Russische Kunst sollte aus Sicht der Politikwissenschaftlerin Nina Chruschtschowa gerade in Zeiten des Ukraine-Konflikts vor den Vorhang geholt werden. In der diesjährigen Festrede der Salzburger Festspiele kritisierte die in den USA lebende Urenkelin des sowjetischen Partei- und Staatschefs Nikita Chruschtschow (1894-1971) aktuelle Tendenzen, russische Kunstwerke abzulehnen.
Wie Chruschtschowa betonte, habe die Kunst schon in den Zeiten des Kommunismus den Menschen in Russland eine Möglichkeit geboten, zumindest auf geistiger Ebene dem politischen System zu entfliehen. «Kultur war unsere Freiheit», erklärte sie.
In ihrer differenzierten Rede kritisierte die Politologin auch die antirussische Kulturpolitik in der Ukraine. Zugleich verwies sie auf einen «noch unerbittlicheren Krieg» des Kremls mit den Kulturschaffenden in Russland, weil diese die Ukraine-Politik von Präsident Wladimir Putin nicht unterstützen.
Die an der New Yorker New School lehrende Chruschtschowa lobte die Salzburger Festspiele für ihren diesjährigen Russland-Schwerpunkt. Mit Mieczysław Weinbergs «Der Idiot» und Sergej Prokofjews «Der Spieler» stehen zwei Opern nach Romanen des russischen Klassikers Fjodor Dostojewski auf dem Programm. Und in einer Lesung trägt der Schauspieler Michael Maertens die Gefängnisbriefe des im Straflager verstorbenen Putin-Gegners Alexei Nawalny vor.
Chruschtschowa erinnerte daran, dass zuvor schon Schriftsteller wie Dostojewski oder Solschenizyn ihre Erfahrungen in zaristischen und kommunistischen Lagern beschrieben hatten. «Diese Werke belegen, dass Kunst nicht allein Unterdrückung dokumentiert, sondern auf der Suche nach einem Lebenssinn auch einen Weg zum Überleben darstellen kann», sagte sie.
(red/dpa)