Die Abhöraffäre um das „Taurus“-Leak ist inzwischen ein Fall für die deutsche Justiz. Nach WDR-Informationen führt der Generalbundesanwalt nun ein Ermittlungsverfahren in der Sache, und zwar gegen Unbekannt. Der Verdacht lautet formal: geheimdienstliche Agententätigkeit.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat für das geleakte „Taurus“-Telefonat von Bundeswehroffizieren schnell eine Erklärung geliefert. Dabei ist unklar, wie es abgehört wurde.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geht laut WDR davon aus, dass ein russischer Geheimdienst die Telefonkonferenz heimlich mitgeschnitten hat. Nun ist das Bundeskriminalamt (BKA) mit der Aufklärung des Vorfalls beauftragt. Die Ermittler sollen klären, wie es dazu kommen konnte, dass das Gespräch der Bundeswehr-Offiziellen abgehört werden konnte und wer genau dafür verantwortlich ist.
Schon seit Bekanntwerden des abgehörten Gesprächs Anfang März sind laut dem WDR-Bericht der Militärische Abschirmdienst (MAD) und mehrere Stellen des Bundesverteidigungsministeriums mit der Aufklärung des Sachverhalts befasst. Geprüft werde auch, ob Disziplinarverfahren gegen die Luftwaffen-Angehörigen eingeleitet werden, da möglicherweise vertrauliche oder gar geheime Details über einen dafür nicht zulässigen Kommunikationskanal besprochen wurden.
Vor zwei Wochen schien es so, als sei die Abhöraffäre für Verteidigungsminister Pistorius schon so gut wie aufgeklärt. Anfang März erklärte er bei einer Pressekonferenz in Berlin, wie es seiner Ansicht nach zu dem peinlichen Vorfall gekommen war.
Pistorius sprach von einem „individuellen Anwendungsfehler“. Ein Gesprächsteilnehmer, der sich auf Dienstreise in einem Hotel in Singapur befunden habe, habe sich über eine „nicht sichere Datenleitung“ eingewählt, so der Minister. Dort sei es zu einem Datenabfluss gekommen. Die Systeme der Bundeswehr seien demnach nicht kompromittiert.
Erstaunlich findet Florian Flade von WDR: „Zum Zeitpunkt, als der Minister den mutmaßlichen Hergang der Abhöraktion öffentlich schilderte, waren nach WDR-Informationen weder die Computer und Mobiltelefone aller Gesprächsteilnehmer, noch das Hotel-WLAN in Asien abschließend untersucht worden.“ Pistorius selbst habe von einem „Zwischenergebnis“ der Untersuchung gesprochen.
Wie genau die virtuelle Konferenz allerdings von Russland abgehört wurde, dazu gibt es bis heute keine Erklärung vom Verteidigungsministerium. Es bleibt auch unklar, warum sich der Brigadegeneral über eine unsichere Leitung zu dem Konferenzgespräch zuschalten ließ, statt beispielsweise einen stärker verschlüsselten Kommunikationskanal in der Deutschen Botschaft in Singapur zu nutzen.
In Russland war Anfang März ein offenbar abgehörtes 38-minütiges Gespräch zwischen Luftwaffen-Inspekteur Gerhartz und drei weiteren hochrangigen deutschen Offizieren zu Waffenlieferungen an die Ukraine veröffentlicht worden.
Darin erörterten die Offiziere über die Kommunikationsplattform Webex Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper Taurus, falls dieser an die Ukraine geliefert würde.