Elon Musk wolle Deutschland schwächen, sagte Christian Lindner auf dem Dreikönigstreffen seiner Partei und trifft damit den Nerv seiner Berliner Blase. Reden wir doch mal über das schädliche Amerika. Und über dualistische Weltbilder.
Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente
Der südafrikanisch-kanadische Tech-Unternehmer Elon Musk ist die neue Hassfigur Berlins: Nach seinem Artikel in der Welt, die im Blatt als Kontroverse angelegt war – und lediglich in eine Kontroverse mündete, die der Frage nachging, wie viel Kontroverse noch erlaubt sein sollte –, hat er Donald Trump als Bösewicht aus Übersee abgelöst. Es ist auch nicht mehr ganz so einfach, einen US-Präsidenten vorzuführen, hinter dem die Mehrheit des amerikanischen Volkes stand – Stichwort: Popular Vote – und mit dem man sich so oder so die nächsten vier Jahre arrangieren muss. Damit das gelingt, damit man das vermeintlich gute Amerika gegen das Dunkelamerika stellen kann, braucht man einen Kopf, einen Stellvertreter Trump: Elon Musk wurde von den deutschen Medien gerade befördert – er ist nun das Gesicht des amerikanischen Schattenreiches.
Das wächserne Antlitz der US-Helligkeit tritt hingegen in einigen Tagen ab: Am 20. Januar verabschiedet sich Joe Biden aus dem Oval Office. Über vier Jahre lang wurde er als das Bollwerk gegen Trump und damit die finstere Seite von Amerika stilisiert. Als Wellenbrecher quasi – oder als Brandmauer.
Der nette Herr Biden
Alles was nun nach ihm kommt, wird als erneuter Rückschritt beschrieben – auf unsere Freunde, die Amerikaner, können wir uns nicht mehr verlassen: So das Gefühl, das man zu erzeugen versucht. Wenn Christian Lindner beim Dreikönigstreffen der Liberalen hinausposaunt, dass Elon Musk Deutschland schwächen wolle, trifft er das Lebensgefühl der Parallelgesellschaft von Berlin-Mitte. Elon Musk, der Intimus des neuen Präsidenten in Washington, er habe es auf Deutschland abgesehen, wolle es schwächen – und indirekt meint man damit Trump und seine neue Version von Amerika.
Und das ist unter Umständen noch nicht mal falsch, die kommende US-Regierung ist nicht angetreten, um Deutschland great again zu machen – wenn es dem Plan, America first wieder bevorzugt im Sinn zu haben, dienlich ist, dass Deutschland schwächelt, wird man die Schwächung Deutschlands in Washington anstandslos in Kauf nehmen. Was dabei allerdings haarsträubend ist: Das jetzt so zu postulieren, kurz bevor jener Präsident abtritt, der Wochen vor der Sprengung von Nord Stream verkündete, dass man able to do this sei, also in der Lage eine Stilllegung zu erzwingen. Das auszublenden ist schon einigermaßen vergesslich bis fahrlässig.
Musk und Trump wollen Deutschland schwächen? Geschenkt! Reden wir doch über Joe Biden und über seine Rolle bei der Causa der Zerstörung von existenzieller Infrastruktur der Bundesrepublik. Dass es die Vereinigten Staaten unter Führung des greisen Präsidenten gewesen sind, ist nicht völlig bewiesen – aber starke Indizien weisen noch stärker in diese Richtung. Dass eine solche Aktion von Ukrainern und Polen durchgeführt wurde, scheint nicht ausgeschlossen zu sein – doch dass das der amerikanische Geheimdienst nicht gewusst haben soll, an ihm vorbeilief, dürfte aber nun wirklich abwegig sein. Amerikanische Präsidenten wollen also Deutschland schwächen? No shit? Das gab es ja noch gar nicht!
Ein Pressemodell, das man gemeinhin in Diktaturen bevorzugt
Joe Biden wollte Deutschland nicht schwächen – er hat dieses Land geschwächt. Den Konjunktiv brauchen wir nicht. Wie bereits erwähnt, da wäre die Geschichte um Nord Stream, die man drehen und wenden kann, wie man will, irgendwie ist der Sound des Vorhabens immer amerikanisch anklingend. Aber selbst ohne gesprengte Pipelines: Die US-Außenpolitik der letzten vier Jahre zielte auf eine Schwächung EU-Europas und damit Deutschlands ab. Heute kaufen wir teures Fracking-Gas aus den Staaten und sehen bei der Aufgabe des Standortes Deutschland zu. Das hat offiziell die Ampelregierung initiiert, aber immer in enger Zusammenarbeit mit der US-Administration. Die NATO führt in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland – und die Stellvertreter des Westens sind die Ukrainer. In Deutschland und anderen europäischen Industrieländern führten die Amerikaner einen Stellvertreterwirtschaftskrieg – und sie führen ihn noch. Die Stellvertreter der USA sind die jeweiligen nationalen Regierungen.
All das wird natürlich ausgeblendet, wenn man heute vom baldigen neuen Land jenseits des Atlantiks als einen Ort berichtet, der das schöne, das helle Amerika von heute ablöst. Man hat das alles nicht vergessen, denn wer vergessen will, musste es ja irgendwann mal wahrhaben. Aber dieser Prozess vollzog sich in Berlin-Mitte nie. Wer den Amerikanern unterstellt, sie führten mit diesem Land hier nichts Gutes im Schilde, macht sich ad hoc verdächtig und unmöglich. Genau hinzusehen würde aber auch schaden, den schönen Manichäismus zerschießen, den sich die Presse hierzulande über Jahren draufgeschafft hat.
Die starke Ausprägung des Dualismus zwischen dem Reinen und Guten und dem Schmutzigem und Bösen: So ein Pressemodell findet man gemeinhin bevorzugt in Ländern, von denen man sagt, sie seien eine Diktatur. In Deutschland gibt es dieses Modell aber auch: Seit geraumer Zeit – und die USA trifft es nicht alleine als Opfer dualistischer Berichterstattung. Seit Jahren wird Deutschland von den nennenswerten deutschen Meinungsmachern als Ort präsentiert, in dem noch Vernunft am Werk ist, während ringsherum alle Demokratien fallen und kuriose Politikergestalten die Bühne betreten. Die Botschaft: Aber, lieber Bundesbürger, keine Sorge, denn Deutschland fällt nicht. Das war vor Jahren schon desaströs, als man den Griechen half und damit deutsche Interessen meinte – und was letztlich in der Aushöhlung des europäischen Hauses mündete. Und es ist heute fataler Unfug von Leuten, die sich die Welt nicht als Ansammlung von Grautönen imaginieren können und dennoch Journalisten oder gar Staatslenker werden. Der gewöhnliche Dualismus aus Berlin ist eine gefährliche Simplifizierung – wer ihn zur Erklärung der Geschehnisse anführt, den würde man zu weniger hausdurchsuchenden Zeiten einfach nur als Schwachkopf bezeichnen.
Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.
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