RKI-Leaks: Der Weg ist das Ziel

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  • August 1, 2024
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Nur einen Tag nach der Veröffentlichung möglicher neuer Protokolle des Robert-Koch-Institutes wird in den sozialen Medien die Authentizität des RKI-Leaks angezweifelt. Es kursieren die unterschiedlichen Zusprechungen sowohl aus den Mainstreammedien, aber auch aus alternativen Kreisen. Dabei handelt es sich nicht nur um die Inhalte der Protokolle, die einige Protagonisten gut studierten und bereits Unterschiede zu den juristisch herausgeklagten Unterlagen des Journalisten Paul Schreyer (Multipolar) und jenen Protokollen, die am vergangenen Dienstag vom Trio Velázquez, Homburg und Barucker in die Öffentlichkeit fanden, feststellten. Einige Medien zweifelten dann auch noch an der Integrität der freien Journalistin Aya Velázquez, weil sie in der Vergangenheit eine Agentur für Escord-Service unterhalten habe und selbst honorige Kunden als Sexarbeiterin betreute.

Ein Beitrag von Sabiene Jahn

Shutterstock/ DimaBerlin

Tatsächlich hat sie, wie Aya Velázquez selbst erläuterte, den Job als Sexarbeiterin an den Nagel gehängt, den sie in ihrer Studentenzeit machte und dabei gut verdiente. Die Tätigkeit war vor etwa fünf Jahren ausführlich in wenigen Interviews mit ihr beschrieben worden. Die Arbeit im sogenannten „Rotlichtmilieu“ ist für einige Menschen offenbar anrüchig, gerade dann, wenn auf seriöse journalistische Arbeit wert gelegt wird. Beides gelingt offensichtlich. Aya Velázquez arbeitete auch schon in der Hoch-Zeit des Coronaprotestes redaktionell und formte unter anderem am Profil der Zeitung „Demokratischer Widerstand“, die zu Beginn weder feste finanzielle Grundlagen noch Abonnenten hatte. Sie weiss sich durchzubeissen, kokettiert nicht und bleibt cool.   

Selbstverständlich ist es bei aller Akribie möglich, die Frage zu stellen, ob Velázquez möglicherweise ein sogenannter „Honeypott“ sein könnte, wie es ein bekannter Arzt in seinem Podcast bemerkte. Eine Art Köder also, um die Gesellschaft abzulenken vom eigentlichen. Kritiker stellten dann auch die veröffentlichten Dokumente in frage. Das stellte Velázquez Ende der Woche jedoch klar – die Leaks sind echt, sie stammen offenbar direkt aus dem RKI-Archiv.

Es ist sicher ebenso nachvollziehbar, wenn nachgefragt wird, weshalb Velázquez den akribisch recherchierenden Journalisten Paul Schreyer nicht vor der Veröffentlichung des Leaks einweihte. Wie Aya Velázquez auf X dem Journalisten mitteilte, ihr Team hat alles dafür getan, um – ich paraphrasiere – sicherzustellen, dass Informanten geschützt werden, genug Zeit zur Prüfung bestünde, die Sicherheit des unmittelbaren familiären Umfelds von Velázquez hergestellt wird, aber auch die Pressekonferenz geheim vorbereitet werden könne. Das Sicherheitskonzept hat funktioniert. Alles musste bis zur Pressekonferenz wasserdicht bleiben, denn Velázquez‘ journalistische Arbeit wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet, wie sie auf ihrem X-Kanal am 4.Juli 2024 berichtete.   

Dass die Kritiker Velázquez‘ Verhalten zunächst nicht nachvollziehen konnten, wie es auch der Rechtsanwalt Gordon Pankalla äusserte, muss dahinstehen, es gab aus heutiger Sicht keinen Spielraum, ein Risiko einzugehen. Der Wunsch Paul Schreyers, die neuen Unterlagen erst nach dem von ihm erwartenden Gerichtsurteil zu veröffentlichen, war nicht erfüllbar. Velázquez war – wenn auch geplant – unter Zeitdruck. Was Wenige wissen ist, am Tag der Veröffentlichung verbrachten sie und ihre Mitstreiter nicht mehr zu Hause, um möglichen „spontanen“ Hausdurchsuchungen zu entgehen. Viele anerkennende Beobachter eines dreijährigen Gerichtsverfahrens, das Journalist Paul Schreyer geduldig vorbereitete, votierten verständlicherweise für Kooperation in der Sache, hatten jedoch nicht das notwendige Wissen zu den besonderen Umständen, die eine solch brisante Veröffentlichung mit sich bringt. Jedoch gibt es unzählige Erfahrungen, wie mit Regierungskritikern bereits umgegangen wurde.

Der Autor Alexander Wallasch lenkt die Aufmerksamkeit zu einem ganz anderen Umstand und holte für eine erste Einschätzung aus, „…Schreyer kann dankbar sein, dass Aya Velázquez sein „Werk“ nun vollendet.“ Er führt weiter aus, „Denn Schreyer selbst ist kein perfekter Anwalt für seine Sache“, meinte er und nennt dann schliesslich das entscheidende Argument, denn Paul Schreyer „gibt kaum Interviews und ist auch sonst in der Kommunikation zurückhaltender, als es seiner Sache eigentlich dienen könnte. Velázquez hat den Stein einfach mal umgedreht und ihn – den Stein – bis tief in den Maschinenraum der etablierten Medien geschleudert.“ 

Velázquez weiss selbst, dass die Übergabe an sich noch keine journalistische Leistung ist. Aus welchen ihr anvertrauten Gründen sie die Dokumente erhielt, schilderte sie (noch) nicht, nur, dass der Whisleblower ein ehrenvolles Interesse an Transparenz des institutionellen und internen Kampfes hatte. Was Velázquez gelang ist, möglicherweise nun auch einen Platz ausserhalb der alternativen „Blase“, zu finden, die von regierungstreuen Mainstream-Akteuren verteufelt wird, denn das Thema ist wichtig – ob es für den einen oder anderen schon plausibel erscheint. Im Moment ist nur ein kleiner Teil der eigentlichen Arbeit getan – das Sichten, Vorsortieren und Scannen von Daten, das Aufbereiten zum Download, die Wahl sicherer Plattformen, um es zur Verfügung zu stellen und erste Einschätzungen.

Der Leak entfaltete jedoch zunehmend noch etwas ganz anderes Fantastisches: Es ist der Ehrgeiz für Bürgerjournalismus und mit ihm die enorme Leistungsfähigkeit einer bundesweiten Schwarmintelligenz. Sie ist wiedererweckt. Diese Herangehensweise wurde vielen Menschen in den zurückliegenden Jahren bewusst, die verstanden, dass sie darin die effizienteste Form der demokratisch verstandenen Selbstermächtigung finden, während gut bezahlte Profis der reichweitenstarken Medien teilweise devot zuschauten und eben nicht hinterfragten, was Politik, Wirtschaft und Institutionen trieben. Damit bündelt Velázquez‘ Team geballte Kraft einer lange Jahre gewachsenen Volksbewegung. Diese seziert nun die Protokolle nach gerichtsfesten Fakten. Sie braucht es für den Kampf gegen Goliath. 

Für manch einen klingt das Adjektiv bezüglich Schreyer „dankbar“ noch nach, es tönt in Wallaschs Text etwas deplatziert, und „vollendet“ ist Schreyers Werk mit der Veröffentlichung der Leaks eben noch nicht, wie er es ausdrückt. Erst wenn die Judikative die Verantwortung zuweist, Untersuchungen dazu öffentlich stattfinden, dann kann es zu ende gebracht werden.

Mit der charakterlichen Einschätzung des Paul Schreyers hat Wallasch recht – im positiven Sinne. Schreyer besitzt die Tugend, die vielen Mitstreitern in der schnelllebigen Medien-Branche heute nicht mehr zugesprochen werden kann. Gemeint ist, er arbeitet gewissenhaft und ist in keiner Weise prätentiös, er ist vor allem leise. Er ist ein exzellenter Handwerker mit klaren Regeln und sein schlicht gehaltenes Portal Multipolar steht für jeden Interessenten kostenfrei nutzbar zur Verfügung. Schreyer gehört daher mit seiner beharrlichen Vorgehensweise nicht gescholten, wenn er über X argumentiert, der Leak überlagere das (von ihm geduldig erwartete) Urteil, „das nun eher unter ferner liefen in den Medien behandelt werden dürfte“. Festzustellen ist, die aufwendige Arbeit war der legale Start, um der wahrscheinlichen institutionellen und politischen Korruptionsaffäre Erhellung zu verschaffen. 

Debattiert werden kann über die Art der Kommunikation unter Kollegen, sie führen an dieser Stelle nur nicht weiter in der Sache. Alexander Wallasch meinte, die Mittel von Velázquez seien probat, „und da ist Velázquez viel mehr klassische Investigativ-Journalistin als Schreyer,“ so der Autor. Doch investigativer Journalismus setzt eine langwierige, genaue und umfassende Recherche vor Veröffentlichung voraus. Es geht danach vor allem darum, wirkmächtige politische Netzwerke und die Strukturen reichweitenstarker Massenmedien zu überlagern, die aus systemischen Gründen nur sehr zögerlich bis gar nicht reagieren. Hier müssen alle Kräfte mobilisiert werden.

Sollte man darauf warten, bis sich die allgemeine Öffentlichkeit empört? Gemeint ist damit der mehrheitlich „geimpfte“ Teil der Bevölkerung, der Glück hatte, ohne bisherige Nebenwirkungen davongekommen zu sein. Ihnen ist es mittlerweile egal, die Impfung ist irreversible. Insbesondere Geschädigte warten auf weitreichende Unterstützung. Die aber sind matt vom Spießrutenlauf. Und die Menschen, die verstarben, können sich nicht mehr bemerkbar machen. Also nein. Werden sich dann wenigstens die politisch direkt Verantwortlichen für ihre Exzesse entschuldigen? Die Zeiten, in denen Politiker zumindest den Anstand besassen, sind offenbar vorbei. Bei juristischen Verfahren, so wissen sie, ist es sowieso besser, erstmal den Mund zu halten. Sie nutzen dann gern mediale Gegenoffensiven zur Abwehr. Was also ist zu tun? 

Nur mit der Tugend Paul Schreyers wird der Schwarm um Aya Velázquez‘ Team beharrlich Erfolg haben, davon bin ich überzeugt. Die Zertrümmerung freiheitlicher Grundrechte und der Verstoss gegen den Nürnberger Kodex könnte wie ein Bumerang auf Politik und staatliche Institutionen zurückschwingen, wenn die alles entscheidende Hürde fällt. Nicht nur erst dann, wenn es eine breite Masse so empfindet. Die entscheidenden Partner sind deutsche Staatsanwälte und Richter, die zu prüfen haben, ob die veröffentlichten Anordnungen auf wissenschaftlichen Ergebnissen des RKI beruhten oder ob die politischen Akteure Bürger und auch Medien anlogen und das RKI unter Druck setzten. Die politische Sommerpause sollte gut genutzt werden, um das vorzubereiten,   d e r   Weg ist das Ziel.

Sabiene Jahn, Jahrgang 1967,  ist freie Journalistin. Sie studierte Kommunikation der Werbewirtschaft. Seit über 35 Jahren ist sie als freischaffende Künstlerin (Sängerin und Synchronsprecherin) tätig.  Seit 2015 engagiert sie sich in der deutschen Friedensbewegung. Sie gründete Anfang 2018 den parteifreien Bürgeraustausch „Koblenz: Im Dialog“, um mit Bürgern, Journalisten und Wissenschaftlern in den persönlichen Austausch zu kommen und veröffentlicht Interviews und Vorträge auf ihrem gleichnamigen You Tube Kanal. Sie moderiert u.a. auf dem Kanal DruschbaFM die „NATO-Akte“. Die in Halle/ Saale geborene Autorin, arbeitete einige Jahre in Berlin bei der Gewerkschaftszeitung der IG Bergbau und Energie, später war sie 25 Jahre in Tochterunternehmen des Mittelrhein-Verlages Koblenz tätig und wohnt seit über 30 Jahren in Rheinland-Pfalz.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen. Die Meinungen und Ansichten der Autoren müssen nicht der Redaktion von Berlin 24/7 entsprechen.

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