MEISTKOMMENTIERT
MEISTGELESEN

Cicero-Enthüllung: Ausstieg aus Atomkraft ideologisch begründet

Die grundlastfähige Atomenergie sei vorzeitig und zum Schaden der Wirtschaft und Bevölkerung vom Netz genommen worden, um die grüne Basis zu befriedigen. So reagierte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwangerauf auf die Enthüllungen des Magazins „Cicero“ bezüglich des entgültigen Ausstiegs aus der Atomkraft.

Shutterstock/FooTToo
Bild: Shutterstock/FooTToo

Eine Enthüllung des Magazins „Cicero“ zeigt, dass die Entscheidung für Deutschlands endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft offensichtlich weniger auf den Einschätzungen von Fachleuten beruht, sondern von grünen Atomkraft-Gegnern getrieben wurde. Vor dem Atomausstieg sollen Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) interne Bedenken gegen den Sinn eines fristgerechten Atomausstiegs unterdrückt haben. Das geht aus nun veröffentlichten Akten hervor. Darüber berichtet unter anderem das Portal FOCUS online. Das Wirtschaftsministerium weist Medienberichten zufolge die Darstellung zurück.

Das Magazin bezieht sich in seiner Berichterstattung zum Thema auf internen Schriftverkehr der beiden Ministerien. Ein „Cicero“-Journalist hatte erfolgreich auf die Herausgabe der bis dahin vom Wirtschaftsministerium unter Verschluss gehaltenen Unterlagen geklagt. Es ist laut „Cicero“ „getrickst und getäuscht“ worden, um die Bürger, aber auch Wirtschaftsressortchef Habeck selbst, „hinters Licht zu führen“. Die Enthüllung sorgt für harte Kritik an dem Ministerium und den Grünen.

Brisanter Vermerk vom 3. März 2022

So argumentierten Mitarbeiter von Habecks Ministerium im Entwurf eines Vermerks vom 3. März 2022, unter bestimmten Umständen könne eine begrenzte Laufzeitverlängerung der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke bis in das folgende Frühjahr sinnvoll sein. Sie rieten dazu, diese Möglichkeit weiter zu prüfen. In der Leitungsebene lag das Dokument laut Ministerium nur Staatssekretär Patrick Graichen vor, einem Parteifreund Habecks, der später nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft das Amt räumen musste – den Minister hätte es damit nicht erreicht.

Laut dem Wirtschaftsministerium sei das Papier in einen später veröffentlichten Prüfvermerk der Ministerien für Wirtschaft und Umwelt eingeflossen, in dem diese sich gegen eine Laufzeitverlängerung aussprachen – unter Verweis auf die „sehr hohen wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und sicherheitstechnischen Risiken“, wie es in einer Pressemitteilung hieß. In einem anderen Fall formulierte Graichen dem „Cicero“-Bericht zufolge einen Vermerk, in dem er für den fristgerechten Atomausstieg argumentierte und den er an Habeck weiterleitete. Dabei habe der Abteilungsleiter für Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz im Umweltministerium, Gerrit Niehaus, Bedenken bezüglich des Inhalts angemeldet.

„Die Grünen schaden Deutschland“

Das Nachrichtenportal Fokus hat dazu Reaktionen von Politikern eingefangen:

Der CSU-Generalsekretär Martin Huber übt harte Kritik am Bundeswirtschaftsminister: „Robert Habeck hat das Land beim AKW-Aus getäuscht. Entweder hat er gelogen, oder sein eigenes Ideologie-Ministerium nicht im Griff“, sagte er FOCUS online. „Ein Minister, dessen Haus wider besseres Wissen so großen Schaden für die deutsche Wirtschaft und Energieversorgung verursacht, ist nicht mehr tragbar.“

Michael Grosse-Brömer (CDU), der als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag Robert Habecks Ministerium kontrolliert, sieht ebenfalls „grüne Ideologie“ am Werk. Zu FOCUS online sagte er, dafür „wurden Fakten manipuliert und die Öffentlichkeit getäuscht.“ Es seien Parteitagsbeschlüsse der Grünen offenbar über das Wohl des Landes gestellt worden.

Grosse-Brömer fordert, die Atomkraft-Debatte neu aufzurollen. Dazu gehöre die unabhängige Prüfung darüber, inwieweit die verbliebenen Kernkraftwerke wieder ans Netz gebracht werden können. Zudem brauche es „ein sofortiges Rückbaumoratorium der letzten drei Kernkraftwerke“.

Kritik am Wirtschaftsminister kommt auch aus der Ampelkoalition. „Ein Minister, der sich in einer historischen Energiekrise nicht zum Wohl des Landes, sondern für Parteiideologie entscheidet, braucht sich in der Kommunikation nicht als Opfer zu gerieren“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP, Michael Kruse, zu FOCUS online.

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hält eine Reaktivierung der Kernenergie nur schwer umzusetzen, weil der Rückbau bereits eingeleitet und das Personal abgebaut wurde. Deshalb sei „großer finanzieller Schaden für die Volkswirtschaft“ angerichtet worden. „Die Grünen schaden Deutschland“, resümiert Aiwanger. Die Ampel müsse abgewählt werden und die Grünen aus der Regierung ausscheiden.

Energie-Expertin Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung, zeigt sich im Gespräch mit FOCUS online aufgrund der Enthüllungen erschüttert: „Wenn die Expertise der Fachleute im Wirtschaftsministerium tatsächlich nicht zu Robert Habeck durchgedrungen ist, dann wäre das sehr bedenklich.

Expertin Grimm sagt, es sei eine ökonomische Binse, dass die Preise fallen würden, wenn man die günstigen Atomkraftwerke weiterlaufen gelassen hätte. Dementsprechend hätte das in der Debatte berücksichtigt werden müssen.

Am 15. April 2023 hatte Deutschland den Atomausstieg endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet. Der Rückbau ist eingeleitet und kann bis zu 15 Jahre dauern. Die Kraftwerke hätten ursprünglich bereits zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, der Betrieb war aber zur Sicherung der Stromversorgung verlängert worden. Die Grünen hatten sich lange gegen einen solchen Schritt gewehrt, schließlich aber Habecks Idee einer vorübergehenden Einsatzreserve für die letzten deutschen Atomkraftwerke unterstützt. Am Ende sprach Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein Machtwort für den Weiterbetrieb.

Kommentare