Nachtrag zu Kaja Kallas: die klügste und auch gefährlichste Hohe Vertreterin der Europäischen Kommission für Außen- und Sicherheitspolitik (HRECFASP) seit der Schaffung des Postens

Ursula von der Leyen muss hocherfreut sein, dass sie die estnische Premierministerin Kaja Kallas zu ihrer Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin der Europäischen Kommission für Außenpolitik usw. gewählt hat. Besonders jetzt, wo die Beziehungen zu den USA angespannt sind und man sehr leicht einen Fehltritt begehen kann, der die Karriere ruiniert.

Ein Beitrag von Gilbert Doctorow (Übersetzung Andreas Mylaeus)

Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zum Thema Ukraine im Lancaster House. dpa

Kallas sagte, dass sie sich bald auf den Weg nach Washington machen würde, um sich mit dem US-Außenminister Marco Rubio und anderen Beamten zu treffen, um über das Ende des Krieges in der Ukraine und die Rolle (West-)Europas bei der Beilegung zu sprechen. Dies ist keine beneidenswerte Aufgabe. Donald Trump mag sich gegenüber dem französischen Präsidenten und dem britischen Premierminister höflich verhalten. Seine völlige Verachtung für die EU ist jedoch allgemein bekannt und Kallas war erwartungsgemäß bei ihrer Ankunft in Washington verschiedenen Demütigungen ausgesetzt, während von der Leyen es sich in Brüssel gemütlich macht.

Kallas könnte jedoch trotzdem einen Weg finden, zu glänzen, denn sie ist eine gewiefte Person.

Kaya Kallas ist eine von wenigen „großen Leuten, die mit uns reden“, die in dem BBC-Werbeclip für die Interview-Sendung „Hard Talk“ mit Moderator Stephen Sackur zu sehen ist. In der Promo fragt Sackur sie, ob sie jemals daran gedacht habe, aufgrund eines Skandals zurückzutreten, nachdem bekannt wurde, dass ihr Ehemann gegen das Verbot verstoßen hatte, Geschäfte mit Russland zu machen, von denen sie angeblich nichts wusste. Kallas lächelte zurückhaltend und sagte, dass sie „ja“ darüber nachgedacht habe. Punkt.

Wie schlau sie sein kann, zeigte sich sehr schön, als sie sich zum angespannten Verhältnis mit den Vereinigten Staaten und Bedenken äußerte, dass Washington seine Verpflichtungen gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags, (West-)Europa zu verteidigen, nicht einhalten werde. Sie erinnerte ihr Publikum daran, dass Artikel 5 in der Geschichte nur einmal in Kraft gesetzt wurde, und zwar um den USA nach den Terroranschlägen vom 11.September zu Hilfe zu kommen. Sie sagte, dass Estland seine Pflicht erfüllt habe und dass 12 Esten bei diesem Einsatz ihr Leben verloren hätten, was sie angesichts der geringen Bevölkerungszahl des Landes als großes Opfer ansah. Die Logik dahinter ist, dass Washington (West-)Europa heute nicht im Stich lassen sollte.

Rechnen Sie es sich aus. Zwölf Tote entsprechen 0,0000085 der estnischen Bevölkerung. Abgesehen von ihrer Klugheit würde ich sagen, dass ihre mathematischen Fähigkeiten denen der dümmlichen, scheidenden deutschen Außenministerin Annalena Baerbock entsprechen, die für ihre 360-Grad-Wende in der Politik bekannt ist.

Wenn ich Kaja Kallas als die klügste Person bezeichne, die jemals das Amt des Hohen Vertreters (HV) innehatte, tue ich ihr damit keinen Gefallen. Ihre Vorgänger seit der Schaffung des Postens waren eine Reihe von Dummköpfen oder geistig instabilen Leistungsträgern. Kallas ist die erste HV, die aus einem sehr kleinen europäischen Staat stammt. Ihre Vorgänger kamen aus den Schwergewichten: Großbritannien (vor dem Brexit), Italien und Spanien. Ihre Vorgänger waren auch alle Sozialisten der einen oder anderen Art. Kallas steht weit rechts von der Mitte.

Kallas war eine führende Persönlichkeit in der estnischen Reformpartei, die von den Mainstream-Medien allgemein als „liberal“ bezeichnet wird. Ihre Sozialpolitik erlaubt es uns, sie genauer als „neoliberal“ zu bezeichnen, was in der Tat konservativ bedeutet, mit einer von Anfang an stark antirussischen Plattform.

Seit Ende der 1990er Jahre ist die Reformpartei im EU-Parlament Mitglied der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), die vom belgischen Premierminister und Thatcher-Anhänger Guy Verhofstadt gegründet wurde und lange Zeit von ihm geführt wurde. Mehr als ein Jahrzehnt lang setzte sich ALDE für Sanktionen gegen Russland auf der Grundlage des Magnitsky-Gesetzes der USA (2012) ein. ALDE schloss sich später mit den Abgeordneten von Macrons Renew Europe zusammen.

Während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin in Estland, 2021–2024, war Kallas eine der lautesten antirussischen Stimmen in der EU. Als der Ukrainekrieg begann, forderte sie wiederholt den Sieg Kiews und die Niederlage Russlands. Noch vor wenigen Monaten, als selbst die westlichen Mainstream-Medien den bevorstehenden russischen Sieg auf dem Schlachtfeld anerkannten, erklärte Kallas, dass die Mission immer noch darin bestehe, „Russland in die Knie zu zwingen“. Dies aus einem Land, das etwas weniger als 1,4 Millionen Bürger zählt, von denen eine beträchtliche Minderheit russischsprachig ist.

Erlauben Sie mir, hier die Dummköpfe aufzulisten, die vor Kallas auf dem sehr wichtigen Posten des Chefdiplomaten der EU sassen, der „Ansprechpartner“ für die Antwort auf Henry Kissingers Frage, wen man anrufen sollte, um die Stimme /West-)Europas zu einer bestimmten Frage zu hören.

An erster Stelle stand die englische Adelige Baroness Margaret Ashton, 2009–2014, deren Hauptdienst in der Regierung im House of Lords lag und die keine Erfahrung in internationalen Angelegenheiten und Diplomatie hatte. Sie war ein leeres Gefäß, wie alle sehen konnten.

Dann kam die Italienerin Federica Mogherini, 2014–2019, die Ashtons Mängel in Bezug auf Erfahrung und Aussehen ausglich. Mogherini war eine sehr gutaussehende Frau, die als Mitglied des italienischen Parlaments Erfahrung in der Wahlpolitik hatte und kurz vor ihrer Ernennung zum Hohen Vertreter in Brüssel (weniger als ein Jahr) als Außenministerin tätig war. Leider war Mogherini dem Stress des Amtes nicht gewachsen und erlitt vor unseren Augen einen Nervenzusammenbruch. Ihr Gesicht vor den Kameras war verzerrt. Sie litt. Dann, wie durch ein Wunder, nachdem sie von ihren Pflichten in Brüssel entbunden worden war und nach Italien zurückgekehrt war, um eine Lehrtätigkeit an der Universität aufzunehmen, gewann sie sofort ihre Ausgeglichenheit und ihr gutes Aussehen zurück. Aber während ihrer Amtszeit hatte sie der EU schlecht gedient.

Schließlich kommen wir zu Josep Borrell, 2019-2024, dem Spanier, der in hohen Positionen in EU-Institutionen tätig war, unter anderem von 2004 bis 2009 als Präsident des Parlaments. Kurz vor seiner Ernennung zum Hohen Vertreter war er Außenminister in der Regierung von Sanchez. Bedauerlicherweise hat Borrells langjähriger Dienst in Spitzenpositionen zu Arroganz geführt, nennen wir es „Hybris“. Sein Platz in der Geschichte ist ihm durch seine Bemerkung gegenüber Reportern sicher, dass „Europa ein Garten ist und außerhalb seiner Mauern der Dschungel liegt“. Leider haben solche offenkundig neokolonialistischen Ansichten (West-)Europa im Hinblick auf den aufstrebenden globalen Süden nicht gutgetan.

                                                                      ****

Die Zeiten ändern sich. Kaya Kallas wird all ihren Scharfsinn brauchen, um ihren kürzlich erworbenen Spitzenplatz in der europäischen Diplomatie zu halten. Zumindest wird sie ihre Worte zurücknehmen und sich mit Russland und Donald Trumps Amerika gut stellen müssen. Wird ihre Chefin, von der Leyen, es besser machen?

Dr. Gilbert Doctorow, Jahrgang 1945, ist politischer Analyst mit Sitz in Brüssel. Gilbert Doctorow ist seit 1965 professioneller Beobachter der Sowjetunion/ Russischen Föderation. Er ist Absolvent des Harvard College (1967) mit magna cum laude, ehemaliger Fulbright-Stipendiat und Inhaber eines Doktortitels mit Auszeichnung in Geschichte von der Columbia University (1975). Nach Abschluss seines Studiums verfolgte Gilbert Doctorow eine Geschäftskarriere mit Schwerpunkt  UdSSR und Osteuropa. 25 Jahre arbeitete er für US-amerikanische und europäische multinationale Unternehmen im Marketing und im General Management mit regionaler Verantwortung. Von 1998 bis 2002 war Doctorow Vorsitzender des Russischen Booker-Literaturpreises in Moskau. Im akademischen Jahr 2010–2011 war er Gastwissenschaftler am Harriman Institute der Columbia University. Seit 2008 veröffentlicht Herr Doctorow regelmäßig analytische Artikel über internationale Angelegenheiten auf verschiedenen Websites, zuletzt auf https://gilbertdoctorow.com Er hat Sammlungen von Essays als eigenständige Bücher sowie eine zweibändige Ausgabe seiner Tagebücher und Erinnerungen als Memoirs of Russianist veröffentlicht

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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