Im besten Deutschland aller Zeiten – über 1.200 Pflegeeinrichtungen insolvent oder geschlossen

Der Pflegebedarf in Deutschland wächst. Dennoch geraten viele Anbieter in finanzielle Not. Warum ist das so und was könnte helfen? Überlegungen zur Verstaatlichung des Gesundheitssystems und einer Finanzierung über Staatsbetriebe oder «Sondervermögen» stehen dabei allerdings nicht zu Diskussion. Im Deutschland auf Kriegskurs werden ganz andere Prioritäten gesetzt.

Plätze in Altenheimen sind begehrt – trotzdem geraten viele Einrichtungen in Finanznot. Marijan Murat/dpa

Berlin – In Deutschland geraten immer mehr Pflegeheime und -dienste in finanzielle Not. So wurden seit Anfang vergangenen Jahres nach einer Erhebung des Arbeitgeberverbands Pflege bei 1.264 Pflege-Einrichtungen Insolvenzen oder Schließungen bekannt, wie Verbandsgeschäftsführerin Isabell Halletz in Berlin sagte. «Das macht uns große Sorgen, weil trotz wachsenden Bedarfs etliche Pflegeplätze wegbrechen.»

Für Schlagzeilen sorgte zuletzt der Fall des Pflegekonzerns Argentum. Dessen vier Holdinggesellschaften hatten am 1. April Insolvenz in Eigenverwaltung beim Amtsgericht Bad Homburg beantragt, wie mehrere Medien berichteten. 

«Heimsterben geht weiter»

Tatsächlich dokumentierte der Arbeitgeberverband Pflege bereits Anfang vergangenen Jahres in einer eigens erstellten «Deutschlandkarte Heimsterben», wie stark die Branche unter Druck steht. Über 800 Insolvenzen oder Schließungen in der Altenpflege zählte der Verband demnach 2023. Verbandspräsident Thomas Greiner sagte damals: «Und das Heimsterben geht weiter, egal ob familiengeführtes Pflegeheim, kirchliche Sozialstation oder leistungsstarkes Pflegeunternehmen.»

Reform blieb aus

Argentum verweist bei den Problemen, mit denen man sich konfrontiert sehe, auf die Herausforderungen der gesamten Branche – «wie Fachkräftemangel, steigenden Betriebskosten, bürokratischen Hürden und unzureichender Finanzierung». Angesichts der wachsenden Probleme und des immer größer werdenden Pflegebedarfs in der alternden Gesellschaft hatte der noch amtierende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Herbst eine Pflegereform angekündigt. Auf den Weg kamen Verbesserungen vor dem Bruch der Ampel-Koalition aber nicht mehr.

Mangelnde Zahlungsmoral der Kassen

Verbandsgeschäftsführerin Halletz sieht die Hauptursache für die finanzielle Schieflage vieler Pflegeanbieter in der mangelnden Zahlungsmoral der Kassen. Die Leistungen der Heime und Dienste würden meist nicht zeitnah bezahlt. «Das türmt sich bei den Pflegeunternehmen zu sechs- bis siebenstelligen Summen auf», sagte Halletz. Klamme Kassen sanierten sich auf Kosten von Pflegeanbietern. «Die Pflegeunternehmen werden als Bank der Kassen missbraucht», sagte Halletz.

Lange dauere es auch bei den Sozialämtern, die bei bedürftigen Menschen für die Eigenanteile einspringen – aber oft erst nach monatelanger Wartezeit, wie Halletz kritisierte. «Die Anbieter erbringen also Leistungen, die zunächst gar nicht finanziert werden – das trifft auch größere Unternehmen.»

Branche hofft auf neue Regierung

Gefragt seien nun die Parteien, die derzeit über die nächste Regierung in Deutschland verhandeln. «Der Abbau von Strukturen sollte ein großes Warnzeichen an die Politik sein», mahnte Halletz. Die Pflegeunternehmen müssten gestärkt werden. Gegenüber den Pflegekassen dürften sie nicht mehr «wie Bittsteller» auftreten müssen, forderte die Verbandsmanagerin. Laut Statistischem Bundesamt hatte es zuletzt 11.250 Pflegeheime mit vollstationärer Dauerpflege und 15.549 ambulante Pflegedienste in Deutschland gegeben.

Eine generelle Verbesserung dürften solch mögliche «Reförmchen» allerdings nicht bringen, da die genannten Probleme typisch für ein auf Privatwirtschaft basierendes Gesundheits- und Pflegewesen sind. Ein staatlich finanziertes Gesundheitswesen und staatliche Pflegeeinrichtungen, die nur einen Partner, eine ebenfalls staatliche Bürgerkranken- und pflegekasse hat, wäre eine optimale Lösung. Daran ist natürlich in einem Deutschland im «Privatisierungsrausch» nicht zu denken. Obwohl die Finanzierung eines solchen Modells durchaus realistisch wäre. Einerseits wäre eine Finanzierung über gewinnträchtige Staatsbetriebe möglich, wie es zum Beispiel in Norwegen oder Weißrussland praktiziert wird. Oder es wäre ebenfalls finanzierbar, wenn man das sogenannte «Sondervermögen» nicht für irrwitzige Rüstungsausgaben und Kriegsvorbereitung, sondern für eben ein solches, staatliches Gesundheitssystem im Dienste der Bürger einsetzen würde. Aber solche Überlegungen sind im «besten Deutschland aller Zeiten» völlig illusorisch, da Politik und Privatwirtschaft von ganz anderen, gewinnorientierten Interessen geleitet werden.

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