Im Januar 2014 hatte Lanz schon einmal seinen Verhörstil gegen Sahra Wagenknecht versucht, sie malträtiert und nicht zu Wort kommen lassen. Das hatte ihm Hunderttausende von Protestmails eingebracht. In der Nachfolgesendung entschuldigte er sich und verfuhr bei künftigen Einladungen gnädiger mit der TV-Quotenbringerin Wagenknecht. Gestern ist Lanz wieder rückfällig geworden.
Ein Beitrag von Diether Dehm
An diesem Mittwoch beschuldigte er sie, „Kontakte zu Rechtsextremen” zu unterhalten. Gemeint war der rechte Netzwerker Gernot Mörig. In der Sendung saß auch der erstaunlich gut gebriefte Markus Bensmann von „Correctiv“. Dieser verhörte Sahra Wagenknecht gemeinsam mit Lanz. Sie solle doch endlich zugeben, vor zehn Jahren an einem Treffen mit dem linken Kabarettisten Volker Pispers teilgenommen zu haben, das aber mit und durch den Rechten Gernot Mörig zustande gekommen wäre. Und dieser Mörig sei nun auch als Drahtzieher des rechten Stelldicheins in der Potsdamer Villa Adlon aufgeflogen. Dort war für „Remigration” geworben worden, was jetzt in einigen Medien sogar mit der WannseeKonferenz gleichgesetzt wird.
So also wurde medial ein Kontext angelegt, der von Wagenknecht über Potsdam bis Wannsee reicht: Remigration sei ja gleich Massendeportation. Und ausserdem würde Frau Wagenknecht ja irgendwie so ähnlich über Migration reden. Eine Groteske? Leider nein, denn diese Attacke hat eine Vorgeschichte: Am Samstagabend bereits hatte mich der Anti-Kriegs-Publizist Patrik Baab gebeten, Sahra Wagenknecht umgehend telefonisch zu warnen. Er habe recherchiert, auf sie sei demnächst eine mediale Attacke geplant, nämlich, aus dem „Adlon-Skandal“ der Rechten, über die Person Gernot Mörig, einen „Wagenknecht-Skandal“ zu inszenieren. Mit der gestrigen Lanz-Sendung hat sich Patrik Baabs Alarm jetzt bestätigt. Baabs Recherche lief während der Theaterproben beim Berliner Ensemble, einer Nachstellung des Potsdamer Rechtentreffs im Adlon unter Mithilfe von „Correctiv”. Lanz dürfte also Wagenknecht kaum spontan und ohne Plan gemeinsam mit dem „Correctiv”- Redakteur in die Sendung eingeladen haben.
In seiner Inszenierung gegen Wagenknecht ging es auch darum, wieder einmal „Kontaktschuld” aufzurufen. Hier hatte eine linke Politikerin mit einem linken Künstler und einem Rechten an einem Tisch gesessen – vor zehn Jahren –, wofür sie sich gefälligst verantworten muss, um nicht mit Rechten in einen Topf zu geraten. Wenn nun seit zwei Tagen Spruchblasen-Facharbeiter den Treff in der Potsdamer Villa Adlon auch noch mit der Wannsee-Konferenz gleichsetzen, so ist das besonders abgebrüht. Zur historischen Erinnerung: mit „Wannsee“ war 1942 – basierend auf juristischen Vorarbeiten vom späteren Adenauer-Kanzleramtschef Hans Globke – die Judenverfolgung zum logistischen Regierungsziel des faschistischen Massenmords erhoben worden. Was hingegen vor zwei Monaten im „Adlon“ geschwurbelt worden sein soll, hat mit der Wannsee-Konferenz weniger zu tun als mit jenem Gesetz, das gerade – schlimm genug – vom britischen Regierungschef Sunak (auch als „remigration“) durchs Unterhaus gedrückt worden ist. „Adlon” mit „Wannsee“ gleichzusetzen, markiert als monströse Verharmlosung der Shoa einen weiteren Niedergang von Journalismus – so, wie die „Kontaktschuld“ nichts mit Aufklärung zu tun hat. Mit dieser „Kontaktsperre” sollen nun nicht nur Sahra Wagenknecht sämtliche Begegnungen der letzten zehn Jahre vorrechenbar, sondern Widerspenstige aller Couleur eingeschüchtert werden. (Merke: Wenn Du auf einer Friedenskundgebung neben jemand zu stehen kommst, den Du nicht vorher gegoogelt hast, darfst Du demnächst am Pranger stehen. Besser also, man geht erst gar nicht vor die Tür.)
Im Juni 2021 hielt Alexander Gauland eine beachtliche Rede zum „Molotov-RibbentropNichtangriffspakt“. Danach sprach ich kurz mit ihm. Ich kannte ihn seit 40 Jahren, weil er für seinen CDU-OB Wallmann viele linke Kulturprojekte von SPD-Dezernent Hilmar Hoffmann und mir gegen die CDU-Mehrheit ermöglicht hatte. Dieses kurze Gespräch auf der Treppe vor dem Plenum war von einem Fraktionsmitarbeiter der Linken beobachtet worden. Es wurde kurz darauf in der Fraktion skandalisiert. 1972 sollte ich als amtierender Juso-Vorsitzender in Frankfurt am Main einmal abgesetzt und ausgeschlossen werden, weil zuvor die Frankfurter Rundschau gemeldet hatte, ich hätte mich mit einem DKP-Vertreter getroffen. Es war um eine gemeinsame Solidaritätsaktion für Angela Davis gegangen. „Kontaktsperre“ wird zum immer härteren Hexenhammer für Entmündigung.