Er will Bundeskanzler werden. Und er glaubt daran, dass er es schaffen kann. Robert Habeck (die Grünen) lebt in einer eigenen Welt. Trotzdem spricht er unentwegt über die Wirklichkeit.
Ein Beitrag von Tom J. Wellbrock
Alle Diskussionen, alle Schriften, philosophischen Denkrichtungen und wissenschaftlichen Experimente, die die Wirklichkeit betreffen, sind hinfällig geworden. Denn Robert Habeck kennt die Realität wie kein anderer, er benennt sie, er interpretiert sie, er gestaltet sie. Wer etwas anderes sagt, ist ein Schwurbler, ein Rechter und – natürlich – ein Demokratiefeind und Putin-Troll.
Gleichzeitig ignoriert und isoliert Habeck die Wirklichkeit in seiner eigenen Welt, er betrachtet etwa Wirtschaft nicht nach Zahlen, Daten und Fakten, sondern nach einem, nach seinem Gefühl. Somit wird verständlich, warum Unternehmen nicht insolvent werden, sondern nur nicht mehr produzieren oder die wirtschaftliche Lage nicht schlecht ist, sondern nur die sie kennzeichnenden Zahlen.
Robert Habeck ist aber auch ein Opfer, gewissermaßen. Ein Opfer einer Art Nachrichtensperre, die er sich selbst auferlegt hat bzw. von seinem Team realisiert wird.
Robert allein in der Küche
Habecks Küchentischgespräche sind eine Krönung der Realitätsverweigerung. Jeder – wobei man bei Habeck selbst nicht sicher sein kann – weiß, dass diese ganze Szenerie eines Ministers an einem Küchentisch „normaler Leute“ eine Inszenierung ist, die mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland nichts zu tun hat. Das Problem beginnt bei der Bezeichnung „Gespräch“. Habeck klopft bei Menschen an, die zuvor ausgewählt wurden, er führt einen Dialog über wenige Minuten und mutet dem Publikum eine Authentizität zu, die es nicht gibt.
Er selbst fühlt sich offenkundig wohl in seiner Rolle als netter Kerl, der mit den Leuten „ganz normal“ spricht, ohne „Beleidigungen und Beschimpfungen“. Normal – das ist ein Treffen mit ihm gegenüber wohlwollenden Menschen, deren Küche ausgeleuchtet wird und die genau an der richtigen, gekennzeichneten Stelle sitzen und Fragen stellen und Dinge sagen, die zuvor abgestimmt wurden. Natürlich ist keines der Worte der Beteiligten echt und selbst die vermeintlich kritischen Bemerkungen und Äußerungen der Küchentischbesitzer sind so nett und sympathisch, dass sogar die Aussage, man werde ihn nicht wählen, unter geht in dem überwältigenden Gefühl, die Grünen eben doch wählen zu müssen, weil da ganz normale Leute sagen, sie würden es nicht tun. Wie kann man schon einen Mann zurückstoßen, der sogar die Zurückweisung mit einem milden und verständnisvollen Lächeln quittiert?
Nichts an diesen Gesprächen am Küchentisch ist aus dem Leben gegriffen, aber die paar Minuten sind durchgetaktet wie eine Orchesteraufführung. Habeck dirigiert, und wer sich im Ton vergreift oder eine disharmonische Note wagt, wird ermahnt, es noch einmal zu versuchen. Das wird durchgezogen, bis zum Schluss.
Habeck, YouTube und die Kommentarfunktion
Man kennt es: Wenn auf YouTube Videos der Mainstreammedien gezeigt werden, ist in 99 Prozent der Fälle die Kommentarfunktion deaktiviert. Das ist kein Zufall, denn bei aller Manipulation durch YouTube (Empfehlungen für bestimmte Videos, Sichtbarkeit und Verbreitung) ist der IT-Riese doch bei der Kommentarfunktion nur eingeschränkt in der Lage, diese zu zensieren bzw. zu steuern. Die Kanalbetreiber selbst sind da schon freier und können Kommentare freischalten oder sperren. Wobei die Deaktivierung der Kommentarfunktion oft die erste Wahl ist, schon, weil unzählige Kommentare kritisch bis verheerend für Politiker wie Robert Habeck und seinesgleichen sind.
Bei den Küchentischgesprächen gibt es keine Einschränkungen bei der Abgabe von Kommentaren, zumindest scheint es so. Weit über 1.000 Kommentare pro Video sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Allerdings sind diese nicht repräsentativ, im Gegenteil. Denn man findet faktisch keine kritischen oder gar wütenden Einträge unter den Küchentischgesprächen. Vielmehr ist eine kollektive Begeisterung zu beobachten, die Kommentatoren freuen sich über Habecks Volksnähe, seine authentische Art der Kommunikation und über seine Geduld, sich die Sorgen und Nöte der Bürger anzuhören. Und dann bietet er auch noch Lösungsansätze! Was will das Wählerherz mehr?
Und was will Habeck mehr? Tausende Kommentare unter seinen Gesprächen in des Wählers Küche und alle sind positiv und schwer beeindruckt vom grünen Minister. Kaum verwunderlich, dass Habeck an seine Kanzlerschaft glaubt, bei so viel Zustimmung stehen die Chancen gut, daran gibt es nichts zu rütteln.
Über diese bizarr anmutende Wahrnehmung sollte man ein paar Minuten nachdenken.
Habeck: Schein und Wirklichkeit
Dass es zwischen Politikern und der Bevölkerung eine zunehmende Distanz gibt, ist nicht neu, wobei sie in den letzten paar Jahren noch zugenommen hat. Neu erscheint aber die Realitätsverweigerung von Politikern wie Robert Habeck (auch Baerbock spielt hier in der „obersten Liga“ derer, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben, die deutsche Außenministerin glaubt allen Ernstes, Russland sei weltweit isoliert und Deutschland international anerkannt und geschätzt, was man nur als absurd und surreal bezeichnen kann).
Habeck zerstört die deutsche Wirtschaft, er erstattet Anzeige gegen unliebsame Bürger und lässt gern auch schon mal ihre Häuser oder Wohnungen durchsuchen. Seine Wirtschaftspolitik – wenn man diese überhaupt als solche bezeichnen kann in Anbetracht der fehlenden Sachkenntnis Habecks – ist ein noch nicht beendetes Desaster, seine Beliebtheit sinkt kontinuierlich. Trotzdem hat er sich entschieden, Bundeskanzler werden zu wollen. Das dürfte faktisch unmöglich sein, es sei denn, Habeck wird in den nächsten Wochen weiterhin bis zur Selbstaufgabe von den deutschen Medien unterstützt und als Retter dessen präsentiert, was er selbst an Schaden angerichtet hat.
Unter normalen Umständen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Habeck Kanzler wird, aber denkbar gering. Ihn ficht das nicht an, er glaubt an seine Chance, und er glaubt an die Berechtigung, Bundeskanzler werden zu können. Lauscht man dem grünen Vizekanzler, scheint er sogar eine Art Recht auf diesen Posten abzuleiten. Eine solche Selbstwahrnehmung ist schon ohne Berücksichtigung seiner politischen und wirtschaftlichen Fehlleistungen nur schwer zu erklären. Sie wird aber geradezu wahnwitzig, wenn man Habecks politische und wirtschaftliche Defizite in die Betrachtung mit einbezieht.
Alles, außer Wirtschaft
Um den Realitätsverlust Habecks zu untermauern, sei ein kurzer Blick auf die Art seines Wahlkampfes geworfen. Es ist zwar in Vorwahlzeiten durchaus üblich, dass sich Parteien und Politiker mit Plattitüden übertreffen, die in der Folge nach der Regierungsbildung meist in der Versenkung verschwinden oder ins Gegenteil verkehrt werden. Doch Robert Habeck schlägt dieser plumpen Art der Wählerveralberung mit seiner Art der Kommunikation dem Fass den Boden aus. Er plaudert an Küchentischen, lächelt in Kameras und gibt sich als der gute Kumpel, mit dem man über alles reden kann. Das ist seine Masche, jeder Politiker hat eine andere Methode, um sich im Wahlkampf ins richtige Licht zu rücken.
Ein Thema blendet Habeck jedoch vollständig aus: die Wirtschaft. In Anbetracht seiner eklatanten Unfähigkeit auf dem Gebiet der Ökonomie ist das zwar auf der einen Seite verständlich, denn da er inhaltlich wenig beisteuern kann, um Antworten auf die wirtschaftlichen Fragen zu finden, ist es sicher keine dumme Strategie, das Thema gleich ganz auszuklammern.
Auf der anderen Seite wäre es ein Zeichen von Selbstreflexion und einer realistischen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, sich auf die Suche nach neuen Themenfeldern zu machen, die vielleicht eher einer gewissen Begabung entsprechen, so man diese denn bei Habeck vermuten will. Doch er tut das nicht, sondern nimmt für sich in Anspruch, auch weiterhin ein guter Wirtschaftsminister zu sein, ein Umstand, der weder den Erfahrungen der Vergangenheit noch den Annahmen der Zukunft gerecht wird. Erschwerend für Habecks Selbstwahrnehmung kommt hinzu, dass der Kanzleranwärter Friedrich Merz (CDU) Habeck sogar als Minister für Wirtschaft in einem neuen, seinem Kabinett, ins Gespräch gebracht hat. Wenn jemand wie Habeck, der ohnehin schon an der gravierenden Fehleinschätzung leidet, ein guter Wirtschaftsminister zu sein, dann auch noch durch einen Mann wie Merz in seiner Selbsteinschätzung unterstützt wird, kann dieser unmöglich zu dem Ergebnis kommen, dass ein anderes Ministeramt vielleicht die bessere Wahl wäre. Allerdings fragt man sich darüber hinaus, was Friedrich Merz geritten hat, als er Habeck allen Ernstes für die Rolle des Ministers für Wirtschaft ins Gespräch gebracht hat. Gut möglich, dass Merz diesen Posten für die Zukunft nur noch als reines Alibiamt vorgesehen hat, die Entscheidungen über Deutschlands Wirtschaft aber an anderen Stellen gefällt werden.
Unterm Strich muss man festhalten, dass Robert Habeck im Laufe der letzten drei Jahre der Wirklichkeit vollends entrückt ist und jedes Gespür für die Realität des Landes, dem er als Vizekanzler vorsteht, abgelegt hat, wenn er es denn überhaupt je besessen hat. Er ist damit in bester Gesellschaft, man denke nur an das Selbstvertrauen, dass Noch-Kanzler Olaf Scholz an den Tag legt oder die oben kurz erwähnte katastrophale Außenpolitik einer Frau Baerbock, die als Chefdiplomatin Deutschlands bezeichnet werden muss, weil sie es auf dem Papier ist, jedoch weder Qualifikation noch auch nur den Hauch von Begabung mitbringt.
Nur einer weiß, was es mit dieser von Robert Habeck so oft ins Spiel gebrachten Wirklichkeit auf sich hat: der Wähler. Doch nach der Wahl wird er ernüchtert feststellen müssen, dass seine eigene realistische Einschätzung über die Verfasstheit des Landes bedeutungslos ist. Sie wird der konstruierten Wirklichkeit der künftigen Bundesregierung weichen müssen.
Und täglich grüßt das Murmeltier.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Autor, Sprecher, Radiomoderator und Podcaster. Er ist Gründungsmitglied und Mitherausgeber der neulandrebellen.
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