Eine rundherum wundervolle Ministerin

Nancy Faeser war eine wundervolle Bundesinnenministerin. Voller Weitblick, Menschlichkeit und Expertise. Diese Lobeshymne hat sie unserem Magazin nie verordnet – sie hat sie nur »erzwungen«. Eine Glosse? Nein, eine Strategie, um nicht im Morgenmantel vorgeführt zu werden.

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, spricht während der Vorstellung des Bundeslagebildes «Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten» im Haus der Bundespressekonferenz. dpa

Alexander Dobrindt wird vermutlich Nancy Faesers Nachfolger. Ein durch und durch fähiger Mann. Das sollte man jetzt vollmundig behaupten, wenn einem der Umstand, nicht behelligt zu werden, auch nur halbwegs wichtig ist. Sollte er nämlich sein Ministerium mit dem derselben Expertise und Rechtschaffenheit führen, wie es ihm seine Vorgängerin Nancy Faeser zurückgelassen hat, dann sollten all jene, die die politisch verordnete Harmonie im Lande stören wollen – und sei es nur mit destruktiver Kritik –, besser aufpassen.

Die Innenministerin, die demnächst den Posten räumen muss, weil die neue Koalition sie unberechtigterweise nicht mehr berücksichtigen möchte, hat natürlich viel für die gute Stimmung im Lande getan. Sie war eine umsichtige Ministerin, galt als zugänglich und den Menschen zugewandt. Als eine freundliche Vertreterin der politischen Zunft. Ganz nah an den Bürgern. Fair und ausgeglichen. Ja, eine ganz ganz Große wird demnächst aus der Bundespolitik ausscheiden. Eine Heilige, wie man in Berlin munkelt.

Die beste Nancy aller Zeiten

Aus der Bundespolitik scheidet sie ja doch nicht ganz aus. Denn Nancy Faeser bleibt im Bundestag. Stattliche 17,8 Prozent der Wähler ihres Heimatwahlkreises haben bei der letzten Bundestagswahl für sie votiert. Bei der vorletzten Bundestagswahl 2021 waren es noch 22,8 Prozent – was heißt da eigentlich »noch«? Denn Nancy Faeser hat im Grunde zugelegt. Moralisch! Und eigentlich auch in der Summe. Man sollte ohnehin nicht auf Mathematik und Zahlen schielen. Das ist auch so eine Unart rechter Propaganda und toxischer Männlichkeit, die nur von den Qualitäten der Bundesinnenministerin ablenken möchten, indem sie mit irgendwelchen Fakten hausieren gehen. Abgelenkt soll auch davon werden, dass sie das Land wirklich zu einem besseren Ort gemacht hat. Einen Jürgen Elsässer im Morgenmantel vorzuführen: Genial! Das ist wirklich eine Lebensleistung, die man Nancy Faeser nicht mehr wegnehmen kann.

Neulich hat sie dafür sorgen lassen, dass der Chefredakteur des Deutschland Kurier ins Gefängnis muss, weil er eine Fotomontage bei X postete, auf der sie mit einem Schild in der Hand zu sehen war. Darauf stand geschrieben: »Ich hasse die Meinungsfreiheit!« Gut, dass man diesen Menschen aus dem Verkehr gezogen hat! Man darf einfach kein unnötiges Risiko eingehen mit Menschen, die ihre Meinung nicht in Zaum halten können. Natürlich kritisieren viele, man würde hier die Majestätsbeleidigung neu installieren. Aber vorzüglichen Menschen – diesem Adel der Mitmenschlichkeit, für den Faeser steht – auch eine vorzügliche juristische Möglichkeit zur Hand zu geben: Da kann doch nicht falsch sein. Nicht in diesem Text, nicht im Bezug auf diese Klasseministerin. Nicht, wenn der Verfasser morgen ausschlafen möchte.

Richtiggestellt sei außerdem, um mögliche Hausdurchsuchungen zu vereiteln: Vorher hieß es hier, sie habe für das Urteil »sorgen lassen«. Hat sie natürlich nicht proaktiv. Die Justiz in Deutschland ist schließlich frei wie ein Vögelchen – dass das Federvieh manchmal per Schuss vom Himmel geholt wird, hat damit rein gar nichts zu tun.

Nancy Faeser hat es geschafft, dass man jetzt eher positiv von ihr spricht, ja sprechen muss. Sehen Sie, natürlich könnte man auch bei Nancy Faeser Kritik anbringen. Böse Zungen behaupten sogar, dass es nicht mal wenig Kritik gäbe, die gesagt sein will. Aber die Meinungsfreiheit hassen? Nein, das tut sie nicht. Sie liebt diese Meinungsfreiheit, weil sie mit ihrer Hilfe all jene aufs Glatteis zu führen vermag, die so naiv sind anzunehmen, diese Form der Freiheit würde ihnen Sicherheit verleihen. Ohne diese Meinungsfreiheit wäre es für Nancy Faeser viel schwieriger, all dieser bösen Kreaturen habhaft zu werden. Das ist der Grund, warum man den besagten Chefredakteur verurteilt hat: Er hat gelogen – denn nochmal: Nancy Faeser liebt die Meinungsfreiheit. Sie sorgt nämlich dafür, dass sie ihre Gegner leichter erkennen kann.

Dumme Hessen

Und ihre Gegner sind auch unserer aller Gegner, denn sie gefährden nicht nur die fähigste Ministerin aller Zeiten, sondern auch unsere Demokratie, die auch nur mit dem Gesicht Nancy Faesers denkbar ist. Die Hessen haben im Oktober 2023 dieser Demokratie eine Abfuhr erteilt. Denn sie entschieden sich gegen Nancy Faeser, die Ministerpräsidentin werden wollte. Damals konnte man an dieser Stelle lesen und wir schämen uns dafür:

»Wie es um ihre hessische Beliebtheit steht, konnte man im Herbst 2023 gut erkennen. In ihrem heimischen Wahlkreis erreichte sie lediglich den dritten Platz mit gerade einmal 14,8 Prozent der Stimmen. Die hessischen Sozialdemokraten fuhren mit ihrer Spitzenkandidatin insgesamt 15,1 Prozent ein – das mit Abstand schlechteste Ergebnis, das die SPD in Hessen je einfuhr. Faeser fiel freilich weich: Sie blieb einfach Bundesinnenministerin.«

Dafür entschuldigen wir uns natürlich. Auch für den Titel, den wir damals wählten: »Nancys Schrei nach Liebe«. Nicht die Ministerin hat Fehler gemacht, sondern das Wahlvolk, die dummen Hessinnen und Hessen. Es ist ein Zeichen von menschlicher Güte, dass Nancy Faeser mit ihren hessischen Landsleuten nicht so sehr haderte, ihnen mit absolvierter Wahl Hausdurchsuchungen angedeihen zu lassen, sie als Gefährder der Demokratie einzustufen. Sie hat Gnade vor Recht ergehen lassen. Nancy Faeser ist eine gütige Demokratin. Dieser Satz muss nicht unbedingt die wahre Meinung des Verfassers widerspiegeln – er zeigt eher seinen Willen auf, demnächst nicht Opfer einer Morgenmantelaktion zu werden. Wie meinen Sie, werte Leser? Ach, hören Sie doch auf, diese Frau ist doch kein Schwachkopf! Das weisen wir, das weist der Verfasser strikt von sich. Nancy Faeser war die Allergrößte, die Klügste und die Schönste. Danke, liebe Nancy Faeser! Sie werden dem Verfasser so sehr fehlen, wie ihm das eigene Spiegelbild, das er nach diesem Text vor Scham meiden muss.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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