Deutsche Wirtschaft überfüllt die Sanktionen gegen Russland in vorauseilendem Gehorsam

Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben wenig erreicht und bereiten einen wahnsinnigen Stress für die eigene Wirtschaft. Dennoch haben gerade deutsche Firmen die Sanktionsvorgaben übererfüllt. Das berichtete kürzlich in Berlin Andreas Metz vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft.

Éva Péli: 13. Wirtschaftspolitische Gespräche des Ostinstitut Wismar

Im Wirtschaftskrieg gegen Russland schießen die deutschen Unternehmen sich noch freiwillig ins zweite Knie, wenn die Politik von ihnen via Sanktionen den Selbstschuss ins erste Knie verlangen. Das belegte Andreas Metz vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft bei den 13. Wirtschaftspolitischen Gesprächen des Ostinstitutes Wismar. Er sprach tatsächlich von „phantastischen Leistungen“ der deutschen Unternehmen im Sanktionskrieg gegen Russland.

Metz ist Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Dieser ist nach eigenen Angaben die Initiative deutscher Unternehmen für 29 Länder in Osteuropa, Mittelosteuropa, Russland, Südosteuropa und Zentralasien.

Metz verkündete offensichtlich stolz, dass die deutschen Firmen die Sanktionen übererfüllen und es nur geringe Verstöße dagegen gebe. Er beklagte nur den „Wildwuchs“ der Vorschriften, die nach seinen Worten für zunehmende Rechtsunsicherheit sorgen würden.

Dabei gilt Rechtssicherheit als einer der größten Wünsche der Unternehmen und Konzerne an die Politik, bevor sie aktiv werden und investieren. Doch Metz verkündete ganz in der Linie des vorauseilenden Gehorsams, es gebe nur „Streit in der Sache“, aber die deutsche Wirtschaft sei nicht gegen die Sanktionen. Er bekam nur einmal deutlichen Widerspruch aus dem Publikum und musste sich sagen lassen, dass er wie das „Sprachrohr der Politik“ wirke.

Der Ausschuss-Öffentlichkeitsarbeiter warf Russland vor, sich mit dem Einmarsch in die Ukraine nicht an das Recht zu halten, was so wichtig für die Wirtschaft sei und weshalb die Sanktionen grundsätzlich gerechtfertigt wären. Dabei gelten Experten zufolge als völkerrechtlich legal nur ausschliesslich die nach Artikel 39 der UN-Charta vom Sicherheitsrat der UN beschlossenen Sanktionen zur Aufrechterhaltung des Weltfriedens und die im Rahmen des Art. 51 UN-Charta zur Verteidigung ergriffenen Zwangsmaßnahmen.

Doch das kümmert jemand wie Metz anscheinend nicht weiter. Und selbst, wer noch Geschäfte mit Russland im offiziellen sanktionsfreien Raum macht, bekommt diese zu spüren.

So berichtete bei der Veranstaltung ein Unternehmer aus Mecklenburg-Vorpommern, dass die zuständige Zollbehörde die Lieferung von Maschinen nach Russland blockiert. Er ist nach seinen Angaben im Bereich der Lebensmitteltechnik tätig, der nicht von den Sanktionen betroffen sei.

Die Zollbehörde würde ihm immer wieder die Ausfuhrgenehmigung verweigern – wegen des Lieferzieles Russland, ohne weitere Begründung. Der Unternehmer bat Metz um Unterstützung, der ihn aber auch nur an das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verweisen konnte.

Er dürfte angesichts des vorauseilenden Gehorsams auch von Behörden gegenüber dem antirussischen Kurs der Politik nicht der einzige Betroffene sein. Alles im Zusammenhang mit Russland sei inzwischen „toxisch“, hatte zuvor Andreas Steininger vom Ostinstitut zu Beginn der Veranstaltung erklärt.

Wirtschaftssprecher Metz gestand ein, dass die Sanktionen gegen Russland ihr Ziel, Russland zu „ruinieren“, wie es Außenministerin Annalena Baerbock 2022 formulierte, nicht erreicht haben. Dafür machte er vor allem China verantwortlich, dass Russland unterstütze und der „große Gewinner“ der Sanktionen sei.

Zuvor hatte Gunter Deuber, Chef-Volkswirt der österreichischen Raiffeisen Bank, darauf hingewiesen, dass die antirussischen Sanktionen nur von 60 Prozent der Weltwirtschaft mitgetragen werden. Das Sanktionspotenzial des Westens sei ausgeschöpft und die russische Wirtschaft widerstandsfähiger als von vielen erwartet.

Er warnte davor, sich Illusionen hinzugeben darüber, was mit den Sanktionen erreicht werden könnte. Die Politik sei „zu optimistisch“ gewesen, was damit bewirkt werden könnte. Er bezeichnete China als „die helfende Hand“ Russlands und verwies auf Pekings eigene geopolitische Agenda, die über den Ukraine-Krieg hinausreiche.

Die österreichische Bank ist seit 1990 in Russland aktiv und macht laut Deuber dort weiterhin Geschäfte, ohne dabei gegen die Sanktionen zu verstossen. Er berichtete, dass die USA sich immer wieder einmischen würden beziehungsweise das versuchen, obwohl der US-Dollar von den Bankgeschäften nicht betroffen sei. Zugleich würden die USA pragmatischer mit den Sanktionen umgehen als ihre europäischen Verbündeten.

Moderator Frank Schauff vom Ostinstitut beschrieb entsprechende Erfahrungen aus seiner eigenen Tätigkeit als Geschäftsführer der Association of European Businesses (AEB) in Russland bis 2020. Die USA würden die Sanktionen als „Mittel der Konkurrenz“ einsetzen und den eigenen Firmen Sondergenehmigungen erteilen, um dennoch Geschäfte machen zu können.

Das eigene wirtschaftliche Interesse sei für die US-Politik entscheidend, bestätigte Bank-Volkswirt Deuber. Wirtschaftssprecher Metz ist sich sicher, dass die Ukraine sich ohne die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht hätte halten können. Er bezeichnete dafür auch den westlichen Zusammenhalt als „entscheidend“.

Russland müsse vor allem bei Rohstoffen, den sogenannten Dual-Use-Gütern und bei den Finanzen getroffen werden, so Metz. Die Sanktionen würden die russische Wirtschaft treffen, zeigte er sich überzeugt.

Russland spiele als Handelspartner für die Europäische Union (EU) keine Rolle mehr. Viele finanzstarke Investoren und große Konzerne hätten sich aus dem Land zurückgezogen, trotz hoher Verluste infolge dessen. Der deutsche Handel mit Russland sei von einem Volumen von 60 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 12,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr gesunken – für Metz eine „gigantische Leistung“.

Bank-Volkswirt Deuber sagte, die europäischen Staaten müssten sich fragen, ob der realwirtschaftliche Austausch mit Russland noch gewollt sei: „Können und wollen wir Russland komplett aus unserem Handel entfernen?“ Er sieht mittel- und langfristig Sanktionsfolgen für die russische Wirtschaft.

Die habe schon lange eher das Problem der zu geringen Produktivität, erinnerte Moderator Schauff. Er verwies auch darauf, dass es bereits seit 2013 einen Rückgang des westlichen Handels mit Russland gebe, was andere Ursachen als die Sanktionen haben müsse.

Auf einer der unbeabsichtigten Folgen der Sanktionen gegen russische Personen, Firmen und Institutionen machte Ostinstituts-Chef und Jurist Steininger aufmerksam: Russische Oligarchen könnten ihre Gelder nicht mehr ins Ausland bringen und würden deshalb in Russland wieder investieren. Diesen Effekt beschreiben Beobachter seit längerem als Faktor für die Widerstandsfähigkeit der russischen Wirtschaft.

Steiniger berät Unternehmen beim Umgang mit den Sanktionen und sprach dabei von einem „juristischen Eiertanz“. Die Verordnungen würden schnell erlassen und etwa alle zwei Monate verschärft, aber selbst die Behörden wüssten oftmals nicht, wie sie konkret auszulegen sind. Auch er zeigte sich vom „vorauseilenden Gehorsam“ der deutschen Unternehmen beeindruckt, die lieber voreilig die Sanktionen erfüllen würden als später Strafe zahlen zu müssen.

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