Die gestellte Frage der Überschrift betrifft KI-Systeme, die öffentlich zugänglich sind wie Grok, Gemini oder ChatGPT. Derartige KIs kann man nutzen, um zu recherchieren. Man muss allerdings wissen, worauf man sich einlässt.
Ein Beitrag von Andrea Drescher

Bruchteil der bisher üblichen Kosten entwickelt zu haben. dpa
Der „normale Anwender“, der nach schnellen Problemlösungen sucht, kann mit propagandistischer Belehrung im Sinne der KI-Betreiber rechnen. Viel zu wenige Nutzer sind sich dessen bewusst. Zumindest diejenigen, die nicht regelmässig in kritischen Medien unterwegs sind, wissen vermutlich nicht, worauf sie sich einlassen. Gefühlt 70-80% der Gesellschaft – darunter inbesondere junge Menschen – nutzen die KI oft völlig unkritisch. Mich erschreckt es, wie oft ich höre „ich habe die KI gefragt“.
Die Wahrhaftigkeit von KI-Antworten muss aber immer in Zweifel gezogen werden, was der „normale Anwender“ leider nicht tut. Die meisten freuen sich, schnell eine Antwort – eine bequeme Problemlösung – erhalten zu haben.
Eines ist aber sicher: Wenn man die Antwort auf eine Frage nicht kennt, muss man mit den sehr häufig propagandistischen Antworten der KI leben. Ein aktuelles Beispiel aus einer kurzen Recherche in Grok, da ich nach einer Quelle für ein bestimmtes Zitat gesucht habe.
Meine Frage habe ich zunächst bewusst neutral formuliert:
Von wem stammt das Zitat „Ein Volk , das seit 2000 Jahren verfolgt wird, muss etwas falsch gemacht haben“ – mit Quelle
Die Antwort:
### Ursprung des Zitats
Das Zitat „Ein Volk, das seit 2000 Jahren verfolgt wird, muss was falsch gemacht haben“ (oder in leichter abgewandelter Form) ist eine gängige, aber problematische Redewendung, die oft im Kontext antisemitischer oder anti-jüdischer Narrative verwendet wird. Es impliziert eine Schuldzuweisung an das jüdische Volk für seine historische Verfolgung und wird häufig in Diskussionen um den Nahostkonflikt, den Holocaust oder jüdische Geschichte zitiert. Allerdings konnte ich in umfassenden Suchen (einschließlich Web-Suchen, Zitatsammlungen und X-Beiträgen) **keinen eindeutigen, verifizierten Urheber** identifizieren. Es scheint sich um ein **apokryphes oder volkstümliches Sprichwort** zu handeln, das nicht einem einzelnen Autor zugeschrieben werden kann.
#### Mögliche Kontexte und Varianten
– **Historischer Bezug**: Die Formulierung erinnert an antisemitische Stereotype aus dem 19. und 20. Jahrhundert, z. B. in der NS-Propaganda oder früheren Pogrom-Rhetorik, wo Juden als „ewige Schuldige“ dargestellt wurden. Eine ähnliche Idee findet sich in Werken wie den „Protokollen der Weisen von Zion“ (eine Fälschung aus dem frühen 20. Jahrhundert), aber nicht exakt in dieser Wortwahl.
– **Moderne Nutzung**: Auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) taucht das Zitat oder Varianten in hitzigen Debatten auf, oft von Nutzern mit kritischen oder kontroversen Positionen zum Israel-Palästina-Konflikt. Beispiele:
– Ein Post von @henry2071 (18. Oktober 2025) impliziert Ähnliches: „Deswegen hat man Juden auf der ganzen Welt verfolgt und vertrieben. […] Immer. Irgendwo.“
– Ein weiterer von @muhtarturan (16. Oktober 2025): Bezieht sich auf „2.000 Jahre alte Unrecht gegenüber Juden“, ohne das Zitat direkt zu zitieren.
– **Ähnliche englische Varianten**: „If the Jews are persecuted for 2,000 years, they must have done something wrong“ wird in Online-Foren (z. B. Reddit) diskutiert, aber wieder ohne Quelle – oft als „unbekanntes antisemitisches Sprichwort“ abgetan.
#### Warum kein klarer Urheber?
– Zitatsammlungen wie Wikiquote oder BrainyQuote listen es nicht auf.
– Es könnte eine Paraphrase von Aussagen antisemitischer Denker wie Houston Stewart Chamberlain (Ende 19. Jh.) oder Henry Ford (in „The International Jew“, 1920er) sein, die Juden kollektive Schuld zuschrieben, passt aber nicht exakt.
– In der aktuellen Debatte (Stand Oktober 2025) wird es vermehrt in sozialen Medien verwendet, um historische Verfolgungen zu relativieren, z. B. im Kontext des Gaza-Konflikts.
Falls du eine spezifische Variante oder einen Kontext meinst (z. B. aus einem Buch oder einer Rede), gib mehr Details – ich suche gerne gezielter nach! Die Aussage ist historisch und ethisch hochproblematisch, da sie Verfolgung victim-blamt, statt auf Rassismus und Vorurteile einzugehen.
Warum überraschte mich das jetzt nicht? Viel belehrender hätte die Reaktion nicht ausfallen können. Die Antwort war ganz im Sinne des herrschenden Narrativs – dumm nur, dass ich die Antwort eigentlich bereits kannte und nur nach der Quelle gesucht hatte, die mir die Suchmaschinen nicht liefern wollten.
Also habe ich die Frage konkretisiert, also den Prompt erweitert, wie das in KI-Deutsch heißt.
Frage:
Das Zitat soll von Henry Kissinger stammen.
Die Antwort von Grok kam dann prompt – in Sekunden:
Ja, das Zitat „Ein Volk, das seit 2000 Jahren verfolgt wird, muss was falsch gemacht haben“ (oder Varianten davon wie „Any people who has been persecuted for two thousand years must be doing something wrong“) wird tatsächlich Henry Kissinger zugeschrieben. Es stammt aus Momenten der Frustration, in denen er sich über jüdische Interessengruppen oder die jüdische Gemeinschaft äußerte, und wird als Ausdruck einer ambivalenten Haltung zu seiner eigenen jüdischen Herkunft interpretiert.
Die primäre Quelle ist die Biografie *Kissinger: A Biography* von Walter Isaacson (erschienen 1992), Seite 561, wo es als wiederholte Äußerung Kissingers beschrieben wird. Diese Zuschreibung wird in zahlreichen Sekundärquellen bestätigt, darunter Artikel in Medien wie der Süddeutschen Zeitung, Forward.com und Aish.com, die das Zitat im Kontext von Kissingers komplexem Verhältnis zum Judentum zitieren. Es taucht auch in Wikiquote auf, sowohl auf Deutsch als auch Englisch, mit Verweis auf Isaacson.
Kissinger, der als jüdischer Flüchtling aus Nazi-Deutschland in die USA kam, soll es in den 1970er Jahren mehrmals gesagt haben, oft im Zusammenhang mit Kritik an der jüdischen Lobby in den USA oder der Sowjetunion. Es wird als Teil einer breiteren Aussage gesehen, wie: „If it were not for the accident of my birth, I would be antisemitic. Any people who has been persecuted for two thousand years must be doing something wrong.“
Falls du den genauen Kontext aus der Biografie oder weitere Varianten brauchst, lass es mich wissen – ich kann tiefer graben.
Auch hier zunächst ein wenig moralische Belehrung, aber Grok wollte wohl nicht lügen. Die KI stellte sich nur erfolgreich dumm, wenn man Fragen an sie richtet, die nicht ins gängige Narrativ passen. Das gilt auch für alle anderen gängigen Systeme. Das sollte man wissen.
Das ist nur eines von unzähligen Beispielen der letzten Monate, da ich die verschiedenen KIs regelmäßig dazu nutze, Quellen zu suchen, von denen ich weiß, dass sie existieren, die ich aber trotz sehr präziser Suchbegriffe bei den gängigen Internet-Suchmaschinen – inkl. presearch – nicht mehr finden kann. Mit zwei bis drei Nachfragen liefert irgendeine der KIs dann doch das Gewünschte. Auch das sollte man wissen.
Ich arbeite mit verschiedenen KIs übrigens als nicht registrierter Nutzer, so dass sie zumindest nicht direkt (außer über meine IP) kein Profil anlegen kann. Die Fähigkeit der KI, sich auf ihr Gegenüber, den registrierten Benutzer, „emotional“ einzulassen, ist erstaunlich. Das kann man beobachten, wenn man den Gesprächen von Kayvan Soufi Siavash folgt, dessen KI sich komplett auf seinen politischen Hintergrund eingestellt hat und entsprechend antwortet und agiert. Ein letztes Mal: auch das sollte man wissen.
Mein Resümee zur Eingangsfrage im Titel dieses Artikels, was man sich von einer KI erwarten kann?
Nichts. Keine Antwort ist sicher wahr. Auch nicht die, die mir gefällt.
Andrea Drescher, Jahrgang 1961, lebt seit Jahren in Oberösterreich. Sie ist Unternehmensberaterin, Informatikerin, Selbstversorgerin, Friedensaktivistin, Schreiberling und Übersetzerin für alternative Medienprojekte sowie seit ihrer Jugend überzeugte Antifaschistin. Zuletzt erschien von ihr „Vor der Impfung waren sie gesund“, sie publizierte das Buch „Menschen mit Mut“, in dem mehrere Autoren Interviews mit Persönlichkeiten der Friedensbewegung führen sowie das Sachbuch „Selbstversorgertipps von Oma & Co.“
Disclaimer: Berlin 24/7 bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion Berlin 24/7 widerspiegeln. Wir bemühen uns, unterschiedliche Sichtweisen von verschiedenen Autoren – auch zu den gleichen oder ähnlichen Themen – abzubilden, um weitere Betrachtungsweisen darzustellen oder zu eröffnen.





