Ein Nachtrag zur Pressekonferenz von Trump und Starmer

  • POLITIK
  • März 20, 2025
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Selbst einige der scharfsinnigsten und weltgewandtesten Kommentatoren zu Trump in alternativen Medien unterschätzen ihn und sehen in ihm weiterhin einen Possenreißer, dessen Unbeständigkeit und Widersprüche in seinen öffentlichen Äußerungen von einem Tag auf den anderen ein überzeugender Beweis dafür sind, dass er eine Initiative nicht bis zum erfolgreichen Abschluss durchziehen kann. Genau das habe ich gesehen und gehört, als ich das Interview „Judging Freedom“ mit Colonel Larry Wilkerson hörte, den ich ansonsten für seine Beobachtungen zu den Beziehungen der USA zu Israel oder zur Situation auf dem Schlachtfeld im Russland-Ukraine-Krieg sehr schätze.

Ein Beitrag von Gilbert Doctorow (Übersetzung Andreas Mylaeus)

Premierminister Sir Keir Starmer gibt in der Downing Street 10 in London eine Erklärung ab. dpa

Um so fair wie möglich zu sein, möchte ich anmerken, dass ich in meinem eigenen Kommentar zur Pressekonferenz des Präsidenten mit Emmanuel Macron auch befürchtet hatte, dass Trump der Idee einer europäischen Friedenstruppe in der Nachkriegs-Ukraine nahe gekommen war. Mea culpa …

Nein, dieser Trump ist ein Meister der Täuschung. Die Pressekonferenz mit Keith Starmer war der eindeutige Beweis dafür, dass die vage, unspezifische Vorstellung, US-Amerika würde den europäischen Friedenstruppen in der Ukraine den Rücken stärken, streng genommen eine Taktik ist, um die (West)Europäer zum Schweigen zu bringen, während Washington eine für beide Seiten akzeptable Endlösung mit Moskau ausarbeitet, die es der Ukraine und (West-)Europa zum geeigneten Zeitpunkt aufzwingt.

Starmer wich aus, als Reporter ihn fragten, ob er von Trump die feste Zusage erhalten habe, dass das amerikanische Militär eine Friedenstruppe unterstützen werde. Trump seinerseits ließ in seiner Antwort auf diese Frage die Bemerkung einfließen, dass er nicht glaube, dass die Russen den Frieden brechen würden, was bedeutet, dass der Nutzen der gesamten Friedensmission zweifelhaft ist. Stattdessen sprach Trump von den Abkommen über Seltene Erden, die er mit Zelensky unterzeichnen wollte, und sagte, dies sei an sich schon eine Garantie für den Frieden. Er meinte damit ganz klar, dass die Anwesenheit amerikanischer Ingenieure und Bergbauexperten vor Ort in der Ukraine die Russen von weiteren Militäraktionen abhalten würde. Wenn andere seine Worte so interpretieren, dass die Bergbauarbeiten vom US-Militär geschützt würden, wie Larry Wilkerson es tat, dann war das in Trumps Worten nirgends zu finden.

Für unser Verständnis dessen, was Trump tat, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass er seine Entscheidung, Zölle in Höhe von 25 % auf die Länder der Europäischen Union zu erheben, am Tag vor Starmer bekannt gab. Aus den Antworten auf die Fragen der Reporter geht hervor, dass das Arbeitsessen, das Starmer und Trump hatten, hauptsächlich dazu diente, das Vereinigte Königreich vor einem solchen Schicksal zu bewahren. Tatsächlich sagte Trump, dass er und Starmer vereinbart hätten, dass ihre Assistenten ein großartiges Handelsabkommen für das Vereinigte Königreich vorbereiten würden.

Kurz gesagt, Trump gab Starmer die klare Botschaft, dass er sich freuen solle, mit einem Handelsabkommen nach Hause zu gehen, um das ihn alle (West-)Europäer beneiden würden und das die „besondere Beziehung“ zwischen ihren beiden Ländern bestätigen würde. Starmer sollte daher einfach den Mund halten, wenn es um die Teilnahme an den Friedensverhandlungen über die Ukraine und um die Friedensmission geht. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Briten von Anfang an das kriegerischste Land in Europa waren, die Drahtzieher der schädlichsten Angriffe der Ukraine auf Russland und der Operationen unter falscher Flagge. Trump hat ihnen also einen wertvollen Preis angeboten, wenn sie nachgeben.

Ich beende meine Beweisführung zugunsten von Trumps brillanter Durchführung seiner Friedensinitiative mit dem, was er tut, nicht mit dem, was er sagt. Es könnte keine bessere Demonstration der politischen und geopolitischen Fähigkeiten des Trump-Teams geben als die Abstimmungen in den Vereinten Nationen, als die USA gegen die von der EU entworfene Resolution stimmten, die Russland die Schuld für den Krieg gab und den Abzug seiner Truppen auf die Vorkriegsgrenzen forderte. Und dann schlossen sich die USA im Sicherheitsrat China und Russland an, um für eine Resolution zu stimmen, die ein schnelles Ende des Krieges fordert, ohne Russland die Verantwortung für den Krieg zuzuschreiben oder zu fordern, dass es das Gebiet, das es jetzt besetzt hält, aufgibt. Darüber hinaus hatten die Vereinigten Staaten die ständigen und nichtständigen europäischen Vertreter im Sicherheitsrat gezwungen, sich zurückzuhalten und die Resolution durch Stimmenthaltung passieren zu lassen. Das war ein Tag wie kein anderer in den Jahrzehnten der Ost-West-Beziehungen.

Dr. Gilbert Doctorow, Jahrgang 1945, ist politischer Analyst mit Sitz in Brüssel. Gilbert Doctorow ist seit 1965 professioneller Beobachter der Sowjetunion/ Russischen Föderation. Er ist Absolvent des Harvard College (1967) mit magna cum laude, ehemaliger Fulbright-Stipendiat und Inhaber eines Doktortitels mit Auszeichnung in Geschichte von der Columbia University (1975). Nach Abschluss seines Studiums verfolgte Gilbert Doctorow eine Geschäftskarriere mit Schwerpunkt  UdSSR und Osteuropa. 25 Jahre arbeitete er für US-amerikanische und europäische multinationale Unternehmen im Marketing und im General Management mit regionaler Verantwortung. Von 1998 bis 2002 war Doctorow Vorsitzender des Russischen Booker-Literaturpreises in Moskau. Im akademischen Jahr 2010–2011 war er Gastwissenschaftler am Harriman Institute der Columbia University. Seit 2008 veröffentlicht Herr Doctorow regelmäßig analytische Artikel über internationale Angelegenheiten auf verschiedenen Websites, zuletzt auf www.gilbertdoctorow.substack.com  Er hat Sammlungen von Essays als eigenständige Bücher sowie eine zweibändige Ausgabe seiner Tagebücher und Erinnerungen als Memoirs of Russianist veröffentlicht

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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