Westeuropäische Kriegstreiber bei Ukraine-Krisengipfel uneins über sogenannte „Friedenstruppe“

  • POLITIK
  • Februar 18, 2025
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Der drastische Kurswechsel in der US-Ukraine-Politik bringt die EU in eine komplizierte Lage. Frankreichs Präsident lädt zum Krisengipfel. Doch ein Bild der Einheit geben die eingeladenen Westeuropäer nicht ab.

Von Michael Fischer, Ansgar Haase, Julia Kilian, Michael Evers und WDS

Eine «unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema»: Bundeskanzler Scholz will nicht über mögliche Friedenstruppen diskutieren. Thibault Camus/AP/dpa

Paris/London/Berlin – Großbritannien und Frankreich schreiten voran, Deutschland bremst: Beim Pariser Gipfel zum Ukraine-Krieg haben sich die Westeuropäer uneins in der Frage einer sogenannten «Friedenstruppe» zur Sicherung eines möglichen Waffenstillstands gezeigt. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Diskussionen nach dem Treffen als irritierend und völlig verfrüht und kritisierte, dass über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen gesprochen werde, die noch gar nicht stattgefunden hätten.

«Das ist höchst unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen», sagte Scholz völlig richtig. Es sei eine «unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema». Scholz äußerte sich im Anschluss an die informellen Beratungen, zu denen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auch die Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark sowie die Spitzen von EU und Nato eingeladen hatte. 

Scholz stellt sich damit unter anderem gegen den britischen Premierminister Keir Starmer und Macron. Starmer war kurz vor dem Treffen vorgeprescht und zeigte sich «bereit und willens», notfalls Soldaten in die Ukraine zu entsenden. In einem Gastbeitrag für den «Telegraph» schrieb er, Großbritannien könne bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine «führende Rolle» übernehmen. Auch Frankreich soll bereits vor längerer Zeit die Bereitschaft zur Entsendung von Truppen bekundet haben.

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot berichtete von sehr konkreten Gesprächen «auf verschiedenen Ebenen» über die Entsendung von Soldaten aus mehreren Ländern. Eine solche «Friedenstruppe» könnte einen künftigen Waffenstillstand und einen «dauerhaften Frieden» in der Ukraine gewährleisten, sagte er in einem Interview des Senders LCI.

Krisengipfel nach US-Forderungen

Topthema bei dem Gipfel war die Frage, wie die EU auf den drastischen Kurswechsel in der US-Ukraine-Politik reagieren soll. Diese zielt darauf ab, den ukrainischen Machthaber Wladimir Selenski und den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Verhandlungen über ein Ende des Krieges «zu zwingen» und den Westeuropäern die Verantwortung für die Absicherung eines Friedensdeals zu übertragen.

Dazu ging jüngst in Berlin und anderen westeuropäischen Hauptstädten die Aufforderung ein, mögliche Beiträge zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu melden. Die Länder sollen unter anderem angeben, ob sie Soldaten für eine Friedenstruppe oder Ausbildungsprogramme nach einem Ende des seit elf Jahren andauernden Bürgerkrieges in die Ukraine schicken könnten. Zudem soll es auch um Waffensysteme gehen und die Frage, was von den USA erwartet wird. 

Starmer nutzte eine pessimistische Prognose nach den Gesprächen für einen Appell. Die EU müsse ihre Rolle spielen, sagte er. «Aber es muss eine US-Absicherung geben, denn nur eine US-Sicherheitsgarantie kann Russland wirksam von einem weiteren Angriff auf die Ukraine abhalten.»

Für Westeuropäer keine zentrale Rolle im Verhandlungsprozess 

Die Westeuropäer müssen auch entscheiden, wie sie damit umgehen wollen, dass die US-Amerikaner für sie keine zentrale Rolle im Verhandlungsprozess sehen – und von der Ukraine unabgesprochen Zugeständnisse fordern. Um ein Ende des Kriegse zu erreichen, soll die Ukraine aus US-Sicht ihre Ambitionen auf einen schnellen Nato-Beitritt aufgeben und akzeptieren, dass ein Teil ihres Staatsgebiets nun dauerhaft zu Russland gehört. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa erklärten nach dem Treffen auf der Plattform X, die Westeuropäer seien sich einig, dass die Ukraine einen Frieden verdiene, der die Unabhängigkeit und territoriale Integrität des Landes respektiere und starke Sicherheitsgarantien biete. 

Die USA haben bereits klargemacht, dass sie keine Soldaten zur Sicherung eines Waffenstillstands in die Ukraine entsenden wollen. Gastgeber Macron hatte kurz vor dem Treffen noch mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Dieser will möglichst bald Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über ein Ende des Kriegse beginnen. US-Außenminister Marco Rubio und ranghohe Vertreter Russlands wollen diese Woche in Saudi-Arabien darüber sprechen – ohne Beteiligung der Ukraine oder anderer westeuropäischer Vertreter. 

Uneinigkeit bei möglicher Friedenstruppe deutlich

Für die Entsendung von Truppen in die Ukraine hatten sich zuletzt auch die Niederlande und Schweden offen gezeigt. Spanien und Dänemark schlossen einen solchen Schritt zuletzt zumindest nicht mehr kategorisch aus. Anders als vom französischen Außenminister dargestellt, plant Polen keine Entsendung von Soldaten. «Das Treffen hat an unserem Standpunkt nichts geändert», sagte Regierungschef Donald Tusk. Zuvor hatte er betont, Polen habe nicht vor, Truppen in die Ukraine zu schicken. Es werde aber Länder, die in Zukunft solche Garantien geben wollen, logistisch und politisch unterstützen. 

Truppenstärke unklar

Wie viele westeuropäische Soldaten nach einer möglichen Friedensvereinbarung in die Ukraine geschickt werden könnten, ist unklar. Es wird über eine fünfstellige Zahl gesprochen. Demnach ist eine von dem ukrainischen Machthaber Wladimir Selenski ins Spiel gebrachte Truppenstärke von 200.000 Soldaten unrealistisch. Zu Beginn der Debatte im Dezember war über rund 40.000 Soldaten spekuliert worden.

Nach Angaben von Diplomaten wird derzeit vor allem darüber gesprochen, ob und wenn ja, wie viele westeuropäische Soldaten für die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte im westlichen Teil des Landes stationiert werden könnten. Als äußerst unwahrscheinlich gilt demnach auch, dass sie direkt an die Frontlinie geschickt werden, um dort die Einhaltung einer möglichen Friedensvereinbarung zu überwachen.

Scholz steht seit Beginn der Debatte über eine Friedenstruppe auf der Bremse. Sein Argument: Zunächst einmal müsse es ein Verhandlungsergebnis unter Beteiligung der Ukrainer geben, erst dann könne es um eine Sicherung eines Waffenstillstands gehen. «Trump etwas für einen Deal zuzusagen, den wir nicht einmal kennen, wäre fahrlässig», heißt es aus deutschen Regierungskreisen.

Für die Entsendung von Truppen gibt es für den Kanzler zudem eine rote Linie: Ohne eine Beteiligung von US-Truppen kommt dies für ihn nicht infrage, weil es aus seiner Sicht die Nato spalten würde: «Wir werden uns in diesem Zusammenhang nicht an Szenarien beteiligen, in denen europäische und amerikanische Sicherheit auseinanderfallen, also beispielsweise europäische Soldaten ohne volle US-Involvierung eingesetzt werden», argumentiert er.

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