Im „besten Deutschland aller Zeiten“ – Verband warnt: Viele Jugendliche von Armut bedroht

  • POLITIK
  • Januar 18, 2025
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Eine eigene Wohnung, ein eigenes Auto? Für viele junge Menschen in Deutschland ist das undenkbar. Experten warnen: Bei Jugendarmut geht es nicht nur um finanzielle Nachteile.

Ein Beitrag von Rabea Gruber

40 Prozent der untergebrachten Wohnungslosen waren 2024 jünger als 25 Jahre. (Symbolbild) Fabian Sommer/dpa/dpa-tmn

Düsseldorf – Armut nimmt jungen Menschen Chancen – und betrifft jeden vierten jungen Erwachsenen in Deutschland. Das geht aus dem «Monitor Jugendarmut in Deutschland» hervor, den die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) in Düsseldorf vorstellte. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen lag die sogenannte Armutsgefährdungsquote demnach 2023 bei 25 Prozent. Bei den unter 18-Jährigen betrug sie rund 21 Prozent. 

Die Armutsgefährdungsquote gibt den Anteil der Bevölkerung an, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. 2023 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland nach Steuern und Sozialabgaben bei 1.310 Euro im Monat. Bundesweit waren 2023 knapp zwölf Millionen Menschen armutsgefährdet. Mehr als zwei Drittel der deutschen Jugendlichen sorgen sich laut dem Bericht davor, mit ihren Familien in Armut leben zu müssen.

Viele Sorgen um Wohnraum

Der Verband betonte, dass Armut für Jugendliche mit großen Ängsten verknüpft ist. Jeder zweite Auszubildende sowie zwei Drittel der Studierenden in Deutschland galten 2023 als «durch Wohnkosten überlastet». Das bedeutet, dass sie mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen verwenden mussten. 40 Prozent aller Wohnungslosen, die 2024 in Einrichtungen untergebracht waren, waren jünger als 25 Jahre.

«Die Situation hat sich verschärft», sagte Matthias Marienfeld, ehemaliger Leiter des Don-Bosco-Clubs Köln. Der Verein begann mit einem Freizeit- und Lernangebot für Kinder und bietet mittlerweile auch Schlafplätze für junge Obdachlose an. «Wir sind nur die Antwort auf die Not», berichtete Marienfeld. 

Der soziale Wohnungsbau müsse deutschlandweit deutlich vorangehen, forderte der Verband im Bericht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft schlug zudem Bürgerforen oder vergleichbare Formate vor, über die sich auch Armutsbetroffene an der Stadtplanung beteiligen könnten.

Wie mobil sind arme Jugendliche?

Unterwegs zu sein, stelle arme Jugendliche ebenfalls vor Herausforderungen, hieß es. Die Preise für die Anschaffung eines Fahrrads oder den Erwerb eines Führerscheins seien in den vergangenen Jahren gestiegen. Das Deutschlandticket habe den öffentlichen Nahverkehr zwar erschwinglicher gemacht. Dass das Ticket mittlerweile nur noch digital verfügbar sei, schließe Menschen ohne Handys oder Bankkonto jedoch systematisch aus. 

Der Verband kritisierte außerdem die jüngste Preiserhöhung auf 58 Euro pro Monat und warb für ein bundesweit gültiges Jugendticket. Das solle kostenfrei oder zumindest stark vergünstigt sein. In ländlichen Regionen sei es notwendig, den Nahverkehr auszubauen.

Strukturelle Folgen von Jugendarmut

Über die materiellen Aspekte hinaus habe Armut weitreichende Folgen, warnte die Bundesarbeitsgemeinschaft – etwa für den Bildungsweg und die Gesundheit von Jugendlichen. «Sie müssen schon früh lernen, dass sie auf Entwicklungschancen verzichten müssen», sagte der Verbandsvorsitzende Stefan Ottersbach. Wer seine Familie finanziell unterstützen müsse, könne sich weniger um die eigene Ausbildung kümmern.

Auch bei der Medienkompetenz und beim Finanzwissen entstehen den Experten zufolge oft große Lücken. Strukturelle Benachteiligung sei ein Grund, warum arme Jugendliche auch das Vertrauen in die sogenannte „Demokratie“ verlieren. Armutsgefährdete Menschen nehmen seltener an Wahlen teil, wie der Verband betonte.

Verband will Grundsicherung für junge Menschen

Es brauche endlich eine bundesweite Strategie gegen Jugendarmut, sagte Ottersbach und forderte eine unbürokratische Grundsicherung für Kinder und Jugendliche. Als Vorhaben der ehemaligen Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP war eine Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag verankert worden. Mit dem Scheitern der Koalition kam das Gesetz jedoch nicht mehr zustande.

«Die Zahlen belegen: Auch unter der Regierung aus SPD, Grünen und FDP ging es beim Thema Kinderarmut kein Stück vorwärts», kommentierte die Linken-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Heidi Reichinnek. Neben einer Grundsicherung seien auch «massive Investitionen in Kitas und Schulen» gefragt.

Für den Bericht hat die BAG KJS vorliegende Daten des Statistischen Bundesamtes sowie aus verschiedenen Studien ausgewertet.

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