Nachdem Dieter Hallervorden kürzlich zum ARD-Jubiläum einen alten Sketch mit neuer Einleitung präsentierte, war das Geschrei groß. Der Mann hatte doch tatsächlich erlaubte verbotene Wörter verwendet. In Deutschland wird das Prinzip Meinungsfreiheit in „Frei von Meinung“ umgewandelt.
Ein Beitrag von Tom J. Wellbrock

Wer erinnert sich nicht an die berühmt-berüchtigte Dunja Hayali, die einst sinngemäß sagte, man könne schon seine Meinung äußern, müsse eben nur mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen leben? Nun, es läuft darauf hinaus, dass ebendiese Konsequenzen das Ende bestimmter Meinungen sind. Dieter Hallervorden sollte gemäß den woken Wächtern künftig ohne Meinung ins Bett gehen.
„Palim, Palim“ ist ein Klassiker. In dem fast 50 Jahre alten Sketch spielt Hallervorden einen Knastinsassen, der mit seinem Kumpel Kaufmannsladen spielt. Die Älteren werden sich an die Flasche Pommes erinnern, die Hallervorden als Kunde des Ladens damals kaufen wollte. Ob dieser Humor heute noch zeitgemäß ist, spielt keine Rolle, denn es handelte sich bei der ARD-Sendung um eine Jubiläumsveranstaltung, also konnte dieser Sketch nicht fehlen. Hallervorden aber würzte den Auftritt mit dem Hinweis auf die Wörter „Neger“ und „Zigeunerschnitzel“. Beides dürfe man nicht mehr sagen, nun säße er hier, im Knast.
Krawumm, Krawumm!
Der „Stern“ fragt in einem Meinungsbeitrag ganz unverblümt:
„Warum zeigt die ARD diesen Sketch einfach so?“
Und trifft damit den Nagel der woken Gemeinde auf den Kopf. Immerhin handelte es sich bei der ARD-Sendung um eine Aufzeichnung, man hätte die Ausstrahlung also verhindern können. Schon im Teaser des „Stern“ wird die aufrichtige Sorge der Autorin des dann folgenden Textes deutlich:
„In einer ARD-Show werden ohne jede Vorwarnung sowohl das Z- als auch das N-Wort genutzt. Wie kann das immer noch passieren?“
Man denkt unwillkürlich an die Warnhinweise von Amazon, die erscheinen, bevor man sich einen Film ansieht: „Enthält blinkende Lichter“ ist so ein Hinweis, der für Epileptiker von Nutzen ist, ansonsten aber das Publikum eher nicht betrifft. Bei Hallervorden hätte es heißen können: „Enthält freie Meinungen“. Damit wäre das Problem mit der „Vorwarnung“ immerhin erledigt, das Trauma der „Stern“-Autorin dürfte aber längst tief in ihr Inneres vorgedrungen sein, keine Chance also für sie, dieser verstörenden Lage zu entkommen.
Und so schreibt sie selbst denn auch folgerichtig:
„Dass Hallervorden mit seinem ‚Humor‘ gerne mal entgleist und fragwürdige Witze macht, ist nicht neu. Viele alteingesessene Komiker versuchen, mit Sketchen über Minderheiten zumindest die weiße Mehrheitsgesellschaft noch mit einem Lachen abzuholen.“
Die arme Frau! Da setzt sie sich mit einem Thema auseinander, das Hallervorden gar nicht gemeint hat, darauf kann man sich festlegen. Denn dem Satiriker („entgleist“. „fragwürdig“ und ein „alteingesessener Komiker“) geht es ja ganz offenkundig darum, bestimmte Dinge nicht mehr sagen zu dürfen, der „Neger“ oder das „Zigeunerschnitzel“ sind nur Platzhalter, die auch durch „Volk“ oder „Reproduktionsversuch“ ersetzt werden könnten. Sobald eine meinungsstarke Minderheit (hier: Journalisten, Wokeisten, Politiker und irgendwelche Bots in den sozialen Medien) entschieden haben, dass man gewisse Begriffe nicht mehr verwenden darf, darf man es eben nicht mehr, und zwar im schlimmsten Fall nicht mal mehr so, wie Dunja Hayali es meinte. Denn darum geht es der „Stern“-Autorin doch: In ihren Augen hätte die ARD die Ausstrahlung verhindern können, es war keine Live-Sendung, man hätte also das Schlimmste verhindern können. Womit Hayali ziemlich blöd dasteht, denn die wollte ja „falsche“ Meinungen zwar zulassen, dann aber die Verkünder teeren und federn. Das gelang im Falle Hallervordens noch, doch wäre der Sketch gar nicht erst gesendet worden, wäre die schönste aller Welten perfekt gewesen.
Nach „Palim Palim“ folgte also das laute „Krawumm Krawumm“, dem neudeutschen Sprachgebrauch entsprechend war das die Aktivierung der „Bazooka“, nur eben noch ungeladen. Aber da geht noch was, wie wir alle wissen.
Frei von Meinung
Was ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung? Wenn eine deutsche Innenministerin Anzeige erstattet, weil ihr eine Meinung nicht passt. So geschehen in Deutschland im November 2024. Damals, es scheint bereits Lichtjahre her zu sein, hatte ein Mann namens David Bendels vom „Deutschland-Kurier“ ein Foto von Nancy Faeser (SPD) gepostet, auf dem hinzugefügt worden war:
„Ich hasse die Meinungsfreiheit.“
„Anzeige ist raus!“ mag sich die Innenministerin gedacht haben, nachdem sie genau die gegen die Meinungsfreiheit erstattet hatte. Die „Welt“ dazu:
„Nach WELT-Informationen wurde der damalige Strafbefehl inklusive Geldstrafe wegen Beleidigung, ‚übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens‘ erlassen. Bendels legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein, deswegen kam es zu einem Verfahren vor Gericht.
Nun, knapp vier Monate später, erging das Urteil. Das Amtsgericht Bamberg verurteilte Bendels wegen ‚gegen Personen des politischen Lebens gerichteter Verleumdung (§ 188 Abs. 2 StGB)‘ zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung, wie das Gericht WELT am Dienstag bestätigte.“
Interessant ist die Begründung des Gerichts, das es als gegeben ansieht, dass „für den unbefangenen Leser nicht erkennbar bewusst unwahre und verächtlichmachende Tatsachenbehauptung über die Innenministerin Frau Faeser (…) veröffentlicht“ wurde, „welche geeignet ist, deren öffentliches Wirken erheblich zu beeinträchtigen.“
Ein Zyniker könnte anmerken, dass eine Beeinträchtigung des öffentlichen Wirkens Nancy Faesers vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre, bei all dem Unheil, das die Frau anrichtet. Aber der Punkt ist ein anderer.
„Berlin hasst die AfD“
Es ist schon eine Weile her, da gingen politisch saubergeschrubbte Demonstranten auf die Straße und verkündeten, dass sie die AfD hassten. Das freilich, weil die „Alternative für Deutschland“ angeblich für „Hass und Hetze“ stehe. Dem kann man natürlich nur mit Hass begegnen. Frei nach dem Motto „Wer die AfD hasst, kann kein schlechter Mensch“ sein, merken die Plakatträger nicht einmal, wie widersprüchlich, man könnte auch sagen: wie dumm sie sich verhalten.
Geht noch mehr Orwell? Mit Hass und Hetze gegen Hass und Hetze und mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit für die freie Meinung? Ja, es geht noch schlimmer, wie einmal mehr das deutsche Außenministerium unter der Leitung Annalena Baerbocks unter Beweis gestellt hat.
Wie jedes Jahr ist für die Russen der „Tag des Sieges“, also der 9. Mai, von großer Bedeutung. Doch in den letzten Jahren wurden zumindest in Deutschland Feierlichkeiten zu diesem Tag, der den Sieg der Sowjetunion über das faschistische Deutschland markiert, immer beschwerlicher. Sowjetische Fahnen wurden verboten, Zusammentreffen mit Menschen, die den Tag feiern wollten, aufgelöst oder verboten. In diesem Jahr kommt eine weitere Ungeheuerlichkeit hinzu.
Schon eine ganze Weile zeichnet sich ab, dass in Deutschland der 9. Mai und damit die Bedeutung des sowjetischen Löwenanteils am Ende des Hitler-Faschismus neu interpretiert wird, um es vorsichtig zu formulieren. Seit der Eskalation des Ukraine-Krieges im Februar 2022 liest und hört man immer wieder Relativierungen über die Verdienste der Sowjetunion. So zum Beispiel auf der Website „ostklick“:
„An jedem 9. Mai jährt sich der sowjetische Sieg über das nationalsozialistische Deutschland. In der früheren Sowjetunion und in Russland spricht man vom ‚Tag des Sieges‘ und in der DDR war vom ‚Tag der Befreiung‘ die Rede. Immer wieder wurde dieser Gedenktag in den vergangenen Jahrzehnten mit neuen Bedeutungen gefüllt. Heute handelt es sich um einen umstrittenen, politischen und emotional besetzten historischen Jahrestag, der insbesondere in Putins Russland großes Gewicht hat.“
Ein Blick auf die Rubrik „Über uns“ verrät schlagartig, woher dieser Propaganda-Text stammt. Gefördert wird die Website vom Bundesministerium des Inneren und für Heimat, betrieben wird sie vom „Zentrum Liberale Moderne“, einer der russophobsten Denkfabriken, die Deutschland derzeit zu bieten hat. Wobei „gefördert“ unnötig verharmlosend klingt, denn unterm Strich bedeutet das, dass die Bürger des Landes mit ihrem Steuergeld Russenhass finanzieren.
Dem ist sich wohl auch das Außenministerium bewusst, das wie kein anderes durch Steuergeld die neue deutsche Russenfeindlickheit finanziert. Die aktuelle Idee des Ministeriums ist sicher nur ein vorläufiger Höhepunkt der Widerwärtigkeiten, aber einer, der Erwähnung verdient. Auf den NachDenkSeiten konnte man am 7. April 2025 Folgendes lesen:
„Ein vertrauliches Papier des Außenministeriums empfiehlt, Vertreter Russlands und Weißrusslands beim Gedenken an die eigenen Gefallenen zu demütigen. Das ist eine besonders dreiste Form des Geschichtsrevisionismus. Man schämt sich, es ist angesichts der historischen Dimension erbärmlich und kleinlich: Um im aktuellen Meinungskampf ein paar Propagandapunkte zu sammeln, ist vor Teilen des grün-militaristischen Zeitgeistes nicht mal mehr die Geschichte der Befreiung vom Nazi-Terror sicher.“
Gemeint ist die Ausladung russischer und belarussischer Vertreter von Veranstaltungen rund um den 9. Mai. An die Länder und Kommunen gibt das Außenministerium folgende Empfehlung heraus:
„Sollten Vertreter von Russland oder Belarus bei Veranstaltungen im Inland unangekündigt erscheinen, können Einrichtungen in eigenem Ermessen und mit Augenmaß von ihrem Hausrecht Gebrauch machen.“
Was soll das sein? Wie du mir, so ich dir? Wenn Ihr uns schon im Zweiten Weltkrieg aus dem Land geschmissen habt, machen wir das jetzt auch mit Euch! Man könnte auf diesen Gedanken kommen, aber neben dem russenfeindlichen Grundgefühl hinter dieser Maßnahme steckt zu einem nicht unwesentlichen Teil auch ein Geschichtsrevisionismus, der darauf abzielt, die Verdienste der Sowjetunion zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs zu schmälern bzw. aus dem deutschen Gedächtnis zu entfernen. Und so ist es auch kein Zufall, dass der ukrainische Schreihals Andrij Melnik schon kurz nach Ausbruch des aktuellen Ukraine-Krieges auf die Journalistenfrage, wer Deutschland von Hitler befreit habe, mit „Die Ukraine“ antwortete. Man erinnert sich an Melnik, der Mann schimpfte sich „Botschafter“, war aber doch nur der ukrainische Kriegshetzer mit Diplomatenkoffer. Man will gar nicht wissen, was der Mann in seinem Koffer durch die Gegend trug.
Im Meinungsknast
Kommen wir noch einmal zurück zum oben erwähnten Artikel im „Stern“. Die Autorin spricht aus, was längst jeder weiß, ihr schmeckt die Meinungsfreiheit nur in gewissen Grenzen:
„Das Aussprechen der Wörter ist daher auch nicht mit ‚Meinungsfreiheit‘ oder mit ‚Satire‘ beziehungsweise ‚Kunst‘ zu rechtfertigen, sondern bleibt falsch und gefährlich. Es gab vonseiten der ARD keine Einordnung zum N-Wort. Keine (Trigger-)Warnung. Es wurde einfach ausgesprochen und gesendet. Offenbar gab es niemanden, der die Sensibilität des Themas erkannt und eine Ausstrahlung verhindert hätte. Das ist beschämend.“
Und weiter:
„In den Kommentaren in den sozialen Netzwerken fühlten sich viele Menschen nach der Ausstrahlung vor den Kopf gestoßen.“
Die Frage liegt nahe: Welche Menschen genau fühlten sich „vor den Kopf gestoßen“? Man muss kein Genie sein, um es zu erahnen: Es sind dieselben, die aufgrund ihres schrecklich schmerzenden Kopfstoßes das Ende der Meinungsfreiheit fordern, genauso, wie es die Autorin des Artikels im „Stern“ tut.
Das Subtile an dieser Methode: Waren früher Kunst und Satire gegen Angriffe auf die Meinungsfreiheit gefeit, sind es jetzt die Kunst und die Satire, auf deren Grundlage diese beschnitten wird. Die Überspitzungen der Kunst werden als gutes Argument dafür genutzt, sie künftig zu verbieten. Halten wir also fest und zitieren erneut den „Stern“:
„Das Aussprechen der Wörter ist daher auch nicht mit ‚Meinungsfreiheit‘ oder mit ‚Satire‘ beziehungsweise ‚Kunst‘ zu rechtfertigen, sondern bleibt falsch und gefährlich.“
Damit ist klar: Meinungsfreiheit, Kunst und Satire können weg.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er führte unter anderem für den »wohlstandsneurotiker«, dem Podcast der neulandrebellen, Interviews mit Oskar Lafontaine, Max Otte, Andrej Hunko, Patrick Daniele Ganser, Lisa Fitz, Ulrike Guérot, Gunnar Kaiser, Dirk Pohlmann, Jens Berger, Christoph Sieber, Norbert Häring, Norbert Blüm, Paul Schreyer, Alexander Unzicker und vielen anderen. Zusätzlich veröffentlicht er Texte auf verschiedenen Plattformen und ist für unsere Podcasts der »Technik-Nerd«. Gründungsmitglied und Mitherausgeber der neulandrebellen.
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