Studie: Jedes dritte deutsche Unternehmen von Wirtschaftskriminalität betroffen

Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IdW), basierend auf Daten aus dem Jahr 2022, ist die Zahl der Wirtschaftsdelikte das dritte Jahr in Folge gestiegen. Genannt wurden Delikte wie Betrug, Korruption, verbotene Preisabsprachen, Steuerhinterziehung oder Schwarzarbeit in mehr als 73.000 Fällen, berichtete kürzlich der Deutschlandfunk.

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In den letzten fünf Jahren betrug die durchschnittliche Anzahl etwa 52.000 Fälle. Die Studie beruht auf einer repräsentativen Umfrage unter den Unternehmen sowie auf Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA). Bei Wirtschaftskriminalitätsdelikten ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.

Die Studienautoren werteten auch verfügbare Daten über die Täterprofile aus. Sie schreiben, Wirtschaftskriminelle in Deutschland seien in der Regel männlich, Ende 30 bis Mitte 40, meist deutscher Herkunft, und wiesen ein hohes Bildungsniveau in Kombination mit einer mehrjährigen Berufserfahrung in einer Führungsposition auf. 47 Prozent der Fälle in deutschen Unternehmen werden durch externe Täter verursacht. Bei sogenannten e-crime Straftaten in deutschen Unternehmen ordnen mehr als Dreiviertel der Befragten (78 Prozent) die Täter in die Kategorie „unbekannte Externe“ ein.

Die Mehrheit aller aufgedeckten Wirtschaftskriminalfälle konnte laut der Studie mit einer Aufklärungsquote von 91,8 Prozent gelöst werden. In der Gesamtbetrachtung aller Straftaten, die 2022 in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst wurden, sind es nur etwas mehr als die Hälfte der Fälle mit einer Quote von 57,3 Prozent.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass im Jahr 2022 weltweit knapp der Hälfte der Unternehmen wirtschaftskriminelle Handlungen innerhalb der letzten 24 Monate widerfahren sind. Besonders betroffen sind Unternehmen, die in der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche tätig sind. Hier liegt die Betroffenheitsrate bei knapp zwei Drittel.

Die drei am häufigsten von Wirtschaftskriminalität betroffenen Abteilungen in deutschen Unternehmen sind die IT (36 Prozent), der Vertrieb mit eigenen Mitarbeitern (32 Prozent) sowie das Finanz- und Rechnungswesen (27 Prozent). Im IT-Bereich ist die Betroffenheit im Vergleich zum Vorjahr am stärksten gestiegen (+11 Prozentpunkte), während im Vertrieb (-2 Prozentpunkte) sowie Finanz- und Rechnungswesen (-3 Prozentpunkte) ein leichter Rückgang zu erkennen ist. Jedes zweite deutsche Unternehmen ist im Jahr 2022 Computerkriminalität zum Opfer gefallen.

Klassische Schutzmaßnahmen wie Verhaltensregeln, Schulungen und interne Ermittlungen Haben laut der Studie auf die externen Täter kaum oder gar keine Wirkung. In die Gruppen der externen Täter wirtschaftskrimineller Handlungen in Unternehmen gehören vor allem Kunden (26 Prozent), Hacker (24 Prozent) sowie Anbieter/Lieferanten (20 Prozent).

Die Forscher stellen die Frage, warum es überhaupt zum Wirtschaftskriminalität komme, obwohl es es eine Reihe innerbetrieblicher und außerbetrieblicher Regelungen gebe, die entsprechendes Handeln frühzeitig unterbinden sollen.Eine differenzierte Auseinandersetzung mit sozio-demographischen Merkmalen, Persönlichkeitsstrukturen und der Persönlichkeitsstörung „Narzissmus“ eröffnet neue Perspektiven, um die Motivationen und Hintergründe von Wirtschaftskriminellen zu verstehen, so die Studienautoren.

Narzissmus ist demanch ein Persönlichkeitsmerkmal, das sich durch eine starke Konzentration auf die eigene Person, Selbstidealisierung, einem übermäßigen Bedürfnis nach Bewunderung und Bestätigung durch andere und einem Mangel an Empathie für die Gefühle und Bedürfnisse anderer kennzeichnet. Menschen mit narzisstischen Zügen suchen ständig nach Aufmerksamkeit und Lob und neigen dazu Kritik gegenüber sehr empfindlich zu sein.

Während ein gewisses Maß an Narzissmus insbesondere in deutschen Führungsetagen üblich ist und in dem Fall als Persönlichkeitseigenschaft gesunder Menschen definiert wird, kann sich extremer Narzissmus auch als narzisstische Persönlichkeitsstörung manifestieren. NPS (narcissistic personality disorder) ist eine diagnostizierbare psychische Erkrankung, die durch ein durchdringendes Muster narzisstischen Verhaltens gekennzeichnet ist, das die Funktionsfähigkeit und die Beziehungen einer Person beeinträchtigt.

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung könne ein relevanter Faktor sein, die Wahrscheinlichkeit zu wirtschaftskriminellen Handlungen zu erhöhen, heißt es. Die Frage, ob kriminelles Handeln im wirtschaftlichen Kontext durch individuelle Defizite, das heißt mangelhafte ethische Wertevorstellungen, oder durch mangelhafte Organisationsstrukturen ausgelöst wird, ist nicht abschließend geklärt. Empirische Studien kommen hingegen vielmehr zu der Schlussfolgerung, dass defizitäres Verhalten häufig ein systemisches Problem ist.

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