Für Aufregung sorgt aktuell eine Meldung aus dem Gesundheitsministerium, wonach die Zahl der Pflegebedürftigen in 2023 um 360.000 zugenommen habe. Laut demoskopischer Vorausberechnung hätten es nur 50.000 sein dürfen. Karl Lauterbach spricht von einem explosionsartigen Anstieg, der alle überrascht hätte. Angesichts dieser in den Raum geworfenen Horrormeldung, stellt sich mir zunächst die Frage, ob die Zahlen tatsächlich stimmen oder es sich erneut um eine panikmachende Aktion des Gesundheitsministers handelt. Denn seit der Corona-Zeit sind wir gut beraten, die Verlautbarungen Lauterbachs in Frage zu stellen. Zu oft und zu offensichtlich präsentierte er der Bevölkerung Zahlen, die sich am Ende als völlig haltlos herausstellten.
Ein Beitrag von Adelheid von Stösser
Wie wir seit der Offenlegung der RKI-Protokolle wissen, (https://multipolar-magazin.de/artikel/rki-protokolle-1) hat die Politik den Notstand „hochskaliert“, um Einschränkungen und Impfprogramme durchsetzen zu können, die sonst nicht akzeptiert worden wären. Aber welchem Zweck könnte es dienen, der Bevölkerung einen explosionsartigen Anstieg der Pflegeleistungsempfänger vorzumachen? Nun, zunächst einmal dürfte diese angeblich dramatische Zunahme der Pflegebedürftigen dazu beitragen, dass die Bevölkerung Verständnis dafür aufbringt, wenn demnächst die Pflegeversicherungsbeiträge drastisch erhöht werden. Anstatt der bisher geplanten moderaten Erhöhung von vielleicht 0,3 Prozent, sollten wir uns auf 2 bis 3 Prozent einstellen. Mein monatlicher Pflegeversicherungsbeitrag liegt derzeit bei 148 Euro.
Völlig erfunden sind die Zahlen jedoch nicht. Wie ein Blick in die Statistiken der Pflegeversicherung zeigt, lag die jährliche Steigerung der Pflegebedürftigkeitsrate bis 2016 um die 100.000. Seit der Einführung der neuen Bewertungskriterien (Einteilung in 5 Pflegegrade) in 2017 verzeichnen wir jährlich einen Zuwachs von um die 300.000.
Genauer ließe sich das Verhältnis feststellen, würde die Sterberate mit erfasst. Wir haben es ja hier mit einem Kommen und Gehen zu tun. Da wir seit der Impfkampagne eine Übersterblichkeit beobachten, dürfte die Gesamtzahl der Pflegebedürftigen in 2023 nicht gravierender gestiegen sein, als in den Vorjahren. Laut demoskopischer Entwicklung wäre eine Steigerung des Pflegebedarfs von jährlich rund 50.000 Menschen zu erwarten. Tatsächlich sind es jedoch 300.000 Menschen.
Woran liegt das?
Ich sehe die Hauptursache im falschen Anreizsystem. Die Pflegeversicherung ist gut gedacht, aber schlecht gemacht. Sie fördert den Pflegebedarf und belohnt diejenigen, die den Pflegebedürftigen bedürftiger machen. Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs in 2017 stieg die Rate sprunghaft von zuvor 100.000 neuen Fällen auf 300.000 an.
Pflegegeld statt Wohngeld: Ein Beispiel
Aktuell kümmert sich unser Verein, die Pflegeethik-Initiative Deutschland e.V., um die 84 jährige Frau G. aus Köln, die in einer kleinen Zweizimmerwohnung lebt und jetzt eine noch kleinere Wohnung sucht, mit einer Warmmiete von unter 700 Euro. Jetzt zahlt sie 1000 Euro, plus steigender Nebenkosten. Frau G. erzählte mir, dass jemand im Seniorenrat der Stadt ihr geraten hätte, einen Antrag auf einen höheren Pflegegrad zu stellen. Da sie bereits Pflegegrad 1 hat, stehen ihr 125 Euro (Entlastungsleistung) im Monat zu. Dieser Betrag nützt ihr jedoch gegenwärtig nichts. Mit dem Geld können lediglich Rechnungen für Haushalts- und Betreuungsleistungen gezahlt werden. Vorausgesetzt, es findet sich ein Anbieter.
Über einen Pflegedienst wurde Frau G. eine Putzhilfe angeboten, die jedoch mangels Personal nur dreimal überhaupt kam und keine wirkliche Hilfe war. Tatsächlich benötigt Frau G. keine Hilfe im Haushalt, weil sie ihre kleine Zweizimmerwohnung selbst in Ordnung halten kann. Vielmehr benötigt sie jemand, der ihr bei der geschäftlichen Korrespondenz hilft und mit dem sie ihre finanzielle Situation beraten kann. Geldsorgen rauben ihr den Schlaf, zumal sie als ehemalige leitende Mitarbeiterin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gut verdient hatte und eine vergleichsweise hohe Rente bezieht. Seit 2023 läuft ihr Konto ins Minus. „Finden Sie mal im Raum Köln eine Wohnung, die unsereins noch bezahlen kann? Alleine die Nebenkosten sind ja inzwischen so hoch, wie früher die Mieten waren.“ Im Seniorenkreis hatte man Frau G. geraten, sich bei der Begutachtung hilfebedürftiger zu geben, als sie ist, damit sie in Pflegegrad 2 kommt und monatlich mit 316 Euro Pflegegeld rechnen kann.
Mit diesem Pflegegeld wäre Frau G. über die Runden gekommen. Vorläufig zumindest – weil ja weiterhin alles teurer wird. Dieser Versuch ist allerdings gescheitert. Hierdurch hat sich ihre Lage deutlich verschlechtert, da das Betreuungsgericht eingeschaltet und eine Betreuerin eingesetzt wurde, der nichts anderes einfällt, um die finanzielle Lage der Seniorin zu stabilisieren, als ihre Unterbringung in einem Pflegeheim. Tatsächlich ist das oft die einzige Option, wenn alte Menschen ihr Leben in der eigenen Wohnung nicht mehr bezahlen können. Mit den Heimkosten, die ein Bewohner nicht selbst aufbringen kann, wird die Sozialkasse belastet.
Im Falle von Frau G., würde die Stadt zwischen 1.500 – 2.000 Euro monatlich an das Heim zahlen müssen. Denn im Durchschnitt kostet ein Heimplatz 4.500 Euro. Frau G. kann jedoch nur 2.100 Euro Rente einbringen und die Pflegekasse zahlt erst ab Pflegegrad 2. Während Frau G. alles versucht, um nicht ins Heim zu müssen, setzt sich nun das Betreuungsgericht dafür ein, dass ihr per Gutachten die Fähigkeit zur Selbstsorge abgesprochen wird, mithin ein Grund geliefert wird, um diese Frau gegen ihren Willen stationär unterbringen zu können. Unsere Empfehlung: Stattdessen einen Antrag auf Wohngeld an die Stadt zu stellen. Denn das wäre für alle die günstigere Lösung.
Wie auch an vielen anderen Beispielen gezeigt werden kann, weckt das deutsche Pflegesystem Begehrlichkeiten, bei Pflegebedürften wie auch Leistungsanbietern. Oft wird das Pflegegeld als zusätzliche Einnahmequelle einkalkuliert und nicht dafür verwendet, sich häusliche Hilfe zu nehmen. Darüber, wie dieses System ausgenutzt wird – ja geradezu einlädt, sich an den Töpfen zu bedienen, könnte ich inzwischen ein Buch schreiben.
Corona-Nachwirkungen und Impfschäden
Sollte es in 2023 tatsächlich 360.000 neue Pflegebedürftige gegeben haben, wären das rund 60.000 Menschen mehr, als in den Jahren davor. Diese Steigerungsrate dürfte sich auf gesundheitliche Schäden zurückführen lassen, die im Zusammenhang mit Corona stehen. Denn die vorangegangenen drei Jahre „Kriegszustand gegen das Corona-Virus“, haben Spuren hinterlassen. Nicht zuletzt bei Jugendlichen und jüngeren Menschen, die vor Corona schon zu Depression neigten und verhaltensauffällig waren. Ihre Zahl ist extrem gestiegen. Und wer nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, wird abhängig von der Hilfe und Pflege durch andere. Das Durchschnittsalter der Pflegebedürftigen dürfte jedenfalls in 2023 und wohl auch in den kommen Jahren auffallend sinken.
Der Anstieg der Pflegebedürftigkeit sollte unbedingt auch in einen Zusammenhang mit den Covid-Impfungen gestellt werden. So erleben wir seit 2021 Steigerungen bei vielen Krankheiten. Insbesondere Schlaganfälle, neurologische Diagnosen, Herzinfarkte, Thrombosen, Embolien, Krebserkrankungen etc. Betroffene, die nicht plötzlich und unerwartet daran versterben, bleiben oft dauerhaft abhängig von Pflege und Medizin.
Ein Blick auf dieses Statistik der Impfnebenwirkungen, lässt das Ausmaß erahnen.
In Deutschland werden Impfschadens-Meldungen vom Paul-Ehrlich Institut (PEI) erfasst. Bis zum 31.03.203, dem Ende der staatlichen Corona-Verordnungen, wurden 340.282 Meldungen registriert. 55.486 der Schadensmeldungen wurden als schwerwiegend eingestuft. Wobei erfahrungsgemäß bestenfalls in jedem zehnten Falle ein Verdacht überhaupt gemeldet wird. Wollte der Gesundheitsminister wissen, wie viele Menschen durch einen Impfschaden in eine dauerhafte Pflegeabhängigkeit geraten sein könnten, brauchte er nur das Melderegister des PEI mit den Namen der seit der Impfkampagne neu registrierten Pflegebedürftigen vergleichen lassen.
Anstatt sich um Aufklärung zu bemühen, versucht Herr Lauterbach mit geradezu irrwitzige Mutmaßungen, jedoch von den eigentlichen Ursachen abzulenken. Demnach wären die Babyboomer, die sich derzeit im jungen Rentenalter befinden, explosionsartig pflegebedürftig geworden. Ein Aufstau bei der Antragstellung hat es allenfalls in 2020 und 2021 gegeben. Damals fanden die Pflegebegutachtungen oft am Telefon oder Online statt. Seit 2022 kann der MDK wieder zeitnah auf jeden Antrag reagieren.
Die Gründe für den unverhältnismäßigen Anstieg der Pflegebedürftigkeit liegen auf der Hand: Sie sind das Ergebnis einer fehlgeleiteten Gesundheitspolitik, die in der Corona-Zeit ihren Höhepunkt fand. Bisher zeigen die zuständigen Personen kein ernsthaftes Interesse an einer Aufarbeitung, weshalb wir mit weiteren Zuspitzungen in den nächsten Jahren rechnen müssen.
Quellen:
https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-05/pflege-bedarf-karl-lauterbach-statistik-anstieg
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Zahlen_und_Fakten/Zahlen_und_Fakten_Dezember_2023.pdf
https://www.impfnebenwirkungen.net/ema/tabellen/
https://multipolar-magazin.de/artikel/rki-protokolle-1
Zum Autor: Adelheid von Stösser, Jahrgang 1953, ist eine deutsche Pflegeexpertin. Sie entwickelte Anfang der 1990er-Jahre die Stösser-Standards, eine Reihe von Vorlagen für Pflegestandards, die insbesondere in der stationären Altenpflege Anwendung finden. Von Stösser begann 1970 eine Ausbildung zur Krankenschwester. Nach einigen Jahren Berufspraxis übernahm sie die Stationsleitung einer internistischen Station. Es folgte eine Weiterbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe. Seit 1986 ist von Stösser freiberuflich tätig und beschäftigte sich zunächst vor allem mit Umstrukturierung von Funktionspflege zu Bezugspflege sowie der Pflegedokumentation. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit pflege- und gesundheitspolitischen Themen und der Pflege Demenzerkrankter. Sie ist Vorstand des Pflege-Selbsthilfeverbands e.V. in Köln und organisiert das „Helfernetz Daheim“ in Rheinland-Pfalz. Sie finden hier zur Internetseite: https://helfernetz-daheim.de/
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