruhe bringen und erklärte, warum diese Argumentation des Westens falsch ist:
„Nein, genau das Gegenteil. Wir möchten die Ukraine retten. Und der einzige Weg, sie zu retten, ist, dass die Amerikaner Verhandlungen mit den Russen aufnehmen und eine Vereinbarung über eine Sicherheitsarchitektur treffen und einen Platz für die Ukraine in dieser neuen Sicherheitsarchitektur finden.“
Die Lösung wäre eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa
Genau das ist die Kernfrage, um die es in dem Konflikt geht. Die NATO hatte Ende 2021 tausende Soldaten – offiziell als Ausbilder – in der Ukraine stationiert, was Russland als existenzielle Bedrohung angesehen hat. Am Ende dieses Artikels werde ich noch einmal aufzeigen, wie es zu der Eskalation im Februar 2022 gekommen ist, aber die Kernfrage war die Sicherheitsarchitektur in Europa.
Russland hat im Dezember 2021 Vorschläge für gegenseitige Sicherheitsgarantien gemacht und sogar die vorgeschlagenen Vertragstexte veröffentlicht . Wäre der Westen bereit gewesen, darüber zu verhandeln und Russlands Sicherheitsinteressen anzuerkennen, wäre der seit 2014 andauernde Krieg im Donbass nicht eskaliert und hätte sogar friedlich beendet werden können.
Dem Westen war die Ausdehnung der NATO jedoch wichtiger als Frieden und der Westen hat die inzwischen hunderttausend Toten bewusst in Kauf genommen, anstatt auf eine Erweiterung der NATO zu verzichten. Das zeigt, dass der von den USA geführte Westen nie die Ukraine schützen, sondern Russland durch den Konflikt schwächen wollte. Es geht nicht um die Ukraine, es geht um Russland .
„Putin ist für mich kein Kriegsverbrecher“
Orban wurde auch nach den Vorwürfen des Westens und der Anklage des Internationalen Strafgerichtshofes gefragt, die Putin als Kriegsverbrecher bezeichnen:
Frage: „Ist er für Sie ein Kriegsverbrecher?“ Orban: „Nein. Für mich nicht.“
Frage: „Warum nicht?“ Orban: „Weil wir uns in einem Krieg befinden. Wir können nach dem Krieg über Kriegsverbrechen sprechen. Wenn Sie einen Waffenstillstand wollen und dann handeln, müssen wir diejenigen, die Teil des Konflikts sind, überzeugen, an den Tisch zu kommen. Sie an den Tisch zu reißen und zu sagen ‚Kommt an den Tisch und ich nehme euch fest‘ ist keine gute Idee. So können wir diskutieren, so können wir diese ganzen rechtlichen Konsequenzen und strafrechtlichen Konsequenzen oder als Teil des Friedens diskutieren. Es ist auch völlig unpassend, darüber im Moment zu sprechen.“
Zur Verdeutlichung werde ich noch einmal aufzeigen, wie es zu der Eskalation in der Ukraine gekommen ist.
Anfang Dezember 2019 fand der letzte Normandie-Gipfel in Paris statt. Wolodomyr Selensky kam danach nach Kiew zurück und verkündete seinen Leuten hinter verschlossenen Türen, dass er das Abkommen von Minsk nicht umsetzen wird. Allen wurde im Ukraine-Krieg klar, dass ein Krieg mit Russland unvermeidbar geworden war und Kiew mit konkreten Kriegsvorbereitungen begann. Das hat der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Alexej Danilow, im August 2022 in einem Interview offen erzählt und auch Selensky hat das in dem Spiegel-Interview bestätigt.
Im Januar 2021 wurde Joe Biden US-Präsident. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Trump, der keine Eskalation in der Ukraine wollte, gab Biden Selensky grünes Licht. Daraufhin begann Selensky im Februar 2021 gegen die Opposition vorzugehen , woraufhin der Chef der größten Oppositionspartei unter Hausarrest gestellt wurde und alle oppositionellen Medien verboten wurden.
Im März 2021 setzte Selensky die neue Militärdoktrin der Ukraine in Kraft, in der ein Krieg mit Russland mit dem Ziel festgeschrieben wurde, die Krim gewaltsam zurückerobern und den Konflikt im Donbass gewaltsam zu entscheiden.
Mitte April 2021 verkündete die Biden-Regierung den Abzug aus Afghanistan bis zum 11. September.
Im April und Mai 2021 stand die Ukraine kurz vor einem Krieg mit Russland, wurde aber von den USA noch einmal „zurückgepfiffen“. War der Grund, dass die US-Truppen noch in Afghanistan und damit verwundbar waren oder, dass die USA die Ukraine nicht so umfänglich unterstützen konnten, solange sie noch in Afghanistan gebunden waren?
Mitte Juni 2021 fand ein Gipfeltreffen der Präsidenten Putin und Biden statt, bei dem es aber keine Annäherung gab.
Im August 2021 fand die überstürzte Flucht der NATO- und US-Truppen aus Afghanistan statt.
Während Kiew die Situation im Donbass ab Ende 2021 wieder eskaliert hat und die NATO ihre Truppenpräsenz in der Ukraine unter dem Vorwand von Manövern und Ausbildungsmissionen erhöht hat, haben Deutschland und Frankreich das Minsker Abkommen im November 2021 offiziell unterzeichnet , worüber es in den westlichen Medien allerdings keine Berichte gab.
Die Russland-Sanktionen wurden, wie Politico im Oktober 2022 berichtet, bereits mindestens ab November 2021 in Gesprächen zwischen Washington und Brüssel vorbereitet . Das war drei Monate vor dem Beginn der russischen Intervention in der Ukraine und gerade zu dem Zeitpunkt, als Berlin und Paris das Minsker Abkommen geschlossen hatten. Dass die Abkehr vom Minsker Abkommen zum Krieg in der Ukraine führen würde, war den Entscheidungsträgern in Washington und Brüssel (und wahrscheinlich auch in Berlin und Paris) offensichtlich klar, weshalb sie parallel die entsprechenden Sanktionen vorbereitet haben. Afghanistan war Vergangenheit und damit hatten die USA die Hände frei für einen neuen Konflikt.
Im Dezember 2021 forderte Russland von den USA und der NATO ultimativ gegenseitige Sicherheitsgarantien und den Abzug der NATO-Truppen aus der Ukraine und erklärte, dass es im Fall einer Ablehnung gegenseitiger Sicherheitsgarantien gezwungen sei, „militärisch“ zu reagieren. Damit war klar, dass Russland auf weitere Bestrebungen, die Ukraine in die NATO zu ziehen, militärisch reagieren würde. Das war der Moment, in dem allen verantwortlichen Politikern bewusst war, dass eine Ablehnung von Verhandlungen mit Russland zu einem Krieg in der Ukraine führen würde. Der Krieg und all das Elend hätte abgewendet werden können, wenn die USA bereit gewesen wären, einen neutralen Status der Ukraine dauerhaft zu akzeptieren und zu garantieren.
Am 8. Januar 2022 wurde Scott Miller zum US-Botschafter in der Schweiz berufen. In einem Interview vom November 2022 erzählte er ganz offen, dass die USA „Geheimdienstinformationen über die Invasion“ gehabt hätten und er diese sofort, also Anfang Januar 2022, der Schweizer Regierung gezeigt hätte. Da die Gespräche zwischen Russland und den USA über die Frage, ob es zu Verhandlungen über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien kommen würde, zu diesem Zeitpunkt noch liefen, belegt die Aussage von Miller, dass die USA bereits beschlossen hatten, nicht in Verhandlungen einzutreten und sich der Folgen, nämlich der russischen Intervention in der Ukraine, in vollem Umfang bewusst waren. Miller bestätigte damit außerdem indirekt den Bericht von Politico darüber, dass die Sanktionen schon Monate vorher ausgearbeitet wurden, was Bundeskanzler Scholz und andere westliche Politiker später ebenso bestätigten.
Ende Januar 2022 wurde in den USA das Lend-Lease-Gesetz für die Ukraine eingebracht, über das bei seiner Einreichung im Kongress geschrieben wurde:
„Mit diesem Gesetzesentwurf wird vorübergehend auf bestimmte Anforderungen im Zusammenhang mit den Befugnissen des Präsidenten, Verteidigungsgüter zu verleihen oder zu leasen, verzichtet, wenn die Verteidigungsgüter für die ukrainische Regierung bestimmt sind und zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Ukraine vor der russischen Militärinvasion erforderlich sind.“
Das bestätigte ein weiteres Mal, dass die USA sich bereits auf den Krieg vorbereitet haben, während sie offiziell noch immer mit Russland über mögliche Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien gesprochen haben, denn das Gesetz zur Unterstützung der Ukraine gegen die „russische Militärinvasion“ wurde einen Monat vor dem russischen Eingriff in den Kongress eingeführt.
Fast gleichzeitig: Mit der Einreichung des Gesetzes haben die USA und die NATO Ende Januar 2022 die von Russland vorgeschlagenen Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsgarantien abgelehnt.
Am 19. Februar 2022 hat Selensky auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter dem Applaus der hochrangigen westlichen Zuhörer die atomare Bewaffnung der Ukraine angedroht . Damit war das russische Eingreifen nicht mehr zu verhindern, denn dass sich die Ukraine, die in ihrer Militärdoktrin offen einen Krieg gegen Russland vorbereitet hat, sich dazu auch noch mit Rückendeckung des Westens nuklear bewaffnen könnte, war für Russland eine inakzeptable Bedrohung der eigenen Sicherheit.
Am 21. Februar 2022 hat Putin die Donbass-Republiken anerkannt und Beistandsabkommen mit ihnen geschlossen. In seiner Rede dazu hat Putin Kiew deutlich vor den Folgen einer weiteren Eskalation gewarnt. Kiew hat den Beschuss auf zivile Ziele im Donbass aber danach noch einmal demonstrativ erhöht.
Am 24. Februar 2022 hat Putin in einer weiteren Rede den Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine verkündet.
Am 29. März 2022 gab es bei Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau einen Waffenstillstand. Kiew selbst machte dabei den Vorschlag , die Krim als russisch anzuerkennen und eine Verhandlungslösung für den Donbass zu finden. Darüber hinaus hat Kiew zugesagt, keine ausländischen Truppen mehr in seinem Land zu stationieren und nicht NATO-Mitglied zu werden. Ein EU-Beitritt der Ukraine war hingegen möglich. Außerdem erklärte Russland als Zeichen des guten Willens, seine Truppen aus der Region Kiew abzuziehen, was westliche Medien sofort als militärische Niederlage Russlands umdeklarierten, obwohl der russische Rückzug ohne Kampfhandlungen stattgefunden hat.
Am 3. April 2022 erschienen die Meldungen von angeblichen Massakern der russischen Armee in Butscha, die sich jedoch schnell als False-Flag-Operation herausstellten . Dennoch wurde Butscha als russisches „Verbrechen“ bezeichnet und in den Medien breit behandelt, während die mögliche Verhandlungslösung, die nur Tage zuvor erreicht worden war, kein Thema in den Medien war.
Großbritannien ist ebenfalls nicht auf die erreichte Verhandlungslösung eingegangen, sondern hat der Ukraine stattdessen am 8. April 2022 Militärhilfe in Höhe von 100 Millionen Pfund für die Fortsetzung des Kampfes gegen Russland versprochen.
Einen Tag später , am 9. April 2022 , reiste der britische Premierminister Johnson nach Kiew und sprach mit Selensky, der das ukrainische Angebot im Anschluss an diese Gespräche zurückzog und stattdessen verkündete, die Entscheidung müsse auf dem Schlachtfeld erfolgen.
Am 30. September 2022 hat der ukrainische Präsident Selensky Verhandlungen mit einem von Putin geführten Russland per Dekret unter Strafe gestellt. Link: https://www.president.gov.ua/documents/6792022-44249