AnNa R., Corona, der Tod und die Schmerzen der anderen

AnNa R. von Rosenstolz ist tot. Plötzlich und unerwartet, wie es so „schön“ heißt. In den sozialen Medien wurde jedoch nicht in erster Linie ihrem musikalischen Werk gedacht, sondern ein altes Video verbreitet, in dem AnNa R. die Injektion gegen Covid-19 anpries. 

Ein Beitrag von Tom J. Wellbrock

Bild: Shutterstock

Die Spaltung der Gesellschaft könnte nicht deutlicher werden als mit Blick auf diesen Tod. Die Verletzungen unzähliger Menschen ebenso wenig. AnNa R. war eine Befürworterin der Impfung gegen Corona, sie hatte dazu ein Video aufgenommen und ihre Empfehlung zur Impfung in ein Gedicht gegossen. Genau dieses Video machte nach der Nachricht ihres Todes die Runde. Viele sehen die Musikerin als Täterin, mindestens aber als Mittäterin der kriminellen Corona-Maßnahmen. 

Die Rolle des Künstlers 

Nicht nur Politiker, Wissenschaftler und Medienleute standen während der Corona-Episode im Fokus der Öffentlichkeit. Auch Künstler und Intellektuelle hatten große Reichweiten und zuweilen wahrscheinlich auch größeren Einfluss als andere in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten. 

Der Grund ist leicht benannt: Musiker im Besonderen und Künstler im Allgemeinen ziehen in aller Regel eine Fan-Gemeinde hinter sich her. Das ist die Natur der Sache, wer Kunst macht, hofft auf Zustimmung und Unterstützung durch die, an die sie gerichtet ist. Rosenstolz hatte viele Fans und damit verbunden viel Einfluss. Wenn ein Unsympath wie Karl Lauterbach die „nebenwirkungsfreie“ Impfung ausruft, ist das eine Sache. Lauterbach ist nicht sonderlich beliebt, trotzdem hatte er in der Corona-Episode erheblichen Einfluss, was allerdings im Wesentlichen auf seine Machtposition zurückzuführen war. Wohl fast niemand hat sich die Nadel in den Körper stechen lassen, weil er Karl Lauterbach als großes Vorbild wahrgenommen hat (die, die es taten, wären eine umfangreichere psychologische Analyse wert, wollen wir aber hier vernachlässigen).

Ganz anders eine Frau wie AnNa R. Wenngleich dem Autor dieses Textes keine Statistiken vorlegen, kann doch davon ausgegangen werden, dass die Aufforderung der bekannten Sängerin nicht auf taube Ohren stieß. Viele Fans von Rosenstolz werden also der Empfehlung gefolgt sein, um sich einmal, zweimal oder häufiger in den Oberarm stechen zu lassen. 

Ebenfalls frei von Statistiken lässt sich dennoch wohl leicht herleiten, dass die aggressiven Kommentare in Richtung von AnNa R. nicht von „Rosenstolz-Impfopfern“ stammen. Es mögen ein paar dabei gewesen sein, aber die Vielzahl der Kommentare lässt sich so nicht erklären. 

Die Verletzungen der Opfer der Maßnahmen-Politik sitzen tief, und viele von ihnen haben die Bereitschaft zum Verzeihen längst abgelegt. Psychologisch ein absolut nachvollziehbarer Vorgang. 

Reaktionen auf AnNa R. 

Hier ein Auszug einiger Kommentare nach dem Tod der Sängerin von Rosenstolz:

„Na ja, ich fand es schon unerträglich, wie diese Künstlerin mit ihrem unsäglichem Gedicht zur Impfung aufgerufen hat. Einer Impfung, die eine Gentherapie ist. Hätte sie einfach geschwiegen, ok. So hat sie zur Spaltung und Druckaufbau auf Ungeimpfte beigetragen. Häme sicherlich nicht, aber Trauer und Mitgefühl kann ich da auch nicht groß empfinden.“ 

Oder: 

„Viele gute Menschen sind gestorben. Gleichwohl, sie hat mitgemacht und ihre Musikkariere und Persönlichkeit dafür genutzt, um Werbung für die Plörre zu machen.“

Oder auch: 

„Man darf doch noch daran erinnern, dass sie andere dazu aufgefordert hat, am Genexperiment teilzunehmen.“

Und dieser: 

„Es gibt schon noch die 3. Gruppe: die aktiven Mitläufer, die andere (Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn) unter Druck gesetzt oder ausgegrenzt haben.“

Die Kommentare sind unter einem Post zu finden, in dem der Autor versucht hat, die Angriffe auf AnNa R. abzufedern, indem er von zwei Gruppen von Menschen sprach:

  1. Die Täter
  2. Die Opfer der Täter 

Der letzte Kommentar macht das Drama offensichtlich, wenn er sich auf eine weitere Gruppe bezieht, nämlich die aktiven Mitläufer. Man muss verstehen, dass der Druck damals von überall kam. Von Freunden, Bekannten, Kollegen, der Familie, er wurde im öffentlichen Leben aufgebaut, in der Kultur, beim Sport, selbst beim Spazierengehen. Nicht wenige hielten diesem Druck nicht stand, oder sie hielten stand und verloren Menschen, die sich von ihnen abwendeten. Familien wurden zerstört, Weihnachtsfeste endeten in Katastrophen, doch noch schlimmer sind die unzähligen beruflichen Existenzen, die zerstört wurden. Das Zynische daran: Oft waren es Musiker, Künstler, die ihrer Existenz beraubt wurden, also Menschen, die einen ähnlichen „Stallgeruch“ wie AnNa R. hatten. Sie fühlten sich vermutlich und verständlicherweise besonders angegriffen durch Persönlichkeiten wie AnNa R. 

Opfer bleiben Opfer 

Ganz sicher und ohne jeden Zweifel hat AnNa R. selbst dazu beigetragen, dass statt Ehrungen ihres musikalischen Werkes und Trauerbekundungen Gift und Galle gespuckt wurde. Die Menschen fühlten sich sozusagen persönlich angegriffen und waren nicht in der Lage und nicht willens, Mitgefühl für den frühen Tod der Musikerin zu zeigen. 

Auch hier ist der Grund schnell gefunden: Nahezu niemand hat sich im Nachhinein selbst schuldig bekannt. Schuldig, an der Ausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender mitgemacht zu haben. Schuldig, andere Menschen aufgrund der eigenen Macht und/oder Prominenz manipuliert und unter Druck gesetzt zu haben. Schuldig, sich geirrt zu haben und diesen Irrtum nicht einzugestehen. 

Zeitgründe gelten hier nicht. Denn AnNa R. und die vielen anderen Musiker fanden genug Zeit, sich für die Maßnahmen-Politik auszusprechen und für die Impfung, von der schon recht früh klar war, dass sie gefährlich sein kann. Je mehr Zeit ins Land ging, desto klarer wurde die Lage, desto eindeutiger zeichnete sich ab, dass es zu (fast) keinem Zeitpunkt um die Gesundheit der Menschen ging, sondern um eine politische Ausrichtung, die dem Totalitarismus zugeneigt war und ist. Wer aus Politik, Wissenschaft, Medien und Kultur ist später in sich gegangen, hat die neuen Erkenntnisse in praktisches Handeln umgewandelt und bei den Opfern um Entschuldigung gebeten? Niemand, fast niemand! Im Gegenteil, die „Querdenker“ werden immer noch als kollektive Gruppe von Verbrechern und potenziellen Mördern bezeichnet, die „Schwurbler“ und die „Covidioten“ haben unverändert den Ruf derer, die für die Spaltung der Gesellschaft verantwortlich waren – und sind! Und wenn es um so etwas wie Aufarbeitung geht (was genau soll das eigentlich sein, wie sieht sie aus und wer betreibt sie?), dann werden ausgerechnet die Opfer der damaligen Zeit bewusst und erneut ausgegrenzt. 

Auf diese Art wird keine Gesellschaft geheilt, auf diese Weise wird es keine Vergebung geben, keinen Neuanfang, kein Aufeinander zugehen. Die Täter bleiben also die Täter, die Opfer bleiben die Opfer, und während bei anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Nachhinein die Opfer Gerechtigkeit erlebt haben mögen, ist das im Fall von Corona nicht der Fall. Dass sich das ändert, ist zurzeit nicht abzusehen.

Und AnNa R.? 

Der Autor dieser Zeilen weiß nicht viel über AnNa R. und Rosenstolz. Er war auch nie ein großer Fan dieser Band, doch er anerkennt das Werk der Musiker von Rosenstolz. Vielleicht hat AnNa R. später eingesehen, dass ihre devote und unüberlegte Haltung zur Maßnahmen-Politik und der Corona-Impfung ein Fehler waren. Vielleicht hat sie versucht, Zerstörtes wieder zu kitten, hat bei ihr nahestehenden Menschen um Entschuldigung gebeten. Vielleicht, vielleicht auch nicht. 

Möglicherweise hat sie auch einen inneren Kampf geführt, körperlich, seelisch, hat einen Ausweg gesucht aus den Irrungen, denen sie erlegen ist und dachte darüber nach, wie sie wieder gutmachen kann, was sie angerichtet hat mit ihrer Impf-Empfehlung und dem strikten Befolgen der politischen Maßnahmen. Vielleicht, vielleicht auch nicht. 

Doch in gewisser Weise ist auch AnNa R. selbst ein Opfer geworden, auch wenn das die Gepeinigten von damals nur ungern hören, weil sie sie in der Täterrolle einsortiert haben – die sie ja nun einmal auch innehatte. Ihr musikalisches Werk aber ist beschädigt, es ist beschmutzt worden, und zwar von AnNa R. selbst. Sie hat sich klar positioniert damals, sie war eine Überzeugungstäterin, sie trägt also eine Verantwortung. Wäre sie sich dieser Verantwortung irgendwann bewusst geworden und hätte die entsprechenden selbstkritischen Überlegungen angestellt und ihr eigenes Handeln danach ausgerichtet, hätte sie vermutlich keinen so verheerenden künstlerischen Scherbenhaufen hinterlassen.  

So aber ist das gesamte künstlerische Schaffen, ihr Erbe für die Nachwelt, beschädigt worden. Und es sind nicht die wütenden Kommentatoren, die dafür die Verantwortung tragen. Es ist AnNA R. Niemand sonst. 

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Oskar Lafontaine, Max Otte, Andrej Hunko, Patrick Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«. Gründungsmitglied und Mitherausgeber der neulandrebellen.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen. 

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