Sie wollen den totalen Krieg. Ob es beim dritten Versuch endlich klappt?

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  • Juni 9, 2024
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Mit 5.000 Helmen fing es an, mittlerweile sind „wir“ nach gut zwei Jahren Krieg in der Ukraine bei deutschen Waffen, die Russen in ihrem eigenen Land töten sollen, angekommen. Was kommt als Nächstes? Wer drückt zuerst auf den roten Knopf? Der Abgrund rückt immer näher.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ – Egon Bahr (2013)

Ein Meinungsbeitrag von Sven Brajer

Andy Gin / shutterstock

Mit welcher Kaltschnäuzigkeit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die selbstgezogenen roten Linien einreißt, ist wirklich beachtlich. In dieser Hinsicht erinnert er an seinen Amtsvorgänger Konrad Adenauer und dessen legendären Spruch: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Nun hat er der Ukraine zum ersten Mal offiziell erlaubt, mit deutschen Waffen russisches Territorium zu beschießen. 80 Jahre nachdem die rote Armee unter unvorstellbaren Verlusten die deutschen Besatzer aus der Sowjetunion zurückgedrängt hat und 110 Jahre nachdem die Sozialdemokraten am Vorabend des Ersten Weltkriegs für die Kriegskredite des Deutschen Reiches stimmen. Auffällig dabei ist, dass es nur einen Tag zuvor aus Washington hieß, dass die Ukrainer nun doch US-Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen dürfen, vorerst jedoch nur in der Region Charkow. Vorerst. Es ist also klar, woher der Wind im Bundeskanzleramt weht: Aus Westen, vom Atlantik her, wie so oft. Denn dort hat man sich jetzt entschlossen zu eskalieren. Nicht nur die Ukraine wird daher den geopolitischen Plänen der US-Administration auf dem großen, geopolitischen Schachbrett geopfert, sondern auch der Rest Europas darf gerne zum Schlachtfeld werden, Hauptsache der Krieg ist weiter genug vom eigenen Territorium weg. Im „besten Fall“ hat man mit der EU gleich noch einen lästigen wirtschaftlichen Konkurrenten vom Hals geschafft, den man nach einer möglichen ganzen oder teilweisen Zerstörung ähnlich wie nach 1945 mit US-Krediten wieder aufbauen kann. Aber so weit ist es zum Glück noch nicht. Erst muss nämlich mobilisiert werden. Und das passiert postwendend: FDP-Politikerin und Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat wiederum nur einen Tag nach der erneuten „Zeitenwende“ im Kanzleramt dazu aufgerufen, die 900.000 Reservisten in Deutschland zu aktivieren und diese zunächst baldmöglichst zu registrieren. Denn klar ist doch: Der Iwan steht bald wieder kurz vor Berlin, wenn wir ihm jetzt nicht endlich Einhalt gebieten.

Aus 5.000 Helmen Richtung Osten sind mittlerweile Panzer und Artilleriewaffen geworden. Die Bundesrepublik als Teil des im Niedergang befindlichen Westens eskaliert im Wertekollektiv munter mit. Andere gehen noch weiter: Ende Mai hat der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen der Ukraine erlaubt, vom Nato-Staat gelieferte F-16 für Angriffe auf militärische Ziele in Russland zu nutzen. Frankreich Präsident Emmanuel Macron poltert schon seit Monaten im Cäsarenwahn und schwadroniert über den Einsatz von französischen Fußtruppen in der Ukraine.  Napoleon-Komplex? Alte französische Kolonialreflexe? Vielleicht. Was aber noch mehr auf der Hand liegt: Genau wie die Ampel hierzulande steht Macron innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand: Der Wahnsinn der Corona-Jahre hat die Gesellschaften massiv gespalten, er war ganz vorne mit dabei. Die Migrationsdebatte mitsamt sozialen und kulturellen Verwerfungen, speziell über Menschen mit islamischem Hintergrund, fliegt den Herrschenden um die Ohren. Große Teile der Wirtschaft wurden und werden massiv an die Wand gefahren, hierzulande aufgrund der weltweit einzigartigen Klimaapologetik freilich noch stärker als beim westlichen Nachbarn, denn die Franzosen lassen bekanntlich nicht jeden Irrsinn mit sich machen – anders als die Deutschen.

Was beide Regierungen wieder eint: Die Politik des billigen Geldes, seit 2020 geht die Neuverschuldung beider Staaten durch die Decke. Renten, soziale Leistungen, Krankenversorgung für zukünftige Generationen? Interessiert nicht! Nein, die Jungen dürfen sich auf noch höhere Steuern in Zukunft freuen – außerdem: Uns geht es doch noch gut, oder? Nicht mehr so ganz, es gärt an allen Ecken und Enden. Da wäre doch ein großer Krieg die Lösung! Die Rüstungsindustrie will schließlich auch einmal wieder an die Fleischtröge und die Banken finanzieren schon immer gerne Kriege – und den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete danach. Dann fragt auch endlich keiner mehr nach den lästigen RKI-Files oder Pfizer-Deals; warum gefühlt jeden Tag blutige Messerattacken am hellichten Tage geschehen, oder gar warum die Ampel in nur drei Jahren den Wirtschaftsstandort Deutschland „nachhaltig“ geschädigt hat.

Das Feindbild steht bereit, es ist seit mehr als 100 Jahren „der Russe“ – wen kümmern da noch die 27 Millionen toten Sowjetbürger des Zweiten Weltkriegs oder gar die Frage, wer in den letzten 35 Jahren eigentlich wem immer stärker auf den Pelz gerückt ist: Die Nato Russland oder Russland der Nato? Und wer hat eigentlich die Wiedervereinigung Deutschlands final mit dem Abzug der eigenen Truppen ermöglicht? Völlig egal, im Kanzleramt hat man bereits ganz andere Dinge „vergessen“, doch bei „gut“ und „böse“ sind die Rollen für den „Wertewesten“ unverrückbar. Es geht schließlich immer um „unsere Demokratie und Freiheit“! Statt in Afghanistan werden „unsere Werte“ jetzt eben in der Ukraine verteidigt. Oder besser direkt in Russland. Mit dem Taurus? Wir werden sehen.

Es ist also alles angerichtet für einen „reinigenden“ Waffengang im Osten, oder? Beim dritten Versuch klappt es bestimmt – wenn wir nur alle ein wenig „solidarisch“ sind und jeder ein paar kleinere oder auch größere Opfer erbringt. Für die Gute Sache eben, Sie wissen schon. Die Frage ist nur, wann das Startsignal aus Washington ertönt. Da im November jemand ins Weiße Haus einziehen könnte, der diesen Irrsinn vielleicht noch in letzter Sekunde abbläst, ist das Zeitfenster überschaubar.

„Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“ (Albert Einstein)

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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