Nachdem ich weitere Recherchen zu den Flugaktivitäten während der BALTOPS-22 Übung angestellt habe, stelle ich zusätzliches Material zu meinem früheren Artikel vom 21.03.2023 bereit („Nach dem Artikel von Seymour Hersh: Norwegen, die Poseidon und Premierminister Støre“) [1]. Hersh argumentiert (8. Februar 2023), dass die USA während der Übung Spezial-Tiefseetaucher aus Panama City, Florida, eingesetzt haben, um die Zerstörung der Nord Stream Pipeline vorzubereiten [2]. In meinem Original-Artikel schrieb ich, dass ein „Tauch-Koordinator“ Hershs Behauptungen bestätigte [3]. Das wird in Teil I dieser Artikelserie behandelt. In Teil II und Teil III werde ich zusätzliche Beweise, die Hersh´s Story stützen, vorlegen. Journalisten, die behaupten, dass diese Geschichte nur Fiktion ist, müssen erklären, warum zwei U.S. Militärflüge von der Luftwaffenbasis Ronneby (Schweden) – einer Basis die bei BALTOPS genutzt wurde –, am Ende der Militärübung, starteten und über die U.S. Marinebasis Rota (Spanien) nach Panama City, Florida, weiterflogen. Panama City ist das Zentrum der Tiefseetaucher der U.S. Marine.
Ein Artikel von Ola Tunander.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die zeitliche Abfolge. Wir schauen uns Flightradar24 an, das uns Informationen zu Flügen liefert, die für die Übung BALTOPS eintrafen. Wir wissen, dass einige U.S. Militärflugzeuge in Ronneby (Kallinge), auf der südschwedischen Marinebasis in Karlskrona eintrafen –, Tage vor dem Start von BALTOPS-22. Diese U.S. Flugzeuge kamen von der U.S. Navy Air Station (Marinefliegerbasis) Sigonella (Sizilien, Italien) und von der U.S. Marinebasis Rota (Cadiz, Südspanien), auf denen die U.S. Flugzeuge zuvor aus Washington und von der wichtigen U.S. Marinebasis Norfolk bei Washington (U.S. Kommando der Zweiten Flotte oder Atlantisches Kommando und Kommando der NATO Joint Forces) kommend, eingetroffen sind. Eine U.S. Super Hercules C-130J flog am 01. Juni von Sigonella nach Ronneby und (über Ramstein) wieder zurück nach Sigonella. Am 03. Juni kam eine U.S. C-130 Hercules in Ronneby an und flog dann (über Ramstein) zurück nach Sigonella. Eine U.S. C-40 Clipper verließ am 04. Juni Sigonella und landete in Ronneby. Dann flog sie zurück nach Sigonella und am Morgen des 06. Juni verließ die gleiche C-40 Clipper Sigonella wieder, um in Rota (Spanien) Personen aus den Vereinigten Staaten abzuholen und dann wieder einmal nach Ronneby zu fliegen.
Am 03. Juni verließ eine U.S. C-40 Clipper Norfolk, außerhalb Washingtons, und kam um Mitternacht in Rota an. In den Tagen zuvor trafen eine U.S. C-5M Super Galaxy und eine U.S. C-17A Globemaster in Rota ein (letztere flog weiter nach Sigonella). Beide kamen von der U.S. Marinebasis Norfolk. Außerdem flog eine Super Galaxy von Washington nach Ramstein und eine Hercules von Ramstein nach Ronneby. Am 29. Mai flogen zwei C-40 Clipper von Florida nach Norfolk und zurück. Die C-40 kann in einem kombinierten Fracht-Passagier-Modus bis zu 70 Passagiere befördern. Die U.S. Super Galaxy und die Globemaster haben sogar eine noch höhere Kapazität. Es herrschte ein großer Zulauf an Personal der U.S. Marine, zuerst nach Rota und Sigonella und dann weiter nach Ronneby, darunter Koordinierungs-Offiziere für die Übung BALTOPS, PR-Offiziere, Techniker, Servicemitarber und Mitarbeiter der Geheimdienste.
Die U.S Marinefliegerbasis Sigonella und Rota scheinen eine große Rolle bei BALTOPS-22 gespielt zu haben. Eine U.S. P-8 Poseidon wurde am 07. Juni von Sigonella zum Marinefliegerhorst Nordholz, im Norden Deutschlands, gebracht und kehrte am 17. Juni nach Sigonella zurück. Es patrouillierte eine Woche lang östlich von Bornholm, zusammen mit einer weiteren U.S. Poseidon, die fast jeden Tag in dieser Woche aus Keflavik (Island) kam (eine deutsche Orion aus Nordholz patrouillierte in der Zeit regelmäßig in der Ostsee). Das feierliche Ende der Übung fand am 17. Juni in Kiel statt – mit dem Leiter der Marine-Operationen: Admiral Mike Gilday [4].
Nach der BALTOPS-Übung verließen die amerikanischen Schiffe und Flugzeuge die Ostsee. Bereits am 16. Juni wurden einige Personen in einer U.S. C-130 Hercules von Ronneby nach Rota gebracht. Am nächsten Tag brachte eine komfortablere C-40 Clipper Marinepersonal von Ronneby nach Sigonella, während eine andere Hercules noch mehr Personen von Ronneby nach Rota brachte. Am 18. Juni brachte eine Hercules und eine Globemaster Personen von Sigonella nach Rota und die bereits erwähnte Clipper, brachte am nächsten Tag noch mehr Personen von Sigonella nach Rota. Am 19. Juni kam eine Super Galaxy aus Norfolk in Rota an. Eine U.S. Globemaster verließ am 20. Juni Rota und flog nach Washington. Später am gleichen Tag, verließ eine weitere Globemaster Rota und kam am folgenden Morgen in Norfolk an – kurz danach flog sie weiter nach Panama City und dann (über Charleston) zurück nach Washington. Dieser Flug diente offenbar dazu, U.S. Marinepersonal von der BALTOPS-Übung nicht nur nach Norfolk, sondern auch nach Panama City zurück zu bringen.
Die oben erwähnte Super Galaxy von der U.S. Marinebasis Norfolk verließ am 20. Juni Rota und landete spät in der Nacht in Panama City-Tallahassee (Florida). Am nächsten Tag flog sie nach Washington zurück. Diese Zwei Flugzeuge haben eindeutig Personal der U.S.-Marine nach Panama City geflogen, wo sich das Hauptzentrum für Tiefseetauchen der U.S. Marine befindet. Es gibt Grund zu der Annahme, dass Spezial-Tiefseetaucher und/oder Ausrüstung aus Panama City – worüber Seymour Hersh und der „Tauchkoordinator“ gesprochen haben – von Ronneby nach Panama City gebracht wurden. Entweder direkt, mit der Super Galaxy von Rota nach Panama City oder auf dem Flug mit der Globemaster über Norfolk nach Panama City.
Es fällt auf, dass es zwei Flüge gab, die unmittelbar nach der BALTOPS-Übung von Ronneby über Rota (und einer auch über Norfolk) nach Panama City gingen. Beide Flüge starteten am selben Tag von der U.S. Marinebasis Rota, mit dem Ziel Panama City. Dies stützt die Behauptungen von Seymour Hersh, dass die U.S. Behörden Taucher aus dem Navy Diving and Salvage Center in Panama City für eine Operation gegen die Nord Stream Pipelines – während der Übung BALTOPS – nutzten. Die Geheimdienst-Offiziere, von denen der „Koordinator“ [5] und Thomas Röper [6] sprachen, kämen demnach aus Norfolk und Washington, während die Tiefseetaucher aus Panama City, Florida, kommen. Es ist außerdem schwierig zu erklären, warum man Tiefseetaucher bei BALTOPS benötigte, wenn Taucher in dieser Übung nur das Lokalisieren von Minenattrappen knapp unterhalb der Wasseroberfläche trainieren sollten. Die Tiefseetaucher aus Panama City hatten nichts mit der Übung zu tun. Sie haben Timer und Sprengstoffe oder Navigationsausrüstung an den Nord Stream Pipelines angebracht.
[1] Free21, Ola Tunander, „Nach dem Artikel von Seymour Hersh: Norwegen, die Poseidon und Premierminister Støre“, am 25.04.2023,<https://free21.org/norwegen-die-poseidon-und-premierminister-stoere/>[2] Free21, Seymour Hersh, „Wie Amerika die Nord Stream-Pipeline ausschaltete“, am 17.02.2023,<https://free21.org/wie-amerika-die-nord-stream-pipeline-ausschaltete/>[3] Rumble, John Mark Dougan, „BALTOPS 22, Nordstream Pipeline Whistleblower Letter, read on October 4th, 2022“,<https://rumble.com/v2aicup-baltops-22-nordstream-pipeline-whistleblower-letter-read-on-october-4th-202.html>[4] U.S. Navy, Press Office, „BALTOPS 22 Final Press Conference“, am 22.06.2022,<https://www.navy.mil/Press-Office/Press-Briefings/display-pressbriefing/Article/3070430/baltops-22-final-press-conference/>[5] siehe [3][6] Free21, Thomas Röper, „Was ich schon 2022 von einem Whistleblower über die Nord-Stream-Sprengung erfuhr“, am 17.04.2023,<https://free21.org/was-ich-schon-2022-von-einem-whistleblower-ueber-die-nord-stream-sprengung-erfuhr/>
Der Artikel erschien erstmals bei Free21.
Ola Tunander ist Professor Emeritus am PRIO (Peace Research Institute Oslo – Institut für Friedensforschung) in Oslo. Von 1987-2016 arbeitete er als Forscher am PRIO und veröffentlichte 12 Bücher und eine Reihe von Artikeln zu den Themen: Sicherheitspolitik, Marinestrategie, U-Bootoperationen, Geopolitik, Dual state, Psychologische Operationen (PSYOP) und zur Geschichte des Kalten Krieges.
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