Alles Gute, liebe Kameraden!

Heute Kinder, wird’s was geben: Einen neuen nationalen Veteranentag nämlich. Der soll den Veteranen der Bundeswehr gedenken – dabei missbraucht er sie nur. 

Nachdenkliches von Roberto J. De Lapuente

Plakat: Nationaler Veteranentag, 25. Juni 2025, erstmalig veranstaltet
Foto: Roberto De Lapuente

Endlich ist es soweit: Es gibt einen nationalen Ehren- und Dankestag für all jene, die ihrem Land dienten. Veteranentag also. Erstmals fand er in der Bundesrepublik am 15. Juni 2025 statt. Gratulation! Wem gratuliert man zu so einem Festtag eigentlich? Denen, die Veteranen sind – oder jenen, die es nicht sein müssen? Alles Gute, Kameraden? Oder doch: Alles Liebe, liebe Bundesbürger?

Das war zynisch, denn natürlich, um dem gleich vorwegzukommen, eine Sache, die klargestellt werden muss: Veteranen brauchen sich nun wahrlich nicht verstecken. Und ja, man darf auch der Ansicht sein, dass sie für ihr Land etwas geleistet haben – objektiv betrachtet haben sie dies ja durchaus. Es ist auch legitim, dass das Land, dem sie dienten, einen Tag ersinnt, an dem man ihrer würdigt. In diesem Sinne: Gratulation, liebe Veteranen. Danke!

Aber dass dieser Tag unbedingt jetzt, ausgerechnet an der Schwelle zur schrecklichsten Militarisierung des Kontinents seit den späten Jahren der Belle Époque, seinen Einstand feiern muss, rückt diesen Dankestag in ein völlig anderes Licht.

Thank you for your Service!

Die Bestrebungen sind freilich älter. Seit mindestens 2010 wird öffentlich über einen Ehrentag für Veteranen der Bundeswehr debattiert – mal lauter, mal leiser. Schon zwei Jahr zuvor sprach sich Bundespräsident Horst Köhler für Uniformen in der Öffentlichkeit aus und mahnte mehr Wertschätzung für das soldatische Personal an. Die folgenden Verteidigungsminister verloren das Thema nie aus den Augen – ausgerechnet jene kürzlich mit den Weihen des Sachsenschlächters prämierte Ursula von der Leyen wies 2018 »ihr Verteidigungsministerium« an, Vorschläge auszuarbeiten, wie man Veteranen künftig umfangreicher würdigen könne.

Im April 2024 reichte die ganz große Koalition aus Union, SPD, Grüne und FDP einen gemeinsamen Antrag im Bundestag ein. Ziel: Einen nationalen Veteranentag zu etablieren. Zudem sollte die Versorgung von Veteranen und deren Familien verbessert werden. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen, der 15. Juni zum nationalen Veteranentag erhoben.

Den Initiatoren schwebt eine Kultur der Wertschätzung vor, wie sie in den Vereinigten Staaten »gelebt« wird – bei Veteranen bedankt man sich gemeinhin auch im Alltag: »Thank you for your Service!« Gleichwohl werden die meisten Veteranen dort mit ihren in Kämpfen erlittenen Schäden alleine gelassen. Die Selbstmordrate von Veteranen in den USA liegt weit höher als die von Nicht-Veteranen. Die Versorgung sicherzustellen war also durchaus ein vernünftiges Motiv, den damaligen Antrag der Fraktionen zuzustimmen. Wenn man auch über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland debattieren und verschiedener Ansicht sein mag: Die, die auswärtig im Einsatz waren, hatten nach Rückkehr gehäuft mit psychischen Problemen zu kämpfen – etwaige Versorgungsengpässe zu beheben, erschien also geboten. Besser wäre es freilich, dass es erst gar keine Auslandseinsätze der Bundeswehr gäbe …

Extremitäten auf Plakaten

Insofern ist auch ein nationaler Veteranentag erstmal nicht falsch. Ehrentage habe allerlei Gruppierungen der Gesellschaft: Warum sollten nicht auch Menschen einen haben dürfen, die bei der Bundeswehr ihren Dienst taten? Dass er nun allerdings mit fast schon heißer Nadel gestrickt schnelle Umsetzung fand, weil es ins politische Klima der Kriegsertüchtigung passt, ist der eigentliche Kritikpunkt. Als die taz im Jahr 2010 noch von etwaigen Forderungen zu einem solchen Tag berichtete, sagte der damalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages noch, dass so ein Ehrentag nicht dazu dienen soll, »mehr Akzeptanz für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu schaffen«. Das erscheint heute anders: Der Veteranentag soll genau das bewirken – er soll den Menschen eine neue Leitkultur verpassen und die Aufrüstung mit »Folklore« ausstatten.

Man könnte auch sagen: Die Veteranen werden missbraucht für eine Außenpolitik, die die Bundeswehr von einer Verteidigungs- in eine Angriffsarmee transformieren möchte – was man natürlich so nicht kundtut, ja was man schnodderig von sich weist. Sie sind das menschliche Antlitz einer Maschinerie, die jetzt dazu aufläuft, die Bevölkerung opferbereit zu machen. Die Gesichter auf den Plakaten sollen letztlich übertünchen, wie gnadenlos und unmenschlich die Rüstungspläne und die Einberufungsabsichten exekutiert werden sollen. Die Veteranen menscheln aber, sind die PR des Eskalationswahnsinns. Man ehrt ihr Lebens- und Berufswerk nicht: Man zieht es in den Dreck!

Treibt man das auf die Spitze, was jetzt schon Furcht vor einem sich ausweitenden Krieg erzeugt, dann sehen die Plakate der nächsten Veteranentage gehörig anders aus. Sie werden weniger Extremitäten zeigen, die dort abgebildeten Menschen werden sehr viel individueller aussehen – was im Zeitalter der vergötzten Diversität erstmal positiv klingt, hier aber bitterböse gemeint ist: Beine, Arme und Hände aus Titan werden die Gleichmacherei aus Fleisch und Blut unterbrechen. Wenn man dann überhaupt noch plakatiert, denn die Veteranen, die künftig drohen, wenn Europa und Berlin nicht abrüsten in Wort und Tat, werden anders aussehen als die mehrheitlich zufrieden dreinblickenden Veteranen dieser ersten Werbekampagne zu jenem Tag. Wem will man dieses Grauen dann zumuten? Wie könnten die Versehrten es so fröhlich menscheln lassen?

Der instrumentalisierte Gedenktag

Denn machen wir uns nichts vor: So gefeiert und wertgeschätzt Veteranen zur Stunde werden – wenn sie nicht nur Veteranen sind, sondern eben auch Kriegsversehrte, dann menschelt nichts mehr. Vom Krieg zerstörte Soldaten – Menschen! – werden von ihren Gesellschaften in der Heimat nie mit offenen Armen begrüßt. Man nimmt sie als Störfaktor wahr, als Unkosten, als versorgungsintensives Humankapital – dem das Kapital abgeht, weil es eben keines generieren kann, sondern im Gegenteil solches verzehrt. Wie die Amerikaner mit ihren Veteranen umgehen ist kein Sonderfall, so war es immer, es ist folglich exemplarisch: Die unversehrt Gebliebenen wollen das Elend nicht sehen, sie wollen es ausblenden, schämen sich auch und reden sich ein, es gehe sie nichts an.

Veteranentage sind eine vernünftige Sache für Zeiten, in denen Angehörige der Armee Sandsäcke in Hochwassergebiete schleppen. In denen sie wirklich nur das tun, was das Grundgesetz von ihnen verlangt: Die Landesverteidigung im Blick behalten. Aber doch nicht jetzt, da dieses Grundgesetz in der Eskalation der NATO-Geopolitik unterzugehen droht. In so einem Klima setzt man ein fatales Zeichen, das da lautet: Soldat zu sein ist ein Job wie jeder andere.

In Friedenszeiten kann das noch halbwegs als Wahrheit durchgehen. Aber doch nicht heute, doch nicht mit Verantwortlichen vom Schlage Wadephuls, Pistorius‘ oder Merzens! Und es ist einfach Etikettenschwindel, nett dreinblickende Herrschaften auf Plakate zu drucken, die etwas simulieren, was in dieser heißen Phase schon sehr bald und sehr schnell ganz anders, sehr viel blutiger aussehen dürfte. Thank you for your Service ist überdies leicht gesagt, wenn man die Kriege in anderen Erdteilen austrägt, wie es die Amerikaner zu tun pflegen. Plant man das jedoch so, wie es die Administration der Bundesrepublik mit dem verlängerten Arm der deutschen Grand Madame des Niederganges in Brüssel tut, holt man sich die Hölle ins eigene Land: Dafür gibt es dann vermutlich keine Dankbarkeit – denn am Ende sind wir alle Veteranen, auch die Zivilisten.

Roberto De Lapuente

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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