Kampfjets fliegen bald unbemannt – für Kampfpiloten wird die Welt schon bald sicherer werden. Für die, die vor ihnen in Panik wegzulaufen versuchen, allerdings nicht.
Ein Beitrag von Roberto J. De Lapuente

Sensationell: Der schwedische Rüstungskonzern Saab und das deutsche Rüstungs-Startup Helsing haben erfolgreich einen KI-Agenten im Cockpit eines Kampf-Jets montiert. Noch flog der mit menschlicher Begleitung, das dürfte aber bald schon nicht mehr nötig sein. Das schwedische Verteidigungsministerium hat diese Entwicklung in Auftrag gegeben.
Interessant am Rande: Helsing als deutsches Startup im Rüstungssektor – man sieht schon, wer von der politischen Entwicklung profitiert. Die öffentlichen Gelder der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union fließen entweder in die Ukraine – oder in Geschäftsmodelle von Kriegsprofiteuren. Die Carola-Brücke in Dresden bleibt jedoch, so schrieb Sevim Dagdelen neulich bei X, weiterhin unpassierbar – es fehle schließlich an Geld. Das Wirtschaftswunder Marke Merz: Es wird wenigen Pfeffersäcken – ein historischer Begriff, der bis zur Hanse zurückreicht, aber im Ersten Weltkrieg auf rücksichtslose Profiteure gemünzt wurde – reiche Geschäfte bescheren. Für die Bürger wird sich nichts verbessern – Wunder heißt dessen »Konzept« vermutlich nur, weil man sich wundern muss über so viel deutschen Stoizismus: Hat schon jemals irgendwo eine Bevölkerung so schweigsam einen politisch verursachten wirtschaftlichen Totalzusammenbruch begleitet?
Gibt es einen KI-Agenten für die Bombardierten?
Künstliche Intelligenz steuert nun also bald Kampf-Jets. Mit Personalmangel wird das nicht begründet werden können – dem öffentlichen Nahverkehr mangelt es jedoch an Arbeitskräften. Aber bislang steuert keine KI den städtischen Verkehr – auch dafür scheint kein Geld vorrätig zu sein. Alle Innovationskraft geht in den Rüstungssektor. Wer will, dass sich seine Forschungen rentieren, muss dorthin. Die Zivilgesellschaft ist ein Auslaufmodell, wer dort Verbesserungen machen und damit – so ist es nun mal systemisch und menschlich bedingt! – Geld verdienen möchte, hat es schwer. Nicht nur finanzielle Mittel werden vorenthalten: Ein Wust an Vorschriften und bürokratischen Barrieren macht einem die eigene Schaffenskraft zum Laster. Wer für die Rüstung forscht, dürfte recht freie Hand haben in diesen Zeiten. Was Erfolg verspricht an der Front, ist auch selbstverständlich erlaubt.
Ob es dann letztlich um die Lebensrettung teuer ausgebildeter Kampfpiloten geht, sei mal dahingestellt. Vermutlich ist das nur eine Nebenwirkung. Vom KI-Agenten erwartet man sich natürlich in erster Linie einen Kampfvorteil – der amortisiert sich freilich erst, wenn sich auch der Feind mit demselben KI-Aufgebot ins Schlachtgetümmel wirft. Die Piloten profitieren dann natürlich dennoch davon. Sie sitzen am Boden, werden von dort noch letzte Eingriffsmöglichkeiten haben. Ihr Leben ist gerettet. Das der Bevölkerung allerdings, die vom Fliegeralarm beglückt wird, bleibt nicht verschont: Was gedenken Verteidigungsministerien der EU denn eigentlich KI-basiert dagegen zu tun? Kann ein KI-Agent die Furcht an sich reißen und die Menschen können dann davon befreit einfach ganz normal weiterleben? Kann die KI das Sitzen im Luftschutzkeller übernehmen? Gibt es da auch was von Helsing?
Der Krieg wird mehr und mehr zu einem Handwerk von KI-Spezialisten. Als Nebeneffekt wird er das Leben vieler – nicht aller Soldaten – schonen. Die speziell und kostenintensiv ausgebildeten Soldaten werden eher mit dem Leben davonkommen. Wie jene Piloten, die dann fliegen ohne zu fliegen. Umständlich auszubildende Panzer-Einheiten werden nicht mehr selbst im Stahlgrab sitzen, wenn die Panzerfaust – abgefeuert von der KI? – das Ziel erfolgreich anvisierte. Die Soldaten, die dennoch sterben werden, für die es keine KI gibt: Das ist das soldatische Fußvolk, die Rekrutierten – sagen wir, wie es ist, liebe Leute: Unsere Söhne und sicher auch unsere Töchter. Wann werden erste junge Frauen verkünden, wie schrecklich feministisch es sei, den Männern nicht alleine den Mordsspaß zu lassen?
Opfer müssen sein
Skynet übernahm am 24. Juli 2004 die Macht, führte seither einen Kampf gegen die Menschheit. So sieht man es zumindest im dritten Teil der Terminator-Reihe. Im zweiten Teil hat man diesen Tag der Machtergreifung der KI-Faschos noch erfolgreich verhindert – denn eigentlich sollte er bereits 1997 erfolgen. Was uns diese Science-Fiction-Reihe sagen wollte: Dass die Maschinen irgendwann die Menschen dominieren, lässt sich vielleicht verschieben und hinauszögern, aber nicht verhindern. Dass dem so sein könnte, steht seit nunmehr einigen Jahren im Raum. Die Künstliche Intelligenz wird das neue Militär. Dass sie irgendwann menschliche Beeinflussungen abstreift: Ausgeschlossen ist das nicht. Wäre die KI wirklich intelligent, wie ihre Bezeichnung das weismachen will, würde sie kriegerische Handlungen beenden. Ist sie freilich nicht, sie ist ein Fachidiot – gemacht von Fachidioten, die auch noch öffentliche Gelder dafür abstauben.
Man sieht schon, wer die Zeche zahlt. Müßig, jetzt nochmal auf Smedley Butler zu sprechen zu kommen. Sein Buch, dessen Grundlage eine Rede war, ist nun 90 Jahre alt – es erschien noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber es ist so aktuell, so unglaublich zeitgenössisch geradezu, dass einem jede Zuversicht in historische Lerneffekte abhandenkommen muss. Es ist tragisch, dass dieses Buch noch immer einen Nerv trifft. Butler macht ganz klar, wer die Rechnung am Ende bezahlt: Soldaten und Zivilisten. Von KI hatte Butler noch keinen Schimmer. Aber er wusste, dass die schwächsten Protagonisten in Kriegsszenarien keine Rettung erhoffen dürfen. Sie kommen unter die Räder. Und diese Erkenntnis gilt auch 2025 nach wie vor.
Und es muss ja auch so sein, muss man nüchtern konstatieren. Dass einige wenige Fachsoldaten nicht mehr ihr Leben aufs Spiel setzen müssen, hat ja auch ökonomische Ursachen: Eine Ausbildung ist teuer. Wer wirft schon gerne seine Investitionen weg? Aber wenn die Künstliche Intelligenz einen Krieg austragen könnte, bei dem keiner mehr zu Schaden kommt, wen wollte man mit seinem Waffengang noch beeindrucken? Das ist ein wenig wie jene »Helden des Streikrechts«, die ihren Streik in Nachtstunden verlegen, damit möglichst wenig Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden. Wer so streikt, der will nicht gehört werden. Und wer den Krieg ohne Opfer führt, der will ihn nicht gewinnen.
Frankensteins Terminator
Gleichzeitig liest sich die Berichterstattung zur KI-Kriegsführung in Führerständen, Cockpits und Kommandozentralen immer auch rabiat fortschrittsgläubig: Ein bisschen so wie damals, als die ersten Kampfdrohnen aufkamen und man versprach, dass man nun klinisch-steril und chirurgisch-exakt Operationen durchführen könne. Endlich seien Zivilisten sicher, man könne die Köpfe ausschalten, die für Gewalt und Terror verantwortlich seien. Wer wollte da noch Protest erheben? Gut, vielleicht diejenigen, die dennoch Familienmitglieder verloren, weil die Drohne gar nicht mal so genau flog, erfasste und tötete. Aus ihren Eltern, Kindern und Verwandten wurden Kollateralschäden. Opfer, die man nicht generieren wollte, die aber dummerweise dennoch in Mitleidenschaft gezogen wurden. Fortschritt hat seinen Preis, wird man in den operativen Schaltstellen wohl achselzuckend festhalten.
Nun also die KI, die Jets fliegt – und wieder schwingt dieselbe Prämisse mit: Die KI macht alles viel leichter, ja menschlicher und genauer ohnehin. Die Maschine ist unfehlbar, sie steht über den Dingen und damit über all die kleinen menschlichen Befindlichkeiten, die das Tötungshandwerk so anfällig machen für humanitäre Kurzschlusshandlungen. Nehmen wir nur jenen Stanislaw Petrow, einst sowjetischer Oberstleutnant. Als der 1983 »menschliche Befindlichkeiten« hatte und nicht Alarm schlug, obgleich ein Radar einen feindlichen Angriff vermeldete, rettet er die Menschheit vor einem neuen globalen Waffengang, ja vor einem Atomkrieg, genauer gesagt. Eine Maschine hätte sich nicht »getäuscht«, wie es Petrow aus Sicht überbordender Digitalitätsgläubigkeit tat – denn er hatte Zweifel und diese Zweifel täuschen KI-Systeme nicht. Man kann sich zwar mit ChatGPT über allerlei unterhalten, auch über die eigenen Zweifel, die man hegen mag. Dann erhält man von der KI auch vollmundige Ausführungen, wie normal Zweifel seien, dass man dazu stehen müsse und so weiter. Aber all das klingt stets oberflächlich, wie aus einem psychologischen Küchenratgeber gestanzt. Das Ding hat keine Ahnung wovon es »spricht«, es ist ein Abklatsch von Verständigkeit.
Wie so viele der Kriegsberichterstatter dieser Berliner Republik übrigens auch. Alles was nach Innovation klingt, alles was Verheißungen auf einen Vorteil gegen Russland verspricht, wenn man erstmal zu den Waffen greift, ist per se schon mal sympathisch für diese schreibende Brut. Wehe uns, wenn die KI dazu übergeht, möglichst viele zivile Opfer mitten in einem Vernichtungskrieg als ein gebotenes Mittel der Kriegsführung anzubieten und die Entscheider haben sich indes entschlossen, die KI von einer KI gegenchecken zu lassen! Victor Frankenstein ging an der von ihm erschaffenen Kreatur zugrunde. Im Grunde haben die Macher des Terminators nur Mary Shelleys Roman modifiziert …
Roberto J. De Lapuente, Jahrgang 1978, ist gelernter Industriemechaniker und betrieb acht Jahre lang den Blog »ad sinistram«. Von 2017 bis 2024 war er Mitherausgeber des Blogs »neulandrebellen«. Er war Kolumnist beim »Neuen Deutschland« und schrieb regelmäßig für »Makroskop«. Seit 2022 ist er Redakteur bei »Overton Magazin«. De Lapuente hat eine erwachsene Tochter und wohnt in Frankfurt am Main.
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