Aufstieg und Fall des Kind-Kanzlers Kurz oder wie man ohne Ausbildung Regierungschef werden kann

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  • Februar 7, 2024
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Sebastian Kurz, Abiturient, keine Ausbildung, amtierte insgesamt 38 Monate als Bundeskanzler und Regierungschef in Österreich. Zuvor war er über sieben Jahre in Ministerfunktionen und wurde getragen von einschlägigen Netzwerken seiner inzwischen berüchtigten „türkisen Familie“ der ÖVP. Netzwerke, die in einem demokratisch organisierten Staat Schlüsselpositionen besetzen.

Ein Beitrag von Peter v. Wertheim

Shutterstock/ 360b

Sebastian Kurz kommt 1986 in Wien auf die Welt, seine Mutter ist Lehrerin, sein Vater Techniker. Nachdem er die Volksschule und das Gymnasium besucht, geht er zum Militär und beginnt anschließend in der österreichischen Hauptstadt ein Jurastudium. Bis heute hat er aber keinen Abschluss. Schon der junge Sebastian zog die Politik dem Studium vor. 

Slim-Fit für Jungwähler, Design-Persönlichkeit mit Kindchenschema für Altwähler

Die internen Spin-Doktoren der ÖVP erschufen mit Sebastian „Basti“ Kurz den neuen Typus des „Kind-Politikers“ mit dem besonderen Nichts. Die ÖVP mit ergrautem Image wollte damit Jungwähler der Geburtsjahrgänge 1990plus, Stichwort „Generation Praktikum“, gezielt gewinnen: Sebastian „Basti“ Kurz, ein Abiturent ohne Ausbildung und Studium, in trendiger Slim-Fit-Ausführung schafft es mit der neuen, türkisen ÖVP ganz nach „oben“. Er wird Karriere-Motor für alle jungen Groupies XYZ der Generation Praktikum mit Aufstiegs- und Karrierehunger. Junge ÖVP-Mitglieder werden so am Glamour im türkisen Jugend-Erfolgsnetzwerk teilhaben, wenn sie sich seiner „türkisen Familie“ nur anschliessen. Das Team Kurz als Schaltzentrale einer neuen, dynamisierten, türkisen ÖVP mit dem Projekt „Ballhausplatz“ zur Übernahme der Regierungs- und Entscheidungszentralen war geboren.

Die älteren Wähler-Generationen wurden mit dem ausgewählten Design-Profil eines Jungpolitikers betört. Gerade den Stimmbruch abgeschlossen, massenpsychologisch wird hier das Kindchenschema professionell bedient. Das gefühlsgeleitete Österreich wertet das als generationenübergreifend nur „liab“. Der Duden umschreibt das mit „niedlich“. Juveniler Hoffnungsträger aus dem Nichts führt in eine, neuere bessere Zukunft, macht aus der lahmen österreichischen Volkspartei die effektpsychologisch dynamisierten „Türkisen“.

Österreichs Öffentlichkeit und seine Medien waren über jede neurolinguistisch perfekt aufbereitete Null-Aussage von ihrem „Basti Fantasti“ restlos begeistert. Nach den ersten TV-Auftritten von Wunder-Basti in Deutschland, verfielen auch die deutschen Kolumnisten ins Schwärmen. Die deutsche Medienöffentlichkeit träumte im Feuilleton, wie schön es sein könnte, wenn Deutschland auch so einen „Basti“ hätte. Die EU-Granden hofierten den inszenierten Kindkanzler. Die türkise ÖVP als stabiler Regierungsmachtfaktor in Österreich war durch das Erfolgskonzept Kurz in ihrer Macht gesichert. Das überzeugte auch die einschlägigen EU-Lobbies.

Türkise Partystimmung, Geil-o-Mobil  und einschlägige Netzwerke

2010 begann die rasante Aufstiegsfahrt im ÖVP-Wahlkampf. Basti fuhr im schwarzen SUV durch Wien und verteilte Kondome in der Partymeile. 2011 wurde er dafür zum Bundesobmann der jungen ÖVP ernannt. Schon damals richteten sich die Machtnetzwerke der ÖVP nach Kurz aus und bedienten sich der neuen, der türkisen Generation „Basti“.

Mit schillernden Insider-Parties in den Szene-Clubs eines vertrauten Basti-Freundes wurde der attraktive Nimbus der „türkisen Familie“ begründet. Mittelklasse-Youngster träumten davon, einmal ein Teil dessen zu sein. Wie aus dem Nichts wurde von diesem vietnamesisch-stämmigen Jungunternehmer ebenso parallel zum astronomischen Aufstieg des türkisen Sebastian Kurz, Szenelokal um Szenelokal in Wien eröffnet. Medien berichteten periodisch über verstörende Behördenmilde bei Ordnungswidrigkeiten des Gastronoms. Konnte das mit der öffentlichkeitswirksamen Freundschaft zu Kurz zusammenhängen? Niemand wollte das hören. Jetzt ist das alles anders. Die Behörden sind nun aktiv, das Unternehmen wurde geschlossen. Das Insolvenzgericht ist aktuell am Zug.

Auch das Pyramidenkonstrukt des schillernden Kurz-Vertrauten René Benko, die SIGNA Holding ist jetzt eingestürzt. Insolvenzgerichte in USA, Schweiz, Deutschland und Österreich werden sich noch über Jahre mit dem undurchschaubaren Firmengeflecht dieses Shootingstars aus der Alpen-Republik beschäftigen. Das SIGNA-Milliardendebakel hat das Potenzial, eine europäische Version der Lehman-Pleite 2008 zu werden. Hier wurde die Netzwerk-Achse Kurz-Signa-Benko zum Inbegriff medial inszenierter Wirtschaftskompetenz des türkisen Wunderkindes Sebastian Kurz. Wie einst der Shooting-Star Karl Theodor zu Guttenberg am Timesquare in New York, inszenierte sich dort mit ähnlichem Drehbuch Sebastian Kurz: ähnliche Bilder, ähnliche Narrative.

Zurück zu Bastis Polit-Karriere: Einschlägige Chatverläufe, die öffentlich aufgedeckt wurden, führten auch zum Ende der Politlaufbahn des Sebastian Kurz und zur behördlichen Anklage. Auslöser dafür wurde der von Kurz ins Amt gehobene und aufgrund des Skandals zurückgetretene Vorstand der staatlichen Industriebeteiligungen, namens Thomas Schmid. Ein Detail des inkriminierten Chatverlaufs zeichnet ein Sittenbild im Karriere-Booster der „türkisen Familie“ von Kurz: 

Sebastian Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst :* :* :*“ Thomas Schmid: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler.“

Darüber hinaus stellte die Staatsanwaltschaft auf Schmids Diensthandys schlüpfrige Chats und 2.500 Bilder von männlichen Genitalien sicher. Viel ist von „weißem Pulver“ die Rede. Der Drogenkonsum Schmids war bereits Gegenstand von Ermittlungen. Thomas Schmid ist aktuell im laufenden Prozessverfahren gegen Kurz auf Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft involviert. Schmid bemüht sich im Verfahren um Kronzeugenstatus. 

Ensemblemitglieder des Wiener Burgtheaters verarbeiteten die Orginal-Chats szenisch als Theaterlesung. Die szenische Aufarbeitung als künstlerisches Zeitdokument ist für die Öffentlichkeit bis heute auf der Website des Wiener Burgtheaters abrufbar: https://www.burgtheater.at/causa-kurz-die-chatprotokolle

Team Kurz: Ein türkises Aufstiegs-Eldorado 

Kabinette und leitende Abteilungen wurden in Österreich seit der Ära Sebastian Kurz bis heute mit türkisen Newcomern, einschlägigen Netzwerken und Kurz-Epigonen besetzt. Die professionelle Personalwirtschaft prüft Bewerberprofile objektiv auf fachliche Eignung. Im türkisen Netzwerk ist das keine Kategorie, was zählt ist das Netzwerk, die „türkise Familie“. 

Sexuelle Orientierung ist nach Recht und Gesetz Privatsache. Eine legitime Privatsache endet mutmaßlich dort, wo einschlägige Netzwerke einen demokratisch organisierten Staat an Schlüsselpositionen ebenso einschlägig besetzen.

2022 gewährte ein gerichtsanhängiger Fall um einen weiteren Kurz-Intimus in Wien, einem ÖVP-Gemeinderat und ehemaligen Hillary-Clinton-Wahlkämpfer, Einblick in diese einschlägigen Milieus: Knabenhafte, türkise Jungkarrieristen schilderten dem Gericht ihre Motivation zum freiwilligen oder doch unfreiwilligen Intimkontakt mit diesem einflussreichen Kurz-Vertrauten und Wiener ÖVP-Gemeinderat: „Es war Opportunismus. Ich wollte in seinen Lebenskreis eintauchen. Er hat alles gezahlt, er kannte Kurz.“  Sebastian Kurz selbst thematisierte öffentlich, dass er bei einem Treffen mit früheren Mitschülern darauf angesprochen wurde, ob er schwul sei. Kurz hatte damals erklärt, solche Gerüchte seien «unglaublich». Seit Ende November 2021 sind der Ex-Kanzler und seine Freundin Eltern.

Machtübernahme: Das türkise Projekt Ballhausplatz

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft  geht davon aus, dass Sebastian Kurz beginnend mit dem Jahr 2016, als er noch Außenminister war, seinen Aufstieg an die ÖVP-Parteispitze, Nationalratsneuwahlen und auf diesem Wege die Bundeskanzlerschaft angestrebt hat. Ein Kreis enger, strategischer Vertrauter im türkisen Netzwerk soll ihn bei diesem Vorhaben unterstützt haben. Dazu wurden Strategien mit der Bezeichnung „Projekt Ballhausplatz“, benannt nach der Adresse des Bundeskanzleramts, entwickelt. 

Da zu diesem Zeitpunkt Kurz noch nicht ÖVP-Parteiobmann war, war ein Zugriff auf die ÖVP-Parteifinanzen nicht möglich. Zur Finanzierung dieser parteipolitischen Ziele über Vertraute im Finanzministerium soll man sich rechtswidrig unter Einsatz von Scheinrechnungen budgetärer Mittel des Finanzministeriums bedient haben.

Shutterstock/ ADragan

Die erlangten finanziellen Mittel sollen unter anderem bei einer Meinungsforscherin beauftragte, gefälschte Umfragen finanziert haben. Laut Vermutung der Behörden wurden diese gefälschten Umfragen bei der bestochenen Mediengruppe strategisch platziert. Dadurch wurde sowohl die ÖVP-parteiinterne als auch die öffentliche Meinung beeinflusst.

Sebastian Kurz heuerte nach dem Ende seiner politischen Karriere beim deutsch-US-amerikanischen Silicon-Valley-Milliardär und PayPal-Gründer Peter Thiel an. Thiel hält nichts von Demokratie. Er sagt, er fände sie mit Freiheit „unvereinbar“. Thiel war erster echter Investor und wichtigster Lehrmeister von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Der hat von Thiel die Ideologie gelernt, dass „Unternehmen über Staaten“ stehen. 

Sebastian Kurz bewundert den bekennenden Antidemokraten Peter Thiel schon lang. Kenntnis europäischer Staatsgeheimnisse und Verbindungen zu Cybersecurity-Unternehmen, die sensible Kommunikation deutscher und österreichischer Ministerien überwacht, macht Kurz für Thiel attraktiv. 2017 heiratete Thiel auch in Wien seinen langjährigen Partner Matt Danzeisen. Parallel dazu verstarb 2023 das Model Jeff Thomas. Dieser war seit 2020 Thiels romantischer Partner gewesen. Thiel geriet  2016 auch persönlich in die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass er sich zur Verjüngung Blut von jungen Spendern spritzen lassen möchte. Es wurde bekannt, dass Thiel sich für Kryokonservierung interessiert und sich bereits einen Platz gesichert hat, um seinen Körper nach dem Tod im Kälteschlaf konservieren zu lassen. Allmachtsphantasien gehen über den Tod hinaus.

Aktuell ist Sebastian Kurz mit seiner Beratungsfirma und mit einer Firmenbeteiligung im Geschäftsbereich Sicherheitssysteme in Israel engagiert. Im kleinen Kreis sprach Kurz gerne davon, dass der israelische Premier eine Art „väterlicher Freund“ sei. Ob Netanjahu das auch so sieht, ist nicht überliefert. Trotz des großen Altersunterschieds von fast 40 Jahren gibt es zwischen den zwei Herren jedenfalls Gemeinsamkeiten, die den engen Austausch erleichtern: Beide sind Machtpolitiker und halten weniger von Ideologie als von Strategie, mehr von Meinungsumfragen als von mühsamer Überzeugungsarbeit.

Netzwerkstrategie über mehr als ein Jahrzehnt

Aktuell reflektiert die französische Öffentlichkeit die Vorgänge um den Macron-Vertrauten und nunmehrigen Premierminister Gabriel Attal, der nun seinen Ex-Lebensgefährten zum Außenminister erhob. Sexuelle Präferenzen sind Privatsache. Mutmaßliche Netzwerkbildung im Staat aufgrund einschlägiger Präferenzen kann zum Thema werden. 

Der ehemalige, farblose ÖVP-Parteiobmann Spindelegger pflanzte jenen Samen, der zur blühenden türkisen Landschaft ÖVP wurde. Unter Obmann Spindelegger begann die politische Karriere fast aller türkisen Politstars, die die ÖVP heute noch dominieren. 

Er machte Sebastian Kurz zum Staatssekretär, nachdem dieser zuvor Mitarbeiter bei ihm gewesen war. In Spindeleggers Kabinett im Außenministerium lernten einander Thomas Schmid, der heutige Außenminister Alexander Graf Schallenberg und der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel kennen. 

Der Ex-ÖVP-Chef Spindelegger trat 2014 überraschend zurück. Eine deutsche Medienplattform veröffentlichte hierzu, was österreichische Insider über ein Vorkommnis mit einem bulgarischen Masseur nur munkelten. Das wurde auch in Österreich durchaus in informierten Zirkeln besprochen, aber niemals medial in Österreich aufgegriffen. Wie schon festgestellt, geschlechtliche Orientierung ist nach Recht und Gesetz Privatsache. Eine deutsche Informationsplattform nahm sich jedoch dieser Thematik eingehender an: https://www.fuchsbriefe.de/politik/europa/schwule-seilschaften

Mehr als ein Jahrzehnt ist der Startschuss der türkisen Netzwerk-Gründung mittlerweile her. Man kennt einander, wie der spätere Finanzminister Gernot Blümel im Februar 2019 mit drei Küsschen-Emojis an Finanz-Generalsekretär Thomas Schmid schrieb: „Keine Sorge! Du bist Familie!“ Minister Blümel antwortete: „Ein Küsschen retour.“

Schande über den, der Schlechtes dabei denkt…

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