Nazi-Schergen mit Einstecktüchern und Perlenketten

Was hat die Hinrichtungsstätte Plötzensee mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel zu tun? Alles! Das erklärt jedenfalls ein Gastbeitrag einer Regisseurin bei der taz. Der Kunst- und Medienbetrieb verniedlicht zunehmend den sogenannten Nationalsozialismus (deutschen Faschismus).

Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Perlenkette
TheAnnAnn, CC0, via Wikimedia Commons

Christina Friedrich ist Regisseurin. Und neuerdings Gastbeiträgerin in der taz. In ihrem Artikel vom 23. Februarkommt sie recht unverhohlen auf dem Punkt: »An Alice Weidel denken heißt an Plötzensee denken.« Zur Erinnerung: Plötzensee war eine Hinrichtungsstätte der sogenannten Nationalsozialisten. Knapp 3.000 Menschen wurden dort ermordet. Bis 1942 wurde bevorzugt guillotiniert. Dann ging man zum Erhängen über. Häufig hing man die Opfer mit Klaviersaiten an Fleischerhaken. Dabei zelebrierten die deutschen Faschisten den grausamen Todeskampf der Opfer als bestialische Rache. Einige Widerständler des 20. Juni 1944 starben hier – jene, die nicht sofort am Abend jenes Tages standrechtlich erschossen wurden.

Für Joachim Fest war Plötzensee der »zentrale Schauplatz der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz«. Dort rechnete das Regime mit seinen Gegnern ab – nicht kühl, nicht gefühllos, sondern voller Hass und Rachegelüste. Es ist also ein schwerwiegender Vergleich, den die Regisseurin Friedrich in der taz anbringen darf. Denn Alice Weidel mag man ja viel unterstellen können, aber wie man sie mit dem bestialisch herbeigeführten Tod von etwa 3.000 Menschen in Verbindung zu bringen vermag, ist tatsächlich schwer fassbar. Und skurril ist diese Zusammenstellung ohnehin.

Plötzensees Lächeln

Wie kommt die Gastautorin zu dieser Erkenntnis? Ihr falle Plötzensee ein, wenn sie Weidels weißen Rollkragenpullover sehe, schreibt sie – und ihr eiskaltes Lächeln tue das Übrige. Dann sei ihr der »Schrecken dieses Ortes« nicht mehr vergangen, sondern gegenwärtig. Auf dem Weiß des Pullovers sehe man jeden Fleck – und dann trage sie ja auch noch »die Perlenkette aus der Vitrine der bürgerlichen Ehefrau«. Friedrich spricht eigentlich bloß Befindlichkeiten an, die weniger mit Weidel und der AfD, als mit ihr selbst zu tun haben. Denn Omas Perlenkette, von der sie spricht, tragen im zeitgenössischen Deutschland auch junger Männer auf, die besser gesagt keine Männer sein wollen, sondern sich als queer identifizieren. Nicht selten tragen sie diese Perlenketten im Kombination mit weißen Perlenohrsteckern, wie sie Großmutter schon trug. Die Perlenkette als Synonym für Plötzensee: Das ist nicht nur grotesk, sondern lässt die Wut auf das bürgerliche Milieu erahnen, den Hass auf das eher Konservative. Einige Omas gegen rechts werden auch so eine Kette um den Hals gelegt haben: Diese Scherginnen aus Plötzensee!

Und dann ist da noch das eiskalte Lächeln. Da kann man freilich mitgehen, Alice Weidel macht nicht den Eindruck einer fürsorglichen Pflegebeauftragten, die immer empathisch nickt. Der Punkt ist nur: Das ist auch nicht ihr Job! Und wenn wir schon von Menschen in der Politik sprechen, die eiskalt lächeln: Denken wir doch mal an Friedrich Merz. Oder an Robert Habeck. Warum erinnert sich Friedrich bei deren Eiseslächeln nicht an Plötzensee oder Dachau oder an sonst einen dieser schrecklichen Orte deutscher Geschichte?

Der kalte Lächler Merz wird demnächst eine Bundesregierung anführen. Eiskalt lächelt er, wenn er die neue milliardenschwere, fast in die Billion reichende Sicherheitspolitik der Öffentlichkeit vorstellt – er lächelt und hat im Hinterkopf, dass der Sozialsektor sich auf einen Kahlschlag gefasst machen darf, wie ihn diese Bundesrepublik in ihrer Geschichte noch nicht erlebt hat. Ist das schon Plötzensee? Oder muss man so lächeln und synchron dazu eine Perlenkette tragen, damit wir in diese Tiefen deutscher Empfindungen hinabsteigen können? Was ja nicht mal zutrifft, denn es sind nur die zur Schau gestellten Emotionen einer Frau, die im Kulturbetrieb ihre Brötchen verdient – und die sie für achtenswert genug hält, um eine größere Leserschaft damit zu beglücken.

Das Einstecktuch des Teufels

Überhaupt dieses Lächeln: Was will damit ausgedrückt werden? Wir haben gehört, wie in Plötzensee menschliche Leben vernichtet wurden. Dort hat man die Opfer nicht eiskalt zu Tode gelächelt. Man muss wahrscheinlich schon eine Ausbildung im humanmedizinischen Sektor haben, um diese Synapsen-Verbindungen zwischen Ketten und Plötzensee, Lächeln und Plötzensee, Pullover und Plötzensee, wenigstens etwas erklärbar zu machen. Friedrich legt allerdings natürlich noch nach: Weidels Einstecktüchlein erinnere sie an Hitlers Außenminister von Ribbentrop – denn damit verbinde sie »Zucht, Ordnung, Kontrolle und Verachtung«. Warum kommt ihr nicht Fred Astaire in den Sinn? Der hatte fast immer eines am Jackett stecken. Das Tanzgenie war kein Zuchtmeister, der wirbelte und gleitete beschwingt über Kinoleinwände. Heute trägt George Clooney häufig so ein Tüchlein am Revers – und manchmal auch David Beckham. Und das nicht, weil sie mit Alice Weidel sympathisieren wollten, sondern aus Stilbewusstsein heraus.

Regisseurin Friedrich mag ja keinen Sinn für Mode haben – ihr gutes Recht, in diesem Land darf jeder tragen, was ihm gefällt. Aber so zu tun, als sei guter oder auch nur gut gemeinter Geschmack die Wiederauferstehung des deutschen Faschismus, ist so hanebüchen, dass es einem den Atem verschlägt. Übrigens hat Joachim von Ribbentrop vermutlich nie die Hinrichtungsstätte Plötzensee betreten – zumindest gibt es keine Belege dafür. Man sieht also schon, was die Urheberin jenes Artikels zusammenwürfelt. Mit Logik kann man solchen Exzessen nicht beikommen.

Dann spricht sie von einem Chor, der wachsen muss – man folgt ihr an dieser Stelle kaum noch. Zu chaotisch sind die Zeilen, man müsste Kopf-Insider der Autorin sein. Diese Frau mit Einstecktuch, die Friedrich – weiter im Text – nicht mehr beim Namen nennen wolle, lässt sie nicht los. Sie denke bei ihr an »Mord und Gewalt«. Der weiße Pullover täusche sie nicht, schreibt sie. Bei was? Man erfährt es nicht – und auch nicht, warum der zuständige Redakteur nicht erkannte, dass ihm hier eine selbst-therapeutische Abhandlung vorgesetzt wurde. Dann dieser Satz, man staunt und wundert sich immer mehr: »Unter dieser Wolle wohnt ein besessener Mensch, der nachts, die Zähne zusammengebissen, alles säubert, was nicht in sein Weltbild gehört.« Zähne zusammenbeißen, Arsch zusammenkneifen: Das ist die Haltung, die es braucht, um heil durch den Artikel zu kommen.

Und es kommt einem Marlon Brando in den Sinn, »Apocalypse Now«, als Colonel Kurtz, wie er schreit: »Die Wolle, die Wolle!« Zugegeben, er rief: »The horror, the horror!«, auf Deutsch »Das Grauen, das Grauen!« – aber offenbar kommt das für Christina Friedrich auf dasselbe hinaus. Und keiner weiß warum …

Der Diskursraum: Ein Therapeutikum

Warum strampelt sich die Frau so an Alice Weidel ab und vollzieht dabei den ultimativen Seelenstrip? Streberschülerinnen kommen einen in den Sinn, die auf ihrem Stuhl ruckeln, den Arm heben und dabei schnipsen und »Frau Lehrerin! Frau Lehrerin!« rufen. Für wen schnipst sie denn? Braucht man das, wenn man Theater in Deutschland macht, auch um sich für weitere Engagements und Gelder – vulgo Staatsknete genannt – zu qualifizieren?

Und ist für dieses Ziel wirklich jedes Mittel recht? Sogar die Verniedlichung des deutschen Faschismus, die Verharmlosung des Hitlerismus? Und das alles nur, um die AfD teuflischer zu machen, als es das Teuflische des sogenannten Nationalsozialismus war? Denn die Nazis haben ja nicht weiße Wolle aufgetragen und haben Plötzensee mit ihrem Lächeln betrieben. Und sie trugen keine Perlenketten – nicht öffentlich, vielleicht hier und da privat, wer weiß? Man muss Alice Weidel ja nun wirklich nicht sympathisch, kann ihr Auftreten durchaus erschreckend schroff finden. Aber nicht jeder, der harsch auftritt, ist gleich Wärter in Plötzensee gewesen. Dieser schnelle Griff in die deutsche Geschichte ist, entschuldigen Sie, auch ein Griff ins Klo. Denn damit macht man den vorgeblichen Nationalsozialismus zu etwas so Banalen, dass er sich im Rollkragenpullover der Weidel verheddert. War damals echt nicht mehr, als ein bisschen roher Ton, ein wenig ruppiges Auftreten und ganz viel Wolle?

Sie werden sich fragen, warum verdient dieser Artikel überhaupt Beachtung auf diesen Seiten. Eine sehr richtige Frage – vielen Dank dafür. Der Versuch einer Antwort: Weil Friedrichs Ausführungen ein blendendes Beispiel für den Kunst- und Medienbetrieb im Lande ist. Meldet der sich politisch zu Wort, ist nicht selten Therapie angesagt – und zwar in Eigenregie. Dann wiegen Befindlichkeiten Sachlichkeit auf. Statt Klarheit zu befördern, umwölkt man alles mit einem sehr persönlichen Gehirnnebel. Das nennt man dann: Einen Diskursbeitrag. Auch Emotion kann freilich ein solcher Beitrag sein – wenn sie nicht die Überhand gewinnt und auf einen höheren Umstand zuführt. Wenn ein Artikel immer nur die Konnotationen und Assoziationen bedient, die jemand für sich hat – und die nur er im Kopf pflegt –, dann gibt es keinen Erkenntnisgewinn.

Was wir nun aber sicher wissen ist, dass Frau Friedrich keine Perlenketten und Einstecktücher mag. Für sie sind diese beiden Accessoires ein inneres Plötzensee. Ihr Beitrag in der taz sagt alles über die Debattenkultur im Lande, was man wissen muss. Da kann man nur noch müde lächeln – und zwar eiskalt.

Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog ad sinistram. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen. Er war Kolumnist beim Neuen Deutschland und schrieb regelmäßig für Makroskop. Seit 2022 ist er Redakteur bei Overton Magazin. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main. Im März 2018 erschien sein Buch „Rechts gewinnt, weil links versagt“.

Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.

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