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Was deutsche Massenmedien über die Maidanrevolte und deren Folgen bis heute verschweigen

Dass es seit Jahren für die westlichen und vor allem für die deutschen „Qualitätsmedien“ einen enormen Nachholebedarf in Sachen tiefgründiger, ideologiefreier Recherche und Berichterstattung gibt, zeigen schon ein paar wenige Fakten, die selbst zehn Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs in der Ukraine, im April 2014, bis heute in der Ukraineberichterstattung praktisch nicht vorkommen.

Ein Beitrag von Wilhelm Domke-Schulz

Shutterstock/ Vitalii Mikhailiuk
Bild: Shutterstock/ Vitalii Mikhailiuk

Denn bei etwas unbefangener, echter Recherche wird man zum Beispiel sehr schnell feststellen, dass vieles dafür spricht, dass es sich beim Ursprung des Ukrainekonflikts, der angeblichen „Revolution der Würde“ auf dem Maidan in Kiew, tatsächlich um einen verfassungswidrigen Staatsstreich gehandelt hat, der in seiner Endphase hauptsächlich durch nachweislich neofaschistische Paramilitärs getragen wurde.

Diese haben sich bereits Anfang der Neunziger Jahre, also unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine neu-, bzw. wiedergegründet und berufen sich politisch mehrheitlich auf ihren „Nationalhelden“ Stephan Bandera, einem lange Zeit mit dem Großdeutschen Reich verbündeten ukrainischen Faschistenführer, der schon vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Lemberg Tausende Juden ermorden ließ und später für weitere Tausende Tote unter der polnischen und russisch stämmigen Zivilbevölkerung verantwortlich war.

Kurz vor Ausbruch der Maidanrevolte haben sich die meisten dieser neofaschistischen Organisationen der Ukraine unter dem Dach des „Rechten Sektor“ vereinigt, der maßgeblich zur Eskalation der Gewalt auf dem Maidan beigetragen hat, für den Tod dutzender Polizisten verantwortlich war und schließlich den Präsidenten gewaltsam und verfassungswidrig, durch die Besetzung des Regierungsviertels, des Präsidentenpalastes und des ukrainischen Parlaments gestürzt hat.

Mitglieder des „Rechten Sektors“ waren zum damaligen Zeitpunkt zum Beispiel:

Trysub. Paramilitärischer Arm des Kongresses Ukrainischer Nationalisten. Beruft sich in seinen Grundsätzen auf das traditionelle ukrainische Christentum und die Ideologie des ukrainischen Nationalismus nach der Interpretation von Stepan Bandera.

Der Kongress Ukrainischer Nationalisten, kurz KUN. 1992 als Nachfolgeorganisation der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) gegründet. Ausrichtung: Nationalistisch, neofaschistisch, extrem antirussisch. 2014 ca. 24.000 Mitglieder. 

Die Sozial-Nationale Versammlung (SNA), ein Zusammenschluss mehrerer ukrainischer nationalistischer und neofaschistischer Organisationen die mit ihrer totalitären Ideologie für eine „rassenreine Ukraine“ eintreten. Vorsitzender der Sozial-Nationalen Versammlung war 2014 Andrij Bilezkyj, der später auch als Kommandeur des rechtsextremen paramilitärischen Verbandes „Regiment Asow“ verantwortlich zeichnete.

Als paramilitärischer Arm der SNA agiert auch die Gruppe Patriot der Ukraine. Sie wurde 1996 als Jugendorganisation der faschistischen Swoboda-Partei (http://svoboda.org.ua) gegründet. Ihre Ausrichtung ist neo-faschistisch und extrem antirussisch. 

Eine der ältesten faschistischen Organisationen ist die UNA-UNSO (Ukrainische Nationalversammlung – Ukrainische Nationale Selbstverteidigung) (http://unso.in.ua/uk), die Nachfolgeorganisation der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) des Faschistenführers Bandera, die nach Recherchen von amerikanischen Journalisten, seit den fünfziger Jahren maßgeblich durch die CIA unterstützt wurde und bis heute wird.

Diese Liste militanter, neofaschistischer Organisationen in der Ukraine ließe sich noch um einiges erweitern, soll an dieser Stelle aber vorerst genügen.

Verschiedene Quellen sprechen derzeit von etwa 30.000 bis 40.000 Neofaschisten in der Ukraine die militärisch trainiert und organisiert, mit modernsten, westlichen Waffen ausgerüstet sind und nicht nur als Kampfeinheiten an der Front eingesetzt werden, sondern auch als sogenannte Sperrbataillone im Hinterland ihr Unwesen treiben sowie Terroranschläge gegen oppositionelle Politiker und Zivilisten in der Ukraine, im Donbass und der Russischen Föderation organisieren und durchführen. An Gemeinsamkeiten fällt vor allem auf, dass sich diese neofaschistischen Verbände in ihrer militärischen Traditionslinie zumeist auf die SS-Division Galizien (https://uk.wikipedia.org/wiki/14-та_гренадерська_дивізія_Ваффен_СС_«Галичина») berufen.

Wenn also in Moskau schon seit 2014 von einem faschistischen Putsch und einer illegitimen Regierung in Kiew gesprochen wird, bekommen diese angeblich „haltlosen Propaganda-Anschuldigungen“ durch die oben genannten Fakten auf einmal ein ganz reales, nicht von der Hand zu weisendes Gewicht. Ähnlich differenziert verhält es sich mit der angeblichen Annexion der Krim. Auch diese ist bei weitem nicht so eindeutig belegbar, wie es die deutschen Massenmedien bis heute vehement und völlig unkritisch suggerieren. Nach tieferer Recherche auf beiden Seiten könnte man dieses Ereignis auch ganz anderes interpretieren. Nämlich ebenfalls als direkte Folge des illegitimen, nationalistischen Staatsstreichs in Kiew. Und zwar als Abspaltung der Autonomen Republik Krim, per Referendum durch seine Bevölkerung. (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464.html)

Denn sämtliche nationalistischen und oben genannten neofaschistischen Organisationen, deren Einfluss in alle Gesellschaftsschichten und bis in die höchsten Regierungskreise reicht, haben sich unter dem Motto „Die Ukraine den Ukrainern“ bereits seit Jahrzehnten das Ziel gesetzt, das komplette Land unter ihrer Herrschaft zu „ukrainisieren“. Eines ihrer wichtigsten Pläne war dabei schon von Anfang an, den Sonderstatus der Autonomen Republik Krim aufzuheben, die russische Marine aus Sewastopol zu vertreiben sowie die Krim und die Ostukraine zu „entrussifizieren“. Kein Wunder also, dass sich unmittelbar nach dem Umsturz 2014 die ethnisch russische Bevölkerungsmehrheit auf der Halbinsel so schnell wie möglich von Kiew lossagen und unter die Fittiche ihrer einzig möglichen Schutzmacht, der Russischen Föderation begeben wollte.

Die Eile mit der die Abspaltung der Krim vonstatten ging, ist auch mit der Brutalität zu erklären, mit der die faschistischen Kräfte gegen den „Antimaidan“ (https://www.youtube.com/watch?v=imuRAjM2Yj4) vorgegangen sind, eine antifaschistische Bürgerbewegung, die sich zur Jahreswende 2013/2014 als Gegengewicht zum immer mehr erstarkenden „Euromaidan“ gegründet hat und in den deutschen Massenmedien bis heute fälschlicherweise als „pro-russische Separatisten“ diffamiert wird. Brutale Verbrechen der neofaschistischen Kräfte des „Euromaidan“ waren unter anderem der Überfall auf das im Westen weitgehend unbekannte Zeltlager der Unterstützer von Präsident Janukowitsch im Kiewer Mariinski-Park am 18. Februar 2014 mit etwa einem Dutzend Toten und der Überfall auf das Gebäude der regierenden „Partei der Regionen“ am gleichen Tag, das dabei in Brand gesteckt wurde.

Am 20. Februar 2014 überfielen Mitglieder des „Rechten Sektor“ auf der Landstraße bei Korsun einen Buskonvoi mit Krimheimkehrern vom inzwischen aufgelösten Zeltlager im Mariinski-Park, setzten alle Busse in Brand und töteten etwa ein Dutzend Krimbewohner. 

Auch andere Bus-Konvois mit Heimkehrern vom Mariinski-Park aus anderen Landesteilen wurden von Neofaschisten überfallen, die Fahrzeuge zerstört, Insassen misshandelt und erschlagen. Wohlgemerkt passierte das alles bereits vor dem endgültigen Sturz des Präsidenten. Anschließend rüsteten sich die nationalistischen und neofaschistischen Kräfte zum Marsch auf die Krim (https://www.youtube.com/watch?v=wwVUp4IWEKw). Der dann glücklicherweise nicht mehr stattgefunden hat.

Im Angesicht des Staatsstreiches in Kiew, fand am 22. Februar 2014 im Sportpalast von Charkow eine Tagung von Gouverneuren und Lokalpolitikern der östlichen und südlichen Regionen, einschließlich der Krim statt. In einer Resolution stellten die Teilnehmer die Verfassungswidrigkeit des gewaltsamen Umsturzes fest und setzten die Unterstellung ihrer Regionen unter das neue Kiewer Regime für unbestimmte Zeit aus, bis die verfassungsgemäße Ordnung im Land wiederhergestellt sei. Man könnte dies auch als den Beginn des Aufstandes der demokratischen, antifaschistischen Zivilgesellschaft gegen ein illegitimes, nationalistisch-neofaschistisches Regime interpretieren. Nach dem Verlust der Krim hat die nationalistische Umsturzregierung in Kiew dann im April 2014 einen militärischen Terrorfeldzug gegen die aufständischen Teile der Bevölkerung in der Ostukraine gestartet, die sogenannte „Antiterroroperation“ (ATO) der ukrainischen Streitkräfte. Bei der gleichzeitigen Zerschlagung der „Antimaidan“-Bewegung schreckte man ebenfalls nicht vor furchtbaren Verbrechen zurück.

So überfielen am 02. Mai 2014 drei Maidanhundertschaften des „Rechten Sektor“ zusammen mit brutalisierten Jugendlichen ein Lager des „Antimaidan“ vorm Gewerkschaftshaus von Odessa, setzten das Gebäude in Brand und ermordeten eine unbekannte Anzahl von Antimaidan-Aktivisten. Verschiedene Quellen und überlebende Augenzeugen sprechen von 100 bis 200 Toten. (https://www.youtube.com/watch?v=QxcB0PI4ZLg)

Am 09. Mai 2014, dem traditionellen Jahrestag des Sieges über den deutschen Faschismus, überfiel das berüchtigte „Asow“-Bataillon die Schwarzmeerstadt Mariupol, schoss das örtliche Polizeihauptquartier in Brand und tötete eine unbekannte Anzahl, vermutlich über 40 Polizisten. Als Grund geben verschiedene Quellen an, dass sich die Polizisten geweigert hätten, die friedliche Demonstration zum Tag des Sieges gewaltsam aufzulösen. Als unbewaffnete, friedliche Demonstranten den Polizisten zu Hilfe kommen wollen, wird eine gleichfalls unbekannte Anzahl von ihnen von den Asow-Leuten erschossen. (https://www.youtube.com/watch?v=aUD3VxlTSqQ&t=611s). Verschiedene Quellen sprechen von etwa 100 Todesopfern faschistischen Terrors an diesem Tag in Mariupol. All dies ist umfänglich und beweiskräftig belegt und in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert. Auf der Basis von eindeutigem Beweismaterial, unter Verweis auf belastbare Originalquellen und zahllose Zeugenaussagen zu faschistischen Verbrechen und Massenmorden in der Ukraine während und nach dem Staatsstreich. Gar nicht zu reden von den zahlreichen ungeklärten Todesfällen und Attentaten auf Oppositionspolitiker und kritische Journalisten, die bis heute andauern.

In den deutschen Leitmedien erfährt man davon allerdings so gut wie nichts. Das ist die größte Schande für den deutschen „Qualitätsjournalismus“ seit Kriegsende 1945, dessen westdeutsche Vertreter schon damals auf dem braunen Auge überwiegend blind waren und deren Zöglinge und Nachfahren diese „Tradition“ bis heute ungebrochen fortführen. 

Zum Autor Wilhelm Domke-Schulz ist Medienwissenschaftler und Dokumentarfilmproduzent

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